Im Lehrplan der Schulen sollen Alltagskompetenzen künftig mehr Platz haben. Das Fach Hauswirtschaft soll dabei zu einem „Ankerfach“ werden.
Düsseldorf.
Es war nur ein flüchtiger Eintrag bei Twitter zu Jahresbeginn, doch er machte die Kölner Gymnasiastin Naina kurzzeitig bundesweit bekannt und belebte über Nacht die Bildungsdebatte. „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen“, hatte die Schülerin des Ursulinen-Gymnasiums geschrieben.
Daraufhin hinterfragten viele Bildungspolitiker, welchen Lebensbezug die Lerninhalte überhaupt noch haben. Auch die NRW-Grünen von Schulministerin Sylvia Löhrmann gingen in sich. „Naina spricht ein wichtiges Thema an, nämlich die Frage, was Kinder und Jugendliche in der Schule lernen müssen. Das verdient Respekt und eine sachliche Diskussion“, lobte Löhrmann damals. Zugleich warnte sie vor eine Debatte nach dem Motto: „Hauptsache, es gibt ein neues Fach.“
Hauswirtschaft als „Ankerfach“ für moderne Verbraucherbildung
Erstes Ergebnis der grünen Selbstvergewisserung: Alltagskompetenzen sollen künftig mehr Platz haben in den NRW-Stundenplänen. „Es geht nicht um das Ausspielen der verschiedenen Fächer: Eine Wohnung mieten und Gedichte interpretieren zu können, das geht zusammen“, erklärte Grünen-Schulexpertin Sigrid Beer am Mittwoch in Düsseldorf. Als „Ankerfach“ für moderne Verbraucher- und Ernährungsbildung soll bis 2017 das Fach Hauswirtschaft generalüberholt werden.
Es steht an Gesamt- Sekundar- und Hauptschulen auf dem Stundenplan und soll auch an Realschulen und Gymnasien künftig häufiger als Wahlpflichtfach angeboten werden. Im vergangenen Schuljahr wurde an 317 von 563 Realschulen in NRW Hauswirtschaft unterrichtet. Von den 625 Gymnasien griffen jedoch nur 54 den Themenbereich mit dem Fach Ernährungslehre auf.
„Das Fach Hauswirtschaft ist das Gefäß, in das neue Inhalte kommen“, erklärte Beer. Zwar gehe es in den Unterrichtsstunden auch heute schon nicht mehr um Puddingkochen und Häkeln, doch müssten Bausteine wie nachhaltiger Konsum, Verbraucherrecht und Medienbildung stärker berücksichtigt werden. Bis 2017 soll auch ein neuer Name für das Fach gefunden sein.
Urheberrechtsfragen, Geldumgang, Vertragsverständnis als Unterrichtsstoff
Laut Beer muss die Verbraucherbildung nicht zwingend mit einem eigenen Fach in die Schulen getragen werden. Inhalte aus den Bereichen Konsum, Ernährung oder Gesundheit ließen sich auch noch besser mit dem vorhandenen Stundenplan verzahnen. Urheberrechtsfragen im Musikunterricht, Geldumgang in Mathematik oder Vertragsverständnis in Deutsch – das Spektrum soll so möglichst verbreitert werden.
Der NRW-Landtag in Düsseldorf hat eine Reform der Lehrpläne und Unterrichtsinhalte in naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern bereits beschlossen. Große Hoffnung bei der Suche nach mehr Lebensweltbezug im Unterricht setzt das Land in die Universität Paderborn. Dort wird die Lehrerfortbildung im Bereich Konsum, Ernährung und Gesundheit mit zusätzlichem Personal und besserer Laborausstattung gefördert.