Coach Piotrowski musste in viele Fettnäpfchen treten, bevor er mit den Frauen des Bundesligisten Herner TC Erfolge feierte. In unserer Serie stellen wir Erstliga-Trainer aus dem Revier vor.
Herne.
Irgendwie ist Mariola an allem schuld. Sie war das Mädchen von Gegenüber. Damals, in Polen. Mariola besuchte die gleiche Schule wie Marek Piotrowski, sie spielte im gleichen Basketballverein. Mit der Zeit verloren sich die Sandkasten-Freunde aus den Augen. Jahre später trafen sie sich wieder: Er, Basketballer. Sie, Basketballerin. Sie wurden ein Paar. Als dann das Angebot aus Oberhausen kam – Mariola sollte in der Damen-Bundesliga spielen –, verließen sie zusammen ihre Heimat.
Das war vor über 20 Jahren. Heute ist Marek Piotrowski seit zwölf Jahren Trainer des Damen-Bundesligisten Herner TC, hat den HTC zu einem Spitzenklub geformt. Anfang des Jahres wurde sein Team Dritter im Deutschen-Basketball-Pokal. Damals, in Polen, hätte sich der frühere Jugend-Nationalspieler das wohl nicht ausgemalt.
Mit den Frauen in die (Basketball)-Rente
Nachdem sie in Oberhausen angekommen waren und Mariola auf dem Parkett stand, trainierte Marek Piotrowski die zweite Damen-Mannschaft, half als Co-Trainer aus. „Damals dachte ich: Dann trainierst du eben mal zwei Jahre Frauen und übernimmst danach wieder Männer“, sagt der 56-Jährige lachend. „Jetzt glaube ich, ich gehe mit den Frauen in Rente.“
In Schwelm hat er noch einmal ein Männer-Team betreut, ansonsten folgten Frauen-Teams – in Oberhausen, Dorsten, Bochum und natürlich Herne. „Na, klar“, sagt er, „bin ich am Anfang in viele Fettnäpfchen getreten. Frauen sind eben sensibler. Ich komme aus dem Osten, da war der Ton generell rauer. Ich musste lernen, diplomatischer zu werden, auf jeden Charakter richtig eingehen zu können.“
Geholfen hat ihm dabei wieder Mariola. „Sie hat ein anderes Auge auf alles, erkennt sofort, wenn eine Spielerin unglücklich ist – was ich im aktuellen Geschehen gar nicht bemerke“, sagt er. Er schätzt diesen Austausch. Er weiß: Würden beide nicht so für den Sport brennen, wäre es schwer geworden. „Meine Frau hat viel Verständnis dafür, dass ich oft nicht zu Hause bin, aber sie hat auch immer ein offenes Ohr für die Spielerinnen, ist die gute Fee der Mannschaft. Manche Spielerinnen kommen uns auch mal besuchen“, sagt Piotrowski.
Emina Karic zur Basketball-Nationalspielerin ausgebildet
Viele im Team seien für ihn wie eigene Kinder. „Die meisten sind jünger als unsere Tochter. Da bekommt man schon Vatergefühle, wird aber auch eine Art Pädagoge“, sagt er. Seine eigene Tochter ist 36 Jahre alt und hat mit Basketball nichts mehr am Hut. „Sie hat bei ihren Eltern gesehen, wie viel Energie man in den Sport stecken muss, und hat sich mit 16, 17 Jahren dagegen entschieden. Für uns war das kein Problem, sie hat ihren Weg gemacht“, sagt Piotrowski.
In Herne hat er einen anderen Werdegang erlebt: Emina Karic, die HTC-Kapitänin, ist von ihm seit der Jugend ausgebildet worden, heute ist sie Nationalspielerin. „Das macht natürlich stolz. Wir setzen als Verein sehr auf die Nachwuchsarbeit“, sagt er. Ausländische Spielerinnen holt er trotzdem hinzu, aus den USA, aus Osteuropa. Immerhin ist er selbst auf diesem Weg ins Ruhrgebiet gekommen.
Das schönste Geburtstagsgeschenk für Piotrowski
„Der Sport war in Polen die große Chance, mehr von der Welt zu sehen, um rauszukommen. Andere Kulturen, andere Sprachen kennenzulernen“, sagt er. Seine Worte klingen noch immer nach Polen – und ein bisschen nach Ruhrgebiet. In Oberhausen habe ihm der Sport geholfen, Kontakte zu knüpfen, erste Hürden zu meistern. In Essen ist die Familie dann heimisch geworden. „Es gibt kein Angebot, für das ich hier wegziehen würde.“
Warum auch? In Oberhausen hat er erstklassige Erfolge gefeiert, mit Bochum ist er von der Oberliga in die Bundesliga gezogen, Herne hat er seit der Landesliga begleitet. Aber es gab auch andere Zeiten: Nach Abstiegen hat er die Kraft gefunden für neue Aufgaben – und hat mit dem HTC seinen schönsten Geburtstag gefeiert. 2014 war das, am 25. April. Mit 83:73 schlugen die Herner Ligaprimus Wasserburg im zweiten Halbfinalspiel der Bundesliga-Playoffs. „Da kommt man in die Halle, alle gratulieren einem, und dann holt die Mannschaft das letzte Quäntchen aus sich raus, um mir so ein Geschenk zu machen“, erzählt er.
So lange es diese Momente gibt, wird Marek Piotrowski weitermachen. Wie am 26. September – beim Saisonstart gegen Saarlouis (18 Uhr). Ohne seine Basketball-Frauen geht es nicht. Und ohne Mariola gäbe es diese Geschichte nicht.