Kritik an Männer-Dominanz bei Thyssen-Krupp unter Cromme
Vorstände und Aufsichtsräte sind immer noch weitgehend fest in Männerhand. Expertinnen kritisieren Führungsstil der Konzernlenker und fordern mehr Frauen in Spitzenpositionen. Männliche Monokulturen seien schädlich für eine moderne Unternehmensführung: „Bei Krupp hat der weibliche Blick gefehlt.“
Berlin/Essen.
Etwa 300 Frauen sind im Saal. Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme ist der einzige Mann auf der Fest-Veranstaltung des Deutschen Juristinnenbundes.
Er beginnt seinen Vortrag vor dem rein weiblichen Publikum mit der Bemerkung, dass er sich zur Vorbereitung auf seine Rede tags zuvor mit Frau und Töchtern beraten habe. „Da verließen die ersten Frauen den Saal“, erinnert sich Monika Schulz-Strelow, Präsidentin der Initiative „Frauen in die Aufsichtsräte“ (Fidar). Cromme habe seine Ausführungen mit dem Hinweis an die Damen beendet, Aufsichtsratssitzungen seien keine Kaffeekränzchen.
Inbegriff des unantastbaren Managers
Zwar ist dies bereits fünf Jahre her, doch Schulz-Strelow scheint immer noch beeindruckt zu sein: „Das kam ganz authentisch rüber“, erinnert sie sich. Cromme war offenbar ganz mit sich im Reinen. Für sie ist das Verhalten des mächtigen Konzernlenkers symptomatisch. „Er ist der Inbegriff des patriarchalischen, machtbewussten, unantastbaren Managers.“
In diesem Habitus der Führungsspitze sieht Schulz-Strelow eine mögliche Ursache für Fehlentscheidungen: „Eine männliche Monokultur kann dazu beitragen“, sagt sie. „Thyssen-Krupp hat seine Unternehmenskultur nie geändert. Männer, die sich über eine lange Zeit kennen, verlieren den Grund, sich infrage zu stellen.“ Die Sicht von außen, die eingefahrene Entscheidungs- und Führungsmuster hinterfragen könnte, fehle. Die gepflegte und strenge Tradition des Hauses Krupp komme belastend hinzu. Die Beharrungskräfte sind größer als die Einsicht in den notwendigen Wandel.
Risikofreude kann Schaden anrichten
Ähnlich sieht es Elke Holst, Forschungsdirektorin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. „Männliche Monokulturen beziehen die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte nicht ein. Da kann man in Schwierigkeiten kommen.“ Zwar könne man nicht pauschal behaupten, dass Frauen die besseren Entscheidungen treffen würden oder weniger Fehler machten als Männer. Frauen werde jedoch zugeschrieben, dass sie weniger risikobereit sind und nicht so fixiert auf den reinen Konkurrenzkampf: er oder ich.
Holst: „Mit Risikofreude kann man vielleicht kurzfristig mehr Profit machen, doch zugleich kann man auch sehr großen Schaden anrichten.“ Die starren Hierarchien der Konzerne erinnerten sie zuweilen ans Militär. „Da wird ausgeführt, was von oben kommt, ohne es groß zu hinterfragen.“ Ein moderner Führungsstil aber setze auf flache Hierarchien und delegierte Verantwortung.
Der andere Blick fehlt
„Bei Krupp hat ganz klar der andere, der weibliche Blick gefehlt“, sagt Birgit Unger. Sie bringt als Geschäftsführerin der Essener Agentur „Revier A“ Unternehmerinnen zusammen. Unger plädiert für eine Frauenquote, sonst würde es zu lange dauern, bis Frauen oben ankommen. „Das können wir uns volkswirtschaftlich nicht mehr erlauben.“ Doch die alten Netzwerke seien noch intakt: „Die Old Boys wollen unter sich bleiben. Sie suchen sich Partner, die ihnen ähnlich sind, die gleich ticken.“ Ob das für ein Unternehmen immer gut ist, sei die Frage.