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Massaker in Pakistan – Taliban töten über 120 Schulkinder

Massaker in Pakistan – Taliban töten über 120 Schulkinder

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PAKISTAN-UNREST-NORTHWEST-SCHOOL Foto: dpa
Es ist einer der blutigsten Terroranschläge in Pakistan seit Jahren: Talibankämpfer haben eine Schule gestürmt und mehr als 120 Kinder und Jugendliche ermordet.

Islamabad. 

In den Klassenräumen der Army Publik School in Pakistans Grenzstadt Peshawar hockten Hunderte von Kindern in ihren grün-weißen Uniformen über Examensarbeiten. Die Gebäude liegen in dem als relativ sicher geltenden Viertel, wo viele Armeeangehörige wohnen. Uniformen gehören in der Gegend zum Alltag und so dachte sich niemand etwas dabei, als die Männer in schwarzen Uniformen der Grenzeinheiten durch einen Hintereingang die Schule betraten. Doch dann zückten sie ihre Waffen, schossen um sich, nahmen einige Kinder von ihnen als Geiseln. „Sie sagten uns: Betet!“ erzählte der elfjährige Ali, der als einziger einer Gruppe von zehn Jungen überlebte, „dann schossen sie.“

Zu dem Massaker bekannte sich die pakistanische Extremistengruppe „Therik-e-Taliban Pakistan“ (TTP). „Wir haben unseren sechs Kämpfern Anweisung gegeben, kleine Kinder zu verschonen“, rechtfertigte ihr Sprecher Muhammad Khorasan die Aktion, „aber wir wollen, dass die Militärs unseren Schmerz fühlen.“ Der Mann behauptete, der Anschlag stelle den Anfang einer neuen, brutalen Offensive dar: „Wir werden so lange jede Institution angreifen, die mit den Streitkräften verbunden ist, bis die Armee ihre Operationen gegen uns einstellt und aufhört, unsere Gefangenen zu ermorden.“

Hospitälern gingen die Blutkonserven aus

Kaum eine Woche, nachdem Malala Yousufzai in Oslo den Friedensnobelpreis für ihren Kampf für das Recht auf Erziehung in Pakistan erhielt, schlugen die Talibanmilizen wieder einmal dort zu, wo sie am wenigsten Gegenwehr zu befürchten haben. Malala überlebte ein Attentat der Milizen in ihrem Schulbus trotz eines Kopfschusses. Viele der Kinder in der Armeeschule hatten nicht so viel Glück, sie starben oder wurden schwer verletzt in Kliniken gebracht. Den Hospitälern gingen bald die Blutkonserven aus.

Pakistans Streitkräfte benötigten Stunden, um die Angreifer auszuschalten. Nachdem die Taliban mordend durch die Schule gezogen waren, verschanzten sie sich in dem Gebäude des Schulleiters. Soldaten, die auf den Dächern der Schule Stellung bezogen, deckten den letzten Zufluchtsort mit einem Kugelhagel ein. Aber die Angreifer wehrten sich stundenlang.

Vor wenigen Monaten startete das Militär eine Offensive gegen Taliban

Es ist lange her, seit Pakistans Generäle zum letzten Mal so brutal vom Terror getroffen wurden. Erst vor einigen Monaten starteten Pakistans Streitkräfte erstmals nach Jahren des Zögerns eine Offensive gegen die Extremisten in Nord-Waziristan an der Grenze zu Afghanistan. Dort gaben sich während der vergangenen Jahre Mitglieder von Al Kaida, Kämpfer der usbekischen Gruppe „Islamischer Dschihad“ und auch selbst erkannte „Gotteskrieger“ aus Deutschland ein Stelldichein mit afghanischen Taliban und ihren pakistanischen Gefährten von der TTP.

Bis auf einige versprengte Überbleibsel von Al Kaida sind die meisten Ausländer gemeinsam mit knapp 2000 Taliban längst Richtung Irak und Syrien aufgebrochen, um sich dort dem „Islamischen Staat“ (IS) anzuschließen. Die zurückgebliebenen Kämpfer von der TTP müssen gegenwärtig feststellen, dass ihr einst für sicher gehaltener Rückzugsort für sie zum Grab werden könnte.

„Zeichen der Verzweiflung“

„Pakistans Militärs haben gelernt. Sie bombardieren die Verstecke jetzt so lange, bis die Gegner weich sind und schicken dann Bodentruppen“, sagt ein Experte. Es ist ein schmutziger, gnadenloser Krieg. Gefangene Soldaten werden von der TTP geköpft. In der Umgebung von Peshawar wiederum werden seit Wochen misshandelte Leichen von Talibankämpfern gefunden. Menschenrechtler gehen davon aus, dass sie Opfer „außergerichtlicher Justiz“ wurden.

„Der Angriff ist ein Zeichen der Verzweiflung der Taliban“, erklärte Premierminister Nawaz Sharif gestern. Kamal Siddiqi, Chefredakteur der englischsprachigen Tageszeitung „Express Tribune“ in Karachi, zeigt sich nicht ganz so zuversichtlich: „Sie sind unter Druck, das stimmt. Aber dann schlagen sie immer in den Städten zu. Solange, bis der Druck so groß wird, dass die Leute ein Ende der Operationen gegen die Extremisten verlangen.“

Terror gegen Kinder – Angriffe von Islamisten auf Schulen 

Islamistische Terroristen haben bereits mehrfach Schulen angegriffen:

  • 11. Dezember 2014: Während einer Theateraufführung in einer Schule in der afghanischen Hauptstadt Kabul sprengt sich ein jugendlicher Selbstmordattentäter in die Luft. Unter den Opfern ist ein getöteter Entwicklungshelfer aus Deutschland.
  • 10. November 2014: Ein Anschlag auf eine Schule im nordnigerianischen Potiskum reißt mindestens 47 Menschen in den Tod. Das Attentat trägt die Handschrift der Gruppe Boko Haram, die immer wieder Schulen angreift. Der Name bedeutet übersetzt etwa „westliche Erziehung ist Sünde“. Im April 2014 entführten Boko-Haram-Terroristen im Ort Chibok rund 230 Schülerinnen. Von den meisten fehlt bis heute jede Spur.
  • 6. März 2008: Ein als orthodoxer Jude verkleideter Palästinenser dringt in eine jüdische Religionsschule in Jerusalem ein und schießt um sich. Die radikalislamische Hamas bekennt sich zu dem Anschlag mit insgesamt neun Toten.
  • 1. September 2004: Schwer bewaffnete Terroristen nehmen in der Schule von Beslan im russischen Nordkaukasus über 1100 Geiseln. (dpa)