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Lehrer der Jemen-Opfer sprechen über ihre Trauer

Lehrer der Jemen-Opfer sprechen über ihre Trauer

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Foto: AP

Lemgo. Nach zwei Jahren des intensiven Studiums an der Bibelschule Brake wollten Rita S. (25) und Anita G. (24) den Ärmsten der Armen im Jemen helfen. Bestürzt reagieren ihre Lehrer auf die Nachricht ihres gewaltsamen Todes. „Sie haben ihr Leben hingegeben“, sagt Lehrer Klotz.

Volker Hillebrenner spricht noch im Präsens, wenn er von Anita und Rita spricht. So unfassbar scheint das Geschehen im Jemen, dass es in die Wirklichkeit der Bibelschule Brake in Lemgo noch nicht eingedrungen zu sein scheint. Freundlich wie alle hier, beantwortet Hillebrenner, der Assistent des Schulleiters, alle Fragen. „Ja, Anita und Rita sind zwei tolle Frauen, beherzt, humorvoll, aber auch nüchtern. Wir sind alle bestürzt!“.

Seit gestern wissen sie, die Schüler und Lehrer hier in der Bibelschule, dass wahr ist, was sie befürchtet haben. Rita S. (25) und Anita G. (24), die beiden Krankenschwestern, die in der Lemgoer Schule ihre Ausbildung machten, gehören nicht nur zu den im Jemen Entführten, sie sind tot.

Helfen bei den Ärmsten der Armen

Erst Ende Mai waren die beiden Freundinnen von hier aus zu ihrem Praktikum im Krankenhaus von Sadaa im Nordwesten des Jemen aufgebrochen. Helfen bei den Ärmsten der Armen, das hatten sie sich vorgenommen, das passte auch zu ihnen, erzählt Herr Klotz, ihr Lehrer, der die beiden im dritten Ausbildungsjahr unterrichtete. „Sehr, sehr liebe Leute“, sagt er dann, um die Situation mit beinahe biblischen Worten zu umschreiben: „Sie haben ihr Leben hingegeben…“

50 Jahre alt ist die Bibelschule, die sich als evangelisch und freikirchlich versteht. Fast ein wenig versteckt liegt sie im Lemgoer Stadtteil Brake hinter unscheinbaren, aber sehr grün gelegenen Einfamilienhäusern. Zwei Unterrichtsgebäude, das Internat, die Lehrerhäuser und eine Kapelle umringen einen kleinen Park mit Teich und Grillplatz. Dass christlich motivierte Menschen von hier ausströmen in alle Welt, um Missionsarbeit zu leisten, ist nicht ungewöhnlich.

Anita und Rita waren nicht davon abzuhalten

Was Anita G. und Rita S. sich jedoch vorgenommen hatten, galt auchin ihrer Schule nicht als alltäglich. Nach intensivstem Bibelstudium, nach zwei Jahren Altem und Neuen Testament, wollten sie ihr dreimonatiges Praktikum im Jemen absolvieren, in einer gerade in letzter Zeit nicht ungefährlichen Region. Gespräche, so erzählt Volker Hillebrenner, habe es darüber schon gegeben. Aber die Frauen hätten sich diese Arbeit selbst ausgesucht, man habe sie nicht davon abhalten wollen, es wohl auch nicht als so gefährlich eingeschätzt.

Herr Klotz, ihr Lehrer, weiß noch von einem Schüler zu berichten, der ebenfalls im letzten Jahr, vermittelt durch die kleineniederländische Hilfsorganisation Worldwide Services, in dem Krankhaus gearbeitet hatte: „Der war ziemlich begeistert. Ich glaube, er hat Anita und Rita davon überzeugt.“

Schicksal von deutscher Familie weiter unklar

Während sich also Schulleiter Matthias Rüther nachmittags mit einpaar Kollegen auf den Weg nach Wolfsburg, zu den Eltern der toten Schülerinnen macht – „Ich möchte ihnen sagen, dass ich mit ihnen leide. Es muss furchtbar für die Angehörigen sein“ – ist ein sechsköpfiges Spezialteam des Bundeskriminalamtes im Jemen eingetroffen, um die Toten zu obduzieren und identifizieren. Was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit öffentlich gemacht wurde, der Tod der beiden Frauen, ist noch nicht endgültige Gewissheit.

Ebenso unklar ist zu diesem Zeitpunkt, was mit den anderen Entführten geschehen ist, dem deutschen Arzt Johannes H. (36), seiner Frau Sabine und den drei Kindern, von denen das jüngste, Simon, gerade elf Monate alt ist. Helikopter suchen gestern die schwer zugängliche Region ab. Wegen Simon, dem Baby, gilt die Suche als Wettlauf mit der Zeit.

Der Arzt Johannes H. war, so berichtet Spiegel online, erst vor wenigen Monaten von der Botschaft gewarnt worden, nach Sadaa zurückzukehren, weil sich dort jemenitisches Militär und Rebellen um den schiitischen Prediger al Huthi regelmäßig Kämpfe liefern.

Rita wollte Hebamme werden

Dieser Konflikt am anderen Ende der Welt hat nun auch das kleine Brake bei Lemgo erreicht, wo Anita und Rita noch vor wenigen Wochen in ihren Wohnheimzimmern über ihren Abschlussarbeiten saßen. Zwei von 150 Schülern, die sich hier auf eine Zukunft mit christlicher Mission vorbereiteten.

400 Euro bezahlten sie pro Monat für ihre Ausbildung. Geld, das sie vorher gespart hatten. Rita, so heißt es, wollte sich nach der Bibelschule noch als Hebamme ausbilden lassen. Anita, ihre Freundin, habe früher schon einmal in einem Kinderkrankenhaus in Afrika gearbeitet.

Sie, davon ist man an der Bibelschule in Brake überzeugt, wäre in dem 30 Betten kleinen Krankenhaus in Sadaa ganz sicher eine große Hilfe gewesen.