Veröffentlicht inRegion

G8: Theater müssen immer mehr für ihr Kulturgut werben

G8: Theater müssen immer mehr für ihr Kulturgut werben

picture-117534233_0.jpg
Foto: Lars Heidrich
Mit Waffeln oder einem Lebkuchenhaus werben Theater an Rhein und Ruhr in Schulen für ihre Aufführungen. Doch gerade an Gymnasien fehlt die Zeit dafür.

An Rhein und Ruhr. 

Na, ob das die Theaterpädagoginnen Silvia Behnke und Maren Gambusch so richtig klug inszeniert haben? Rechts von der Tür in den Innenhof haben sie den Tisch mit den Broschüren aufgebaut, links von der Tür stehen sie, hinter zwei Waffeleisen und umgeben vom verführerischen Duft frischer Waffeln samt Puderzucker. Die Lehrer der Gesamtschule Kaiserplatz in Krefeld jedenfalls folgen der Devise „Immer der Nase nach“. Ergebnis: Am Ende der Pause ist der Teig alle, aber von den Broschüren sind noch einige da.

Dennoch sind die beiden Pädagoginnen des Theaters Krefeld-Mönchengladbach überzeugt, dass ihre Minitournee mit dem Waffeleisen durch die Schulen rings um die beiden Städte Erfolg hat. „Die Lehrer interessieren sich sehr für unsere Angebote. Und wir schaffen es auf diesem Wege auch, jüngeres Publikum für unsere Häuser zu interessieren“, sagt Maren Gambusch.

„Kulturelle Bildung ist ein Menschenrecht“

Der vor 30 Jahren gegründeten Gesamtschule mitten in Krefeld Appetit auf Kultur zu machen, ist vergleichsweise einfach. „Kulturelle Bildung ist ein Menschenrecht“, sagt Verona Steinhoff. Seit 28 Jahren ist sie an der Schule, gerade ist ein Steuerkreis gegründet worden. Kulturelle Bildung soll an dieser Schule nicht mehr länger von Einzelpersonen abhängen, sondern institutionalisiert werden.

„In jedem Schuljahr soll es für alle Schüler zumindest eine kulturelle Veranstaltung geben“, so Verona Steinhoff. Museum, Konzert, Ausstellung, Theater – jungen Menschen die Schwellenangst vor den Musentempeln zu nehmen gehört mit zum Programm.

„Kennen Sie schon unser Schulabo?“ fragt Maren Gambusch. Verona Steinhoff schüttelt den Kopf. Sie erklärt: „Sie sagen, welche Stücke Sie besuchen wollen, wir reservieren Ihnen die Karten, drei Wochen vorher fragen wir die genaue Besucherzahl ab. Schüler, Eltern, Lehrer können das gemeinsam nutzen.“ Die Lehrerin nickt: „Das passt gut, weil ja die drei Gruppen auch im Steuerkreis kulturelle Bildung sitzen.“ Ihr Kollege, der pädagogische Leiter der Schule, betont, dass das Geld immer eine große Rolle spielt: Viele Förderprogramme des Landes seien ausgelaufen.“

Kulturpaten gibt es mal an Theatern, mal an Schulen

Dennoch ist Martin Siebold vom Grillotheater in Essen zuversichtlich, was die Zukunft des Theaters angeht. „Viele Theaterkritiker haben ein falsches Bild vom Alter unseres Publikums, weil sie ja meist zur Premiere kommen. Unser Publikum ist zum Glück breit gefächert.“ Zudem sind am Sprechtheater wie auch am Opernhaus und der Philharmonie insgesamt vier Pädagogen zuständig, das kulturelle Angebot dem jungen Publikum nahe zu bringen. Vorbereitende Workshops, Probenbesuche, Gespräche mit Schauspielern, Musikern, Tänzern – alles das gehört mit zu dem Paket, das die Theaterpädagogen an den Spielstätten anbieten.

Während in Krefeld Mitglieder des Ensembles zum Kulturpaten für eine Schulklasse werden, von ihrer Arbeit erzählen und ins Haus einladen, ist es in Essen umgekehrt: Schulklassen können die Patenschaft für ein Stück übernehmen, hautnah den Entstehungsprozess begleiten, sogar eigene Inszenierungsvarianten ausprobieren.

Doch die Essener merken auch: Vor allem an Gymnasien tun sich Lehrer immer schwerer, den Theaterbesuch samt Vor- und Nachbereitung ins engere G8-Unterrichtskorsett einzubinden.

„Es wird schwieriger, Schulklassen in die Aufführung zu bekommen“

Eine Erfahrung, die auch Anja Scherer von der Burghofbühne in Dinslaken gemacht hat. Das Landestheater Burghofbühne hat noch eine zusätzliche Schwierigkeit, es hat keine eigene Spielstätte, ist mit seinen Stücken immer auf Tournee. „Und von den Kulturbüros der Städte, die uns buchen, hören wir schon öfter, dass es schwieriger ist, die Schulklassen in die Aufführungen zu bekommen.“
In vielen Fällen habe die Unterrichtsverdichtung an den Gymnasien durch die Verkürzung der Schulzeit auf acht Jahre dazu geführt, dass die Lehrer kaum noch Zeit finden, Theaterbesuche vor- und nachzubereiten. Viele Häuser bieten daher fertige Unterrichtskonzepte an, kommen auch zum Vorspielen einzelner Szenen in die Schulen.

Auch das Theater Mülheim versucht, mit süßen Verlockungen schon junge Besucher ins Haus zu holen. Schauspielerin Maria Heumann wirbt auf ihre Weise für die dortige Premiere von „Hänsel und Gretel“: Sie zieht mit einem Lebkuchenhaus durch die Schulklassen. Ganz so, als sei Zuschauerbindung doch Hexenwerk…

>> THEATER: NICHT TEURER ALS KINO, DAFÜR ABER OHNE POPCORN

Fast alle Theater haben spezielle Schul-Abos und reduzierte Karten im Klassensatz, so dass der Theaterbesuch preislich in aller Regel in der gleichen Liga spielen wie die Tickets fürs Kino. Nur auf Cola, Nachos und Popcorn muss man verzichten…

Auch das erläutern Theaterpädagogen gern vorab – weil es bei vielen Schülern Hemmschwellen und Ängste senkt, wenn sie einen kleinen Theaterknigge an die Hand bekommen.