27-jähriger Häftling hatte Feuer in seiner Zelle in der JVA Geldern entzündet. Die Aufseher konnten den jungen Mann noch bergen und in ein Krankenhaus bringen. Die Ärzte dort können ihn jedoch nicht retten. Ermittler gehen von Freitod aus.
Geldern.
Wären die Retter schneller da gewesen, wenn es einen Rauchmelder in der Zelle gegeben hätte? Jennifer Rybarczyk ist überzeugt: „Das hätte in diesem Fall nichts geändert.“ Mitgefangene in Hafthaus A hatten am Dienstagabend gegen 22.10 Uhr wegen des Brandgeruchs den Alarm gedrückt: „Und 17 Sekunden später waren die Kollegen vor Ort“, berichtet die stellvertretende Leiterin der JVA Geldern.
Die Justizbediensteten verschafften sich rasch Zugang zu der Zelle, in der ein 27-Jähriger allein untergebracht war, sie löschten das Feuer und bargen den Häftling aus dem verqualmten Raum. Sein Leben aber konnten auch die Ärzte später in einer Bochumer Klinik nicht mehr retten: Der 27-Jährige verstarb nach einer Not-OP.
Für die Ermittler von der Polizei war am Mittwoch ziemlich schnell klar: Es war Selbstmord – darauf hatte schon die mit einem Schrank und einem Bett notdürftig von innen verrammelte Zellentür hingedeutet. Es ist ein besonders tragischer Freitod. Schon im Frühjahr 2014 wäre der Mann entlassen worden – Strafe verbüßt. Er war ein Kleinkrimineller, verurteilt wegen mehrerer Diebstähle zu zwei Jahren Haft. Es gab auch ein Drogenproblem, Cannabis. Und: Der Mann war in psychiatrischer Behandlung.
Debatte um Brandschutz in den Haftanstalten
„Eine Selbstmordgefahr war nicht festgestellt worden“, sagt Detlef Feige vom NRW-Justizministerium. Sonst wäre der Mann nicht, wie es mittlerweile Standard ist, alleine in einer Zelle untergebracht wesen, wie Feige erklärt. Am 4. Oktober noch hatte der 27-Jährige eine Sitzung bei seinem Psychiater – ohne Auffälligkeit, wie es heißt. Zuvor sei der Mann wegen seines „psychischen Problems“ auch schon im Justizkrankenhaus Fröndenberg gewesen. Dort sei er aber entlassen worden, nachdem sich sein Zustand stabilisiert hatte, berichtet der Ministeriumssprecher.
Das Personal der Haftanstalt hat alles versucht, den 27-Jährigen retten – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Ihr schnelles Eingreifen verhinderte auch, dass das Feuer auf andere Zellen übergreifen können. Fünf JVA-Mitarbeiter erlitten Rauchvergiftungen und mussten behandelt werden – glücklicherweise keine gravierenden Fälle.
„Wenn es in den Zellen brennt, muss ganz schnell gehandelt werden“, sagt Peter Brock. Im Gespräch mit der NRZ fordert der Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, dass die JVA-Mitarbeiter für solche Notfälle extra geschult werden müssten. Zudem müssten sie Sauerstoffmasken zur Verfügung haben – was bislang nicht der Fall sei. Im Ministerium zeigt man sich für solche Forderungen offen: „Über die Anschaffung solcher Masken wird man sicher reden können“, sagt Feige.
Auch über Rauchmelder in den Zellen?
Reiner Gilles von der Feuerwehr in Geldern betont, dass er der Justizverwaltung keine Ratschläge geben wolle. Der stellvertretende Wehrführer sagt aber auch: „Rauchmelder sind Lebensretter.“ In den nordrhein-westfälischen Gefängnissen sind Flure und Gemeinschaftsräume damit ausgestattet, nicht aber die Zellen – so auch in Geldern. Anstaltsvize Rybarczyk hat Zweifel, ob ein Nachrüsten umsetzbar wäre: „Die Zellen sind doch wie Wohnungen, die Häftlinge können dort rauchen.“ Auch Ministeriumssprecher Feige sieht da keine Möglichkeit: „Die Rauchmelder würden zu oft manipuliert und für Fehlalarme missbraucht.“ Gewerkschafter Peter Brock geht davon aus, dass ein Nachrüsten der teilweise sehr alten Gefängnisse sehr teuer wäre.
Der Freitod des Gelderner Häftlings ist in diesem Jahr bereits der zehnte in einer NRW-Haftanstalt. Nach Ministeriumsangaben gibt es aber keine besondere Häufung. Aktuell verbüßen im Bundesland insgesamt 16431 Menschen eine Haftstrafe.