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Im Visier der Hetzer und Rassisten

Im Visier der Hetzer und Rassisten

Bocholt. 

Der Parteitag der Bocholter SPD wäre gestern vermutlich eine Routineveranstaltung gewesen und Thomas Purwin mit großer Mehrheit als Stadtverbandsvorsitzender bestätigt worden. Der Parteitag ist ausgefallen. Die SPD sagte ihn kurzfristig ab. Purwin hatte zuvor eine Morddrohung erhalten.

In Bocholt spielt sich ab, was derzeit in so vielen Groß- und Kleinstädten in Deutschland geschieht, seit die Flüchtlingskrise rechte Hetzer auf den Plan gerufen hat. Politiker werden bepöbelt, beschimpft, bedroht. „Bei uns fing das im vergangenen November an, der Bürgermeister und der Kämmerer bekamen Drohmails“, erzählt Purwin. Darin neben unflätigen Beschimpfungen und unsäglichen rassistischen Schmähungen die üblichen Vorwürfe: Ausländer bekämen alles, für die Einheimischen werde nichts getan.

„Das flaute irgendwann ab, aber in den vergangenen Wochen hat es wieder stark zugenommen“, berichtet der 35-jährige Bocholter SPD-Chef, der das Standesamt der Stadt leitet. Auch er geriet in den Fokus. Besonders beunruhigend: „Seit zwei Wochen werden mir die Mails auf meinen privaten Account zugeschickt.“ In der Nacht von Montag auf Dienstag erhielt Purwin eine Mail, Absender „adolf.hitler@deutscherreichstag.de“, in der ihm massiv gedroht wurde. Ihm gehöre der „verfi…. Judenschädel abgeschlagen“.

„Sicherheit der Familie hat Vorrang“

Eine Mail zu viel. Mit seiner Lebensgefährtin beschloss Purwin, nicht mehr für den Stadtverbandsvorsitz zu kandidieren. „Man weiß ja nicht, ob solche Leute nur Maulhelden sind oder tatsächlich zur Tat schreiten. Die Sicherheit meiner Familie hat Vorrang vor der Politik.“ Warum er so unter Beschuss geraten ist, erklärt sich der Kommunalpolitiker damit, dass er in den sozialen Medien stark präsent ist und dort versucht, Lokalpolitik zu erklären.

„Es gibt in unserer Gesellschaft die besorgniserregende Tendenz zur Verrohung“, sagt NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Er spricht von „unerträglichen Angriffen auf die Menschen, die sich für die Demokratie und das Gemeinwohl einsetzen“, denen „NRW-Polizei und Justiz mit der ganzen Härte des Rechtsstaates begegnen“. Aber: Immer wieder hat Purwin den oder die unbekannten Verfasser der Hass-Mails – „der Sprachduktus ist immer gleich“ – angezeigt, der Staatsschutz wurde eingeschaltet. Vergebens. „Ich bekomme regelmäßig Post von der Staatsanwaltschaft, die mir mitteilt, dass das Verfahren eingestellt wurde. Das ist auf Dauer sehr frustrierend.“

Nachdem die Absage des Parteitags publik wurde, erfuhr Purwin viel Solidarität: „Ich habe sehr viel Zuspruch aus der Bocholter Bevölkerung erhalten, aber auch Mails aus ganz Deutschland, in denen mir Mut gemacht wurde. Das tut gut.“ Gestern Nachmittag rief SPD-Parteichef Sigmar Gabriel an, auch er sprach Purwin Mut zu. Wegen dieser „sagenhaften Unterstützung“ will der 35-Jährige nun vielleicht doch noch einmal kandidieren.