Rüdiger Frohn, der bärenstarke Helfer der Mercator-Stiftung
Rüdiger Frohn brachte es aus kleinen Verhältnissen zu hohen Ämtern, was er staatlicher Bildung und Johannes Rau verdankte. Er wurde Staatssekretär, später Leiter der Staatskanzlei und von 1999 bis 2004 Chef des Bundespräsidialamtes in Berlin. Heute hilft er anderen mit der Stiftung Mercator. Eine Begegnung.
Essen.
„Glück auf“, ruft Rüdiger Frohn und breitet seine Arme aus, als wollte er drei Leute zugleich begrüßen. Was sollte er sonst rufen, etwa „Hallo“ oder „Guten Tag“? Durch und durch ein Mann des Reviers. Wo er auftritt, füllt der 1,90-Meter-Mann den Raum. Voluminös ist seine Statur, seine Stimme, raumfüllend sein Lachen. Seine Redegewandtheit ist ebenso entwaffnend wie seine gute Laune und die Sympathie, das Interesse, das er jedem zeigt, der ihm er begegnet. In Polo-Shirt und heller Jeans empfängt er jovial seinen Besuch, kein Mann, der Schlips und Bügelfalte braucht, um präsent zu sein.
Rüdiger Frohn, ehemaliger Staatssekretär unter Ministerpräsident Johannes Rau, später Leiter der Staatskanzlei und von 1999 bis 2004 Chef des Bundespräsidialamtes in Berlin, ebenfalls unter Rau. Seit 2005 ist der heute 62-Jährige Vorsitzender des Beirates der Stiftung Mercator in Essen. Er berät die Stiftung dabei, wie sie ihr Geld – 2011 waren es 60 Millionen Euro – für Wissenschaft, Bildung und Kultur einsetzen kann. 2011 erhielt er in dieser Eigenschaft die Auszeichnung „Bürger des Ruhrgebiets“ – eine Ehre, die er mit Revier-Typen wie Tana Schanzara und Rudi Assauer teilt – und mit Johannes Rau.
Er spinnt Fäden in Kuratorien, Stiftungen, Beiräten, Freundeskreisen
Wer Frohn als Menschenfischer bezeichnen will, meint dies als Kompliment. Er ist ein Mann, der Menschen zusammenbringt, ein umtriebiger Netzwerker, der in zahlreichen Kuratorien, Gremien, Stiftungen, Beiräten und Freundeskreisen Fäden spinnt – etwa für die Theodor-Fliedner-Stiftung in Mülheim, die sich um alte Menschen kümmert, oder für die Evangelische Stiftung Volmarstein in Wetter, die sich Behinderten widmet.
In Gevelsberg kam er 1950 zur Welt. Als Nachkomme von Arbeitsmigranten, wie er sagt. „Nicht aus der Türkei, sondern aus Hessen-Waldeck. Die Familie wanderte zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Ruhrgebiet ein.“ In der Rückschau auf dieses Leben erklärt sich womöglich sein Engagement für die Menschen im Ruhrgebiet. „Was mich als Junge prägte, war der Blick nach Osten zur Hasper Hütte. Wenn der Himmel rot und schwarz wurde, dann war Stahlabstich.“ Allgegenwärtig war der Lärm der Gesenkschmieden in der Stadt.
Ein Studium in Bochum, der Mutter zuliebe
In einfachen Verhältnisse wurde er groß, der Vater war Schreiner, „meine ältere Schwester musste nach der Mittleren Reife die Schule verlassen, weil er nicht für zwei Kinder Schulgeld bezahlen konnte“, erzählt Frohn. Er konnte das Abitur machen und später Jura studieren. Nicht in Heidelberg oder Berlin, sondern an der noch jungen Ruhr-Uni Bochum – möglichst nah am Heimatort, der Mutter zuliebe, die herzkrank war. Heute sagt er: „Eine Bildungschance zu haben und zu wissen, dass es für Kinder, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, keinesfalls selbstverständlich ist, war eine prägende Erfahrung für mich.“
Dies ist der emotionale Humus, auf dem die lebenslange Verbindung zum Ruhrgebiet wuchs. „Mein Engagement für die Region ist der Versuch, dafür dankbar zu sein“, sagt er. Und deshalb sei es ihm wichtig, für diejenigen etwas zu tun, „die auch heute noch eher zu den Bildungsverlieren gehören.“ Mit diesem Antrieb ist er in der Stiftung Mercator, die Kinder und Schüler fördert, am richtigen Ort. Begeistern kann sich Frohn zum Beispiel für die integrative Matthias-Claudius-Gesamtschule in Bochum, wo 1000 Schüler gemeinsam lernen. Und wo in einem Dorf, den Claudius-Höfen, Junge und Alte, Behinderte und Nicht-Behinderte zusammen leben.
Wo bleibt der Stolz auf das Geleistete?
Das Revier ist ihm Liebe und Sorge zugleich. „Der Umbau von der Montanindustrie zur wissensbasierten Gesellschaft ist nur an wenigen Orten der Welt so gut gelungen wie hier.“ Was fehle, sei der Stolz auf das Geleistete und der Sinn der Städte für Zusammenarbeit. „Dem Ruhrgebiet fällt es leicht, gemeinsam zu klagen und bei Land und Bund um Hilfe zu rufen. Doch die Lieferadresse für diese Hilfe soll dann nur das eigene Rathaus sein.“
Und die Zukunft? Weniger Menschen werden hier wohnen, es wird ökologischer, grüner, multikultureller und bunter werden, glaubt er. Dass in Bochum und Dortmund nicht mehr Industriebetriebe die größten Arbeitgeber sind, sondern die Hochschulen, „darüber erschrecken viele Menschen noch, anstatt sich zu freuen“. Das Ruhrgebiet, da ist er sicher, wird Industrieland bleiben, „aber wir werden mehr Grips pro Tonne einsetzen müssen“. Und wieder erinnert er an Johannes Rau. „Er sagte oft: Wir wissen doch, die Welt liegt im Argen. Aber da wollen wir sie doch nicht liegen lassen.“