Erst Kroppach, dann Saarlouis – das Damen-Tischtennis befindet sich in Deutschland auf dem Rückzug. Bei Tusem Essen machen die „Bekloppten“ weiter.
Essen.
Der Weg in die Bundesliga führt durch eine kahle Umkleidekabine. Hier müssen die Zuschauer entlang, um Spitzensport zu sehen. Doch das wollen an diesem Samstag nur wenige: 90 Tischtennis-Fans sitzen in der Turnhalle der Kaufmännischen Schulen West auf ihren Holzstühlen – selbst das Spitzenspiel stößt auf wenig Interesse. Immerhin empfängt der Tabellendritte Tusem Essen den Serienmeister FSV Kroppach.
Tischtennis trägt gerade im Damenbereich ein Aschenputtel-Kleid. Ehrenamtliche Helfer versuchen, die Sportart jeden Spieltag ein wenig rauszuputzen. Dafür opfern sie Zeit. „Ohne die Bekloppten im Verein würde es bei uns keine Bundesliga geben“, sagt Tusem-Manager Martin Buhr. Sein Sohn Niklas und weitere Spieler aus der Abteilung machen die Halle bundesliga-tauglich. Bevor die Spielerinnen eintreffen, schieben sie die blauen Tische aus dem Geräteraum, stellen Werbebanden auf und verlegen Kabel.
Kroppach fehlen die Helfer
Woanders haben die Bekloppten die Reißleine gezogen. So wie in Kroppach. Die Mannschaft verzichtet in der kommenden Saison auf die Bundesliga. Die Sponsoren gelder gehen dem Team aus dem Westerwald nicht aus, jedoch die ehrenamtlichen Helfer. „Der Aufwand lohnt sich nicht“, sagt Trainer Dennis Leicher. Das Beispiel macht Schule: Auch der Tabellenzweite TTSV Saarlouis-Fraulautern zieht sich zur kommenden Saison zurück. „Die Attraktivität der ersten Bundesliga hat deutlich gelitten“, erklärt der Verein. Bei den Männern haben die TG Hanau und TTC Ruhrstadt Herne bereits aufgegeben.
Essen macht weiter, will den Zuschauern weiter Spitzensport bieten: Bei der Partie gegen Kroppach stehen fast durchweg Nationalspielerinnnen an der Platte – wie Wu Jiaduo. Die Frau aus Kroppach schlug vor sieben Monaten noch bei den Olympischen Spielen in London auf. Jetzt spielt sie in einer Halle, in der wochentags Berufsschüler über den T-Bock springen. Essen schickt Elke Schall-Süß als Spitzenspielerin ins Duell. Eine viermalige Europameisterin. Das Spiel bietet packende Ballwechsel. Schall-Süß bekommt ihr Temperament nicht in den Griff, tritt in die Bande und kassiert eine Verwarnung. Niklas Buhr, der auch den Hallensprecher macht, fordert mehr Applaus ein. Die Tusem-Anhänger muntern ihre Nummer eins auf. Ohne Erfolg: Schall-Süß verliert ihr Einzel.
245 Euro für die Schiedsrichter
Manager Martin Buhr kümmert sich in einer Spielpause um die Abrechnung. 245 Euro erhalten die fünf Schiedsrichter. „Das bekommen wir durch das Eintrittsgeld und die Cafeteria nicht wieder rein“, erklärt Buhr. Der Etat für die Bundesliga-Mannschaft beträgt rund 80 000 Euro, dafür müssen die sechs Spielerinnen plus Trainer bezahlt werden. Und die Auswärtsfahrten. Essen muss im April in Kolbermoor antreten – in einem Ort an der österreichischen Grenze. 699 Kilometer für eine Fahrt.
Martin Buhr begleitet seine Mannschaft selten zu Auswärtsspielen. Nach Bingen ist er mit seinem Sohn gefahren und hat eine knappe Niederlage gesehen. „Ansonsten fehlt mir die Zeit“, sagt Buhr, der als Steuerfachangestellter arbeitet.
Im Spiel gegen Kroppach ist der Tusem-Manager auch als Handwerker gefragt. Eine Platte hat sich gelockert, Buhr holt Klebeband und macht sich ans Flicken. Man stelle sich vor, Sportdirektor Michael Zorc würde bei einem BVB-Spiel in der Halbzeit die Linien auf dem Rasen nachziehen.
Buhrs Einsatz zahlt sich nicht aus – Essen verliert mit 1:6. Kroppach kostet den Sieg kurz aus, dann machen sich die Helfer an den Abbau. „Nächste Woche gegen Berlin rechnen wir uns mehr aus“, sagt der Manager. Er hofft auf einen Sieg. Ein größerer Erfolg wäre es, wenn mehr Tischtennis-Fans den Weg durch die Umkleidekabine nehmen würden.