Langzeitarbeitslose restaurieren in einem Projekt der Diakonie Essen historische Peugeots und bekommen wertvolle Fertigkeiten und neue Perspektiven.
Essen.
Es fing ganz harmlos an: Weil die Beschäftigungsgesellschaft der „Neue Arbeit“ der Diakonie Essen GmbH keinen Kleintransporter fürs Abholen von Spenden hatte, wurde nach einem preiswerten und gebrauchten Lieferwagen gesucht.
„Könnte der Wagen nicht auch ein echter Hingucker sein, etwa ein alter Hanomag…“. So träumte ein Mitarbeiter der „Neue Arbeit“; doch er wurde gleich in die Realität geholt. „Gerade historische deutsche Automarken sind viel zu teuer“, erklärt Michael Stelzner, Geschäftsführer der „Neue Arbeit“ der Diakonie Essen. Dennoch hing nun eine Idee in der Luft; und als Stelzner schließlich von seinen Kontakten nach Frankreich erzählte, wo immer wieder mal alte Peugeots und Citroëns in verstaubten Garagen gefunden und zudem noch recht günstig zu erstehen sind – da reifte ein Plan.
Stelzner fuhr kurzerhand in die französische Provinz, wurde fündig – lud für wenig Geld einen historischen HY auf den Hänger und schleppte ihn in die Essener Werkstatt der „Neue Arbeit“. So heißt die diakonische Beschäftigungsgesellschaft, die zu den größten der Evangelischen Kirche Rheinland-Westfalen-Lippe zählt.
Liebe auf den ersten Blick zu einem alten HY
In der Werkstatt sorgte der ramponierte und verstaubte Citroën sofort für großes Aufsehen. Finger glitten über die rostige Karosserie, befühlten die Sitze, aus denen Sprungfedern hüpften, und beim Blick auf den übersichtlichen Motorblock überkam die Männer ein Lächeln. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie wollten den ollen HY wieder fahren und glänzen sehen. „Die Begeisterung war so groß, dass wir gleich an ein Projekt für das Programm öffentlich geförderter Beschäftigung in NRW in Zusammenarbeit mit dem JobCenter Essen dachten“, so Stelzner. Öffentlich geförderte Beschäftigung – das sind Maßnahmen für Menschen, die für gewöhnlich keine Stelle mehr finden. Langwierige Krankheiten, Schicksale, Sucht, Straffälligkeit – all das sorgt dafür, dass diese Menschen dem Arbeitsmarkt verloren gehen. „Viele von ihnen sind seit sieben oder mehr Jahren arbeitslos“, erklärt Stelzner. Null Perspektive.
Umso schöner war die große Motivation durch die alten vierrädrigen Franzosen. Schnell lernten die Männer und Frauen, wie man Bleche in Form bringt, die Kurbelwelle in Schwung bringt, Scheiben einsetzt, Polster aufarbeitet. „Peugeot und Citroën hatten schon in der Vorkriegszeit auf standardisierte Autoteile gesetzt; Ersatzteile gibt es also in großer Zahl und günstig“, so Stelzner. Und als der Wagen schließlich wieder wie zum Baujahr in den 50er-Jahren aussah, „da war die gesamte Mannschaft mehr als stolz“, sagt Fachbereichsleiterin Gabi Baumgart. Und Abteilungsleiter Rainer Bosse freut sich, dass die Zahl der Mitarbeiter schon bald erhöht werden kann.
Denn die Nachfrage nach den urigen Franzosen ist groß. Die Weingalerie Am Schloss in Essen hält sich einen historischen Citroën als Verkaufswagen. Und auch andere Firmen sehen in den Oldtimern einen ungewöhnlichen Blickfang. Dass ihre Arbeit so große Wertschätzung erfährt, spornt die Mitarbeiter enorm an. „Wir haben Kooperationen mit Restaurierungsunternehmen ins Leben gerufen, wo die Mitarbeiter jede Menge Spezialwissen aufsaugen können“, erzählt Stelzner. Und so kommt es, dass einige bereits Perspektiven zur Einstellung bei Arbeitgebern haben. Ein Riesenerfolg, wenn man bedenkt, dass diese Menschen zuvor als nicht vermittelbar galten. „Sie gehen wieder gerade“, sagt Gabi Baumgart. Sobald sie nicht mehr alimentiert werden, blühen sie auf.
Alte Peugeot- und Citroen-Modelle stehen in der Garage
Die Beschäftigungsgesellschaft bekommt das Oldtimer-Projekt öffentlich gefördert, u.a. müssen 25 Prozent der Lohnkosten der Teilnehmenden selbst erwirtschaftet werden. So verlangen es die Bestimmungen. Zahlreiche HY-Modelle füllen bereits die Halle der „Neue Arbeit“, deren genauen Standort wir hier aus naheliegenden Gründen nicht verraten. Auch Vorkriegsmodelle sind dabei, ein Filmwagen, in dem schon Gerard Depardieu mimte oder ein Peugeot D4 aus den 60er-Jahren, der derzeit als Luther-Mobil fürs aktuelle Jubiläum des Reformators restauriert wird. „Es macht große Freude, diese alten Schätzchen wieder frisch zu machen“, sagt ein Mitarbeiter. Die gute Idee mit den Oldtimern hat auch ihnen wieder neues Leben eingehaucht.