Neue Zerreißprobe für die Piratenpartei: Drei der sieben Mitglieder des Bundesvorstands sind zurückgetreten. Stephanie Schmiedke, Stefan Bartels und Björn Semrau schrieben in einer Online-Erklärung, sie wollten der Partei Gelegenheit geben, „sich von ihrem politischen Schlingerkurs zu befreien“.
Berlin.
Der Vorstand der Piraten ist zerbrochen, drei von sieben Mitgliedern traten am Sonntag zurück. So geht es seit Monaten zu in der Partei. Ob im Bund oder in Landesverbänden – überall ziehen sich Politiker zurück oder verlassen gar die Partei. Namen wie Marina Weisband, Klaus Peukert, Sebastian Nerz oder Bernd Schlömer sind nur ein fernes Echo aus der Zeit, als die Partei aufhorchen ließ, in vier Landtage einzog. Wer hat noch Angst vor den Piraten?
CDU-Generalsekretär Peter Tauber winkt ab. Er kümmere sich um andere Themen als um eine Partei, die „gerade auseinanderfällt“. Ein Faktor bleiben für ihn die 29.000 Mitglieder der Piraten, die vielleicht eine neue politische Heimat suchen.
Etablierte Parteien griffen Themen der Piraten auf
An Tauber und der Union lässt sich aufzeigen, was die Piraten mit den etablierten Parteien gemacht haben. Noch vor einem halben Jahr war der Blogger und CDU-Netzpolitiker Tauber kaum bekannt. Parteichefin Angela Merkel setzte ihn als Generalsekretär ein, um ihre Partei für die „Generation Internet“ zu öffnen. In Merkels Kabinett sitzt mit Alexander Dobrindt ein Minister mit dem Auftrag, die digitale Infrastruktur auszubauen. Und die bayrische CSU hat mit „Bayern 3.0“ beschlossen, das Netz im Freistaat zu modernisieren.
Jede Partei hat Internet und soziale Netzwerke für sich entdeckt. Es war mal ein Alleinstellungsmerkmal der Piraten. Die Newcomer wurden als Konkurrenten ernst genommen. Ihr Untergang ist allerdings weniger der Konkurrenz geschuldet als hausgemacht.
Die Piraten sind anfällig für radikale Gruppen, nicht zuletzt in Stilfragen. Vor allem in Berlin wusste sich die Partei nicht der linken Gruppen aus der „Antifa“-Bewegung zu erwehren. Auf dem letzten Parteitag in Bochum wehten die Fahnen der „Antifa“ wie auch der Anarchisten. Und wer Kritik daran übte, wurde schnell per „Shitstorm“ als Nazi diffamiert.
Piratin Anne Helm posierte halbnackt vor Semperoper
Als die drei Vorstandsmitglieder Stephanie Schmiedke, Stefan Bartels und Björn Semrau jetzt zurücktraten, riefen sie in Erinnerung, wofür die Piraten einst konzipiert wurden – als Partei, „die für freie Netze und Netzpolitik im weitesten Sinne, für Bürger-, Menschen- und Grundrechte und gegen strikte Überwachung steht“. Mit der Zeit wurden sie stattdessen zur Plattform für radikale Anliegen.
Es gibt viele Beispiele dafür, zuletzt eine Aktion Mitte Februar in Dresden: Zwei Frauen posierten mit nacktem Oberkörper vor der Semperoper. Auf Bauch und Brüste schrieben sie „Thanks Bomber Harris“. So hieß der Kommandeur, der im Zweiten Weltkrieg das Flächenbombardement Dresdens angeordnet hat.
Eine der Frauen war die Berlinerin Anne Helm, Kandidatin der Piraten für die Europawahl. Seither bekommt sie den Hass der Neonazis zu spüren und wird auch von Parteifreunden angefeindet. Die Seite „Stadtverbot für Anne Helm“ hat schon Tausende Anhänger.
Liberale Politiker verlassen Piratenpartei
Die Aktion bestärkte alle, die seit Langem das Gefühl beschlich, dass ihre Partei von radikalen Linken gekapert wurde. Es sind gerade liberale Politiker, die derzeit die Partei verlassen. Die Aktion ist auch ein Beispiel für die „Demokratie der Lautstärke“, die von den drei Ex-Vorständlern beklagt wird. Viele ertragen einfach nicht mehr die gnadenlosen, gehässigen und schnell ins Persönliche gehenden Auseinandersetzungen.
Strukturell kommt hinzu, dass jeder „Pirat“ auf einem Parteitag ein Stimmrecht hat. Was als Basisdemokratie gedacht war, erwies sich bald als Einfalltor für Seilschaften und Interessengruppen. Das Schiff hat Schlagseite – nach links.