Spektakulärer Führungswechsel beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe: SPD-Mann Matthias Löb löst Wolfgang Kirsch (CDU) ab. Eine Ampelkoalition bereitet dem bisherigen LWL-Kämmerer den Weg. Die Union schimpft über die „Operation Abendsonne“.
Münster.
Matthias Löb (SPD) wird neuer Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Der Kämmerer des Kommunalverbandes setzte sich am Donnerstag in einer Kampfabstimmung gegen den bisherigen Amtsinhaber Wolfgang Kirsch durch.
Der nächste Chef des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ist ein perfekter Gegenentwurf zum Amtsinhaber. Matthias Löb ist erst 49 und damit 14 Jahre jünger als Wolfgang Kirsch. Ein Generationswechsel steht also an. Und Löb hat ein SPD-Parteibuch. In einer Kampfabstimmung setzte sich der bisherige LWL-Kämmerer gestern gegen den CDU-Mann Kirsch durch. Nach der üblichen politischen Farbenlehre wäre eine solche Abwahl kaum möglich. Aber im „Westfalen-Parlament“ des LWL läuft es seit Jahren nicht so, wie es andernorts üblich ist. Hier gibt eine „Ampel“ aus SPD, Grünen und FDP/Freie Wähler die Richtung vor. Die CDU ist zwar stärkste Fraktion, aber das reicht eben nicht gegen diese „große“ Koalition.
Vor dem „Sturz“ des seit acht Jahren amtierenden Kirsch kamen aus der Landeshauptstadt Düsseldorf bissige Kommentare. Denn das LWL-Parlament wird schon bald, nach der Kommunalwahl im Mai, neu zusammengesetzt werden. So kurz vor einer Wahl mit alten Mehrheiten noch einen neuen Chef zu installieren – das klingt nach Schurkenstück. Zumindest in den Ohren von CDU-Generalsekretär Bodo Löttgen. „Das ist Politik nach Gutsherrenart“, wetterte Löttgen. Und sprach von einer „Operation Abendsonne“.
Lög genießt Respekt in allen Fraktionen
Alles halb so wild, kontern die Ampel-Koalitionäre. „Es ist absolut üblich, dass der LWL-Direktor vor einer Kommunalwahl und vor dem Ende einer Amtszeit gewählt wird“, sagte Stephen Paul (FDP) dieser Zeitung. „Bei Kirsch war das 2006 genauso.“ Kirschs Amtszeit endet am 30. Juni. Aus Altersgründen wäre er ohnehin kein Kandidat für acht Jahre gewesen. Am 18. Februar 2015 wird er 65.
Matthias Löb, ein Jurist aus Senden (Kreis Coesfeld), kennt den Landschaftsverband in- und auswendig. Zuletzt war er dort Kämmerer. Respekt genießt der im niedersächsischen Soltau geborene Löb übrigens in allen Fraktionen.
Der LWL-Direktor bekommt eine Besoldung nach „B 8“. Im Jahr 2012 waren das monatlich rund 8900 Euro brutto plus „Weihnachtsgeld“ von 2700 Euro. Wolfgang Kirsch hatte darüber hinaus Nebeneinnahmen von 63 000 Euro. Den größten Teil führte er an den LWL ab, 6000 Euro davon behielt er.
Ein Riese mit Milliarden-Haushalt
Landschaftsverband Westfalen-Lippe – das ist ein sperriger Name. Und die Landschaftsversammlung, also das Parlament des LWL in Münster, steht selten im Rampenlicht. Dennoch: Der Chef dieses Verbandes ist alles andere als ein Frühstücksdirektor. Der LWL ist ein Riese. Mit 16 000 Mitarbeitern und einem Mega-Haushalt von 2,8 Milliarden Euro bewältigt er Aufgaben, die die Städte und Landkreise nicht bewältigen können. Er hilft Menschen aus der Alkohol- und Drogensucht, betreibt sechs forensische Kliniken für psychisch kranke Straftäter und Dutzende weitere Krankenhäuser, unterstützt Behinderte, macht Angebote zur Aus- und Weiterbildung und kümmert sich um Kultur. Zu den bekanntesten LWL-Museen gehören das Freilichtmuseum Hagen und Zeche Zollern in Dortmund. Auch die fünf neuen forensischen Kliniken in NRW sollen unter dem Dach der Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) geführt werden.
Für diese Dienste müssen die Städte und Kreise tief in ihre Kassen greifen. Allein die Stadt Bochum überweist im Jahr mehr als 80 Millionen Euro an den LWL.
Nicht jeder wird Löb um seinen Job beneiden
Nicht jeder wird Matthias Löb um seinen neuen Job beneiden, denn auf „seinen“ Landschaftsverband warten riesige Herausforderungen. Zwei davon erwähnte Löb gestern in seiner kurzen Dankesrede: das bessere Miteinander von Behinderten und Nicht-Behinderten (Inklusion) und die älter werdende Gesellschaft. Besonders für die Behindertenhilfe muss mehr Geld ausgegeben werden. „Die Zahl der Menschen, um die wir uns kümmern, nimmt jedes Jahr zu“, betonte Wolfgang Kirsch zuletzt immer öfter.
Mit Erleichterung haben die Landschaftsverbände und die Städte daher den Berliner Koalitionsvertrag gelesen. Der Bund will die Kommunen jährlich um fünf Milliarden Euro bei der Eingliederungshilfe für Behinderte entlasten. Das bedeutet allein für Westfalen-Lippe eine Entlastung von 500 Millionen Euro, so der LWL.