Zwei ehemalige Projektleiter des Kongresszentrums WCCB stehen in Bonn vor Gericht. Der Skandalbau kommt die Stadt Bonn teuer zu stehen.
Bonn.
Sandbraun ragen 17 unfertige Etagen in den Himmel. Ihre Bonner Adresse am „Platz der Vereinten Nationen“ ist nobel, der Baugrund historisch. Links liegt das alte Kanzleramt, wo Schmidt und Kohl regierten, geradeaus der alte Bundestag. Rhein und Siebengebirge bilden die Kulisse. Kann eine Immobilie besser platziert werden?
Die Bonner sind da sehr gespaltener Meinung. Viele wollen „nichts mehr davon hören“, sagt der Ratsvertreter Johannes Schott vom Bürgerbund. Denn das Projekt WCCB, vor zehn Jahren als großes internationales Kongresszentrum gestartet, ist ein Bau-Desaster, das die klamme Stadtkasse am Ende bis zu 200 Millionen Euro kosten könnte. Es ist auch ein Kriminalfall, der von der Schadenshöhe her und bei nicht weniger als 50 Korruptions-Indizien mit anderen Skandalbauten wie dem Berliner Flughafen und Hamburgs Elbphilharmonie gut konkurriert. Es gibt Bürger in der Stadt, die halten den Hauptverantwortlichen für nicht überführt.
Manager des Pleitebaus auf der Anklagebank
Heute, im Frühjahr 2015, haben zwar wichtige Mitspieler dieser Affäre ihre Strafe abgesessen: Man Ki Kim, der vermeintliche Investor und echte Hochstapler aus Korea, den Staatsanwalt Ulrich Stein 2010 in seiner Villa in USA festgenommen hat. Auch Michael Thielbeer hat gebüßt, der Berater und „Investorbeschaffer“ der Stadt Bonn. Er hatte für zwei Seiten gearbeitet. Auch für den Investor.
Die Manager des Pleitebaus auf städtischer Seite aber, die früheren Spitzenbeamten Arno Hübner und Eva Maria Zwiebler, sitzen erst in diesen Tagen auf der Anklagebank. Ihr Prozess im Saal 0.11 des Landgerichts wird der spannendere Teil der Aufarbeitung: Packen sie aus, wie alles lief?
Der Vorwurf: Untreue, Betrug, Bestechlichkeit
Beobachter sagen, beide wirkten wie psychische Wracks. Ihnen droht der Verlust der Pension. Die Ankläger werfen ihnen Untreue, Betrug, Bestechlichkeit vor, wenn auch keine zur eigenen Bereicherung. Die Straftaten gehen zu Lasten der Steuerzahler.
Denn es war ein Millionenrausch, dem die Mitarbeiter der Stadtverwaltung verfallen waren. Rechnungen der Firma von Man Ki Kim und ihrer 250 Subunternehmen sind vom Rathaus ohne Prüfung beglichen worden. Der gleich doppelt abgerechnete Bauzaun? Abgenickt. Das Tetris-Gewinnspiel für 892,50 Euro: Als „sachlich und rechnerisch richtig“ erstattet. Die Mehrwertsteuer für Unterauftragnehmer, die gar nicht mehrwertsteuerpflichtig waren: bezahlt – wie auch das Geld für einen Berater, der nicht in Bonn, dafür auf einer Sahara-Baustelle des Koreaners werkelte.
Sind Hübner und Zwiebler verantwortlich?
Doch wie weit Hübner und Zwiebler die einzigen Schuldigen auf der Seite der Stadt sind, muss das Gericht noch klären: Waren sie verantwortlich – oder nur Befehlsempfänger und damit die Bauernopfer? Aus welchen Motiven haben sie dem Betrüger aus Korea so leichtfertig zugearbeitet? Informierten sie Ihre Chefin über ihre frühzeitigen Zweifel an dem Millionenspiel? Überhaupt: Welche Rolle spielte Bärbel Dieckmann, damals Oberbürgermeisterin, die heute der Welthungerhilfe vorsteht?
Der Bonner „General-Anzeiger“, der es sich zurechnen darf, den Sumpf fast im Alleingang aufgedeckt zu haben, weiß: Korruptionsexperten halten die Gleichung vom Betrüger Kim und der betrogenen Stadt für zu simpel. Aber auch ihnen fehlt das mögliche Verbindungsstück im Puzzle, der Nachweis, dass Schmiergeld von der einen zur anderen Seite floss.
Richter Jens Rausch wird es nicht leicht haben. Dieckmann, die das WCCB als „Herzensangelegenheit“ betrieben habe (Ratsmitglied Schott), können die Ermittler keine Straftat beweisen. „Keine Dokumente. Keine Zeugenaussagen. Nichts“, wie Oberstaatsanwalt Fred Apostel die Einstellung eines Verfahrens gegen sie begründete.
Kim als „Glücksfall für die Stadt“
Rückblick: 2004, die Stadt will nach dem Regierungs-Wegzug mit einem investorfinanzierten Projekt eine neue Zukunftsbasis legen. Den alten Plenarsaal des Bundestages möchte sie baulich mit einer spektakulären Kongresshalle für 3000 Gäste und einem 4-Sterne-Hotel verbinden und so Veranstaltungen von Weltruf locken. Doch schon die erste Suche nach einem potenten Geldgeber endet im Debakel. Der Auserwählte ist mehrfach vorbestraft und scheidet aus. Für OB Dieckmann drängt die Zeit. Ein seriöser niederländischer Anbieter bleibt außen vor. Dafür feiern sie am Rhein, nach der Empfehlung des Beraters Thielbeer für „eine der renommiertesten Baufirmen der Welt“, Kim und seine SMI Hyundai Corporation aus Korea als Retter.
Einen „Glücksfall für die Stadt“ nennt die OB diesen Kim. Ist seine Firma nicht Ableger des großen asiatischen Autobauers, der gerade als Sponsor der Fußball-WM in Deutschland auftritt? Die Ratsvertreter nehmen das mal an, ohne die Namensgleichheit zu hinterfragen. Die Stadtverwaltung lässt sie gerne in dem Glauben, wie Gerichtsakten und der Bericht der Rechnungsprüfer später zeigen. Einer von vielen fatalen Irrtümern der Affäre.
Stadt ignoriert ungeprüft eine Mahnung
Die Stadt ignoriert ungeprüft eine Mahnung der Sparkasse Köln/Bonn, die dem Koreaner, der 40 Millionen Eigenkapital mitbringen soll, alle Kreditwürdigkeit abspricht. Doch schon während die Baugrube ausgehoben wird, bestätigt sich dieser Verdacht. Kim muss betteln gehen, damit die Bagger baggern können. Obwohl das nie vom Rat abgesegnet war, überreden Oberbürgermeisterin, Hübner und Zwiebler die kommunale Bank in einer Krisensitzung zum Darlehen an Kim. Die Stadt geht eine Bürgschaft ein, die bald über 100 Millionen Euro reicht. Offiziell als „Nebenabrede“ eingestuft, erfährt der Rat nichts davon.
2009 meldet Kims Firma Insolvenz an. Der Baustopp folgt. 2012 übernimmt die Stadt die tote Baustelle und vergibt das Hotel abgetrennt davon. Inzwischen hat sie mit 70 Millionen Euro aus der Steuerkasse die Ruine weiterbauen müssen. Verliert das Rathaus den laufenden Schadensersatzprozess mit der Sparkasse über die Bürgschaft, werden weitere 86 Millionen fällig sein.