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Das Glück war aufgebraucht

Der Mann, der Muhammad Ali zu Boden schickte

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Foto: AP
Er war einer der größten Boxer, die je im Ring gestanden haben. Durch seine Kämpfe wurde er zur Legende, jetzt starb Joe Frazier im Alter von 67 Jahren in Philadelphia an Leberkrebs.

Essen. 

Es war einer dieser Schläge, die Steine pulverisieren und Planeten aus der Bahn werfen können. In der letzten Runde ihres ersten WM-Kampfes 1971 im New Yorker Madison Square Garden traf Joe Frazier seinen Herausforderer Muhammad Ali mit einem Haken am Kinn. Ali schaute ungläubig, dann wurden seine Beine weich wie ein Bündel gekochter Spaghetti und knickten einfach weg. Aber Ali zeigte, warum er der Größte ist. Er überlebte diesen unglaublichen Schlag und rettete sich bis zum Schlussgong über die Zeit. Am Ende musste er jedoch seine erste Niederlage als Box-Profi hinnehmen, Frazier blieb Weltmeister im Schwergewicht.

Nicht irgendein Weltmeister irgendeines Verbandes, wie es heute so viele gibt. Frazier war von 1970 bis 1973 einfach nur DER Weltmeister im Schwergewicht. Der größte Titel, den es damals im Sport gab.

Frazier hätte gegen Ali allerdings auch ohne Titel und ohne Geld geboxt, denn er hasste seinen Gegner. Hass ist ein großes Wort, zumal im Sport, aber in diesem Fall trifft es den Kern. Jahre zuvor waren Ali und Frazier noch gemeinsam in einem Chevrolet Cabrio durch Kalifornien gefahren. „Ein netter Kerl“, sagte Frazier damals über Ali. Beide Boxer schienen sich zu mögen, doch dann erhielt Ali nach der dreijährigen Sperre seine Box-Lizenz zurück, und alles lief auf einen großen Kampf der beiden US-Amerikaner hinaus.

Das größte Drama

Frazier war Ali als Boxer ebenbürtig, doch Ali beherrschte zudem die Klaviatur des Showgeschäfts. Er beschimpfte Frazier als „Uncle Tom“ und lauerte ihn nachts vor einem Hotel in einem Gorilla-Kostüm auf. Natürlich hatte er vorher die Journalisten informiert. Damit war der Geist aus der Flasche, er ließ sich nie wieder einfangen, und beide Männer wurden im ganzen Leben keine Freunde.

In ihrem dritten Kampf 1975, dem „Thriller von Manila“, prallten in der schwülen Nacht auf den Philippinen zwei Boxer aufeinander, gegen die selbst der Terminator nur eine halbe Portion wäre. Ali sagte später, er sei dem Tod niemals so nah gewesen wie in dieser Nacht, doch Frazier war am Ende der, der in einem der größten Dramen der Sportgeschichte verlor.


Es war die Pause vor der letzten Runde. Frazier, der lange wie eine Einmann-Zertrümmerungs-Maschine auf Ali eingeprügelt hatte, konnte durch seine zugeschwollenen Augenlider nichts mehr sehen. Seit drei Runden konnte er keinem Schlag mehr ausweichen. Er hockte apathisch auf seinem Hocker. In der anderen Ecke hockte Ali. „Ende“, stammelte Ali. „Ich höre auf.“ Doch er hatte Angelo Dundee an seiner Seite, und der Trainerfuchs hatte einen Spion in der Ecke von „Smokin’ Joe“ stationiert. Als Ali aufgeben wollte, flüsterte ihm Dundee zu: „Du musst nur aufstehen. Nur einmal noch aufstehen. Joe wird nicht mehr kommen, er gibt auf.“

Ali stand ein letztes Mal auf, Joe blieb sitzen und hatte verloren. Augenblicke später brach Ali zusammen.

Fraziers Glück im Leben schien aufgebraucht zu sein. Er bekam nie wieder eine Titelchance, er fuhr sich mit dem Rasenmäher über den Fuß und verlor einen Zeh, er versuchte sich als Box-Manager seines Sohnes Marvis, doch beide schafften nicht den großen Durchbruch, und Fraziers Box-Gym in Philadelphia wurde ihm Jahr 2008 geschlossen.

Kein Leben auf der Sonnenseite, und Frazier redete zudem immer noch davon, „irgendwann auf Alis Grab zu tanzen“. Doch im vergangenen Jahr fand er endlich seinen inneren Frieden. Es gab zumindest – so berichteten Freunde – eine Versöhnung mit Ali. Dann ereilte Joe jedoch der nächste Tiefschlag: Der Arzt stellte vor sechs Wochen die Diagnose Leberkrebs. In der Nacht zum Dienstag starb Joe Frazier im Alter von 67 Jahren in Philadelphia.