Luhmühlen.
Die Flaggen rund um das Springstadion in Luhmühlen hingen auf halbmast. Reiter standen schweigend in der Arena in der Lüneburger Heide, auch auf den voll besetzten Tribünen war kaum ein Laut zu hören: In einer ergreifenden Zeremonie gedachten Kollegen und Zuschauer am Sonntag des am Tag zuvor tödlich verunglückten Benjamin Winter aus Dortmund.
Auf der Videoleinwand war ein großes Porträt des 25-Jährigen zu sehen – lachend, so wie ihn alle kannten und mochten. „Es ist ein trauriger Moment. Er war ein Mensch mit einer unglaublich positiven Lebenseinstellung“, würdigte der deutsche Reiter-Präsident Breido Graf zu Rantzau das Ausnahmetalent.
Winters tödlicher Sturz mit seinem Pferd Ispo im Geländeritt hat die Vielseitigkeitsreiterei tief schockiert und verunsichert. Auch einen Tag nach dem Unglück herrschte Fassungs- und Ratlosigkeit.
„Für das, was alle Beteiligten fühlen, gibt es keine Worte. Ben war ein großartiger Mensch und toller Sportler. Er hatte noch eine große sportliche Zukunft vor sich“, meinte Verbands-Geschäftsführer Dennis Peiler. „Es ist noch nicht bei mir angekommen“, meinte der sichtlich erschütterte Bundestrainer Hans Melzer.
Trotz des Todesfalls hatten sich die Reiter gemeinsam mit den Veranstaltern und in Absprache mit Winters Familie noch am Samstagabend für eine Fortsetzung des Turniers mit den abschließenden Springen des Sonntags ausgesprochen. Auf die Siegerehrungen mit Hymnen und auch die Vergabe des deutschen Meistertitels wurde verzichtet.
Eine Fortsetzung wäre auch im Sinne ihres Sohnes gewesen, sagte Sybille Winter: „Seine größte Sorge wäre vielmehr, dass sein Unfall dazu führen könnte, dass sein Sport in der Öffentlichkeit schlecht geredet wird. Bitte respektieren Sie diesen Wunsch meines Sohnes.“
Doch um Diskussionen über Sinn und Sicherheit wird der pferdesportliche Dreikampf nicht herumkommen, wie schon nach dem Tod von Tina Richter-Vietor 2007 in Schenefeld. Das weiß auch Peiler. „Jetzt ist es aber noch zu früh, um sich mit einer Analyse zu befassen“, betonte Graf zu Rantzau. „Wir werden uns damit auseinandersetzen“, versprach auch Melzer.
Die Unfallanalyse wird schwerfallen. Denn in Winter verunglückte ein Klasse-Reiter, der trotz seiner jungen Jahre erfahren war. Er galt als Versprechen auf die Zukunft, hatte in Wild Thing und Ispo zwei herausragende Pferde, war im Championatskader und wollte sich mit seinem Auftritt in Luhmühlen für die Weltreiterspiele im August/September empfehlen.
„Wir hatten beste Bedingungen, alles war perfekt. Er war ein toller Reiter und hatte ein tolles Pferd“, sagte Melzer. Und dennoch geschah es. Melzer: „Alles, was er da gemacht hat, bleibt unklar. Das war nicht seine Art zu reiten.“ Auf der 6500 Meter langen anspruchsvollen Strecke der Vier-Sterne-Prüfung war Winter mit dem zehn Jahre alten Wallach Ispo an Hindernis 20 gestürzt.
Todesfall auch in England
Das Pferd stand ohne größere Blessuren wieder auf, Winter blieb schwer verletzt liegen. Er wurde sofort in die Unfallklinik nach Boberg im Osten Hamburgs gebracht, doch konnte ihm nicht mehr geholfen werden. „Er ist sehr unglücklich gestürzt“, sagte Notärztin Annette Lorey-Tews. Sie ging von einem Schädel-Hirn-Trauma aus, das er sich zugezogen hatte. Die Geländeprüfung in der Lüneburger Heide war am Samstag schon vor dem Unfall von Winter von Zwischenfällen überschattet. Die Britin Georgie Spence zog sich beim Sturz mit ihrem Pferd Limbo einen Schlüsselbeinbruch zu. Das Pferd Liberal des Briten Tom Crisp starb nach einem Aorta-Abriss. Auch in England gab es am Samstag einen tödlichen Unfall. Der Kanadier Jordan McDonald starb beim Geländeritt in Leicestershire.