Nadine Unverricht arbeitet als Wwoofer auf einem ökologischen Bauernhof in Thüringen. Dafür bekommt sie kein Geld, sammelt aber wertvolle Erfahrungen – und findet einen Ausgleich zum Studium.
Hausen.
Nadine Unverricht findet die Schweine am besten. Die 25-Jährige steht auf dem Naturerlebnishof Hausen vor einer Horde Ferkel und kippt ihnen neues Wasser in den Trog. Seit einer halben Stunde ist die junge Frau unterwegs und versorgt Kaninchen mit Stroh, Hühner mit Getreide, die Pferde mit Heu.
„Für mich ist das ein Ausgleich zum Studium“, sagt Unverricht. In den Semesterferien ist sie für eineinhalb Wochen auf den Öko-Bauernhof nahe Arnstadt in Thüringen gekommen. Für freie Unterkunft und Verpflegung arbeitet sie hier mit. Menschen wie Unverricht werden Wwoofer (World Wide Opportunities on Organic Farms) genannt. Für ein paar Wochen wohnen sie auf Bauernhöfen, ernten Erdbeeren, stellen Käse her oder kümmern sich um die Tiere. Dafür bekommen sie kein Geld.
Weltweit nehmen mehr als 6.000 Landwirte an dem Programm teil. In Deutschland wird die Idee seit dem Bio-Boom der vergangenen Jahre immer bekannter. Mittlerweile können die Wwoofer auch hierzulande zwischen rund 200 Höfen wählen. In Thüringen sind es derzeit 13 – Tendenz steigend.
Immer mehr Anfragen in Thüringen
Einer der Thüringer Landwirte ist Ralf Demmerle. „Auf einem Bauernhof gibt es immer Arbeit“, sagt der 43-Jährige. Seit sieben Jahren bietet er das Wwoofen auf seinem Hof in Hausen an, aber erst in jüngster Zeit bekommt er immer häufiger Anfragen. „Ich glaube, die jungen Leute sehnen sich heutzutage nach einer erfüllenden Arbeit“, sagt er.
Als Student habe er selbst in fremden Ländern auf Bauernhöfen gearbeitet. Heute schätzt er den kulturellen Austausch, wenn Interessierte aus Indien oder Amerika bei ihm zwischen Frühjahr und Herbst mithelfen. Auch Unverricht hatte zum ersten Mal im Ausland mit angepackt. Irgendwann ging ihr in Australien das Geld aus, auf einer Bananenplantage konnte sie die Zeit überbrücken. Seitdem ist sie ein Fan der Bewegung und hat auf über einem Dutzend Höfen gearbeitet. „Natürlich spare ich dabei auch Geld“, sagt die Studentin. Wichtiger aber seien ihr die Erfahrungen aus der Arbeit. „Wenn ich abends ins Bett falle, weiß ich genau, was ich gemacht habe“, sagt sie.
Bio-Zertifizierung der Höfe
„Das Wichtigste beim Wwoofen ist der Austausch“, sagt auch Jan-Philipp Gutt von Wwoof Deutschland. Der Trägerverein vereint alle interessierten Höfe und prüft, ob sie den ökologischen Anforderungen genügen. Dabei gehe es nicht um Bio-Siegel, sondern um die Umsetzung eines ganzheitlichen Konzepts, sagt Gutt. Nachdem im vergangenen Jahr erstmals online ein Überblick über die geeigneten Höfe möglich war, stieg die Mitgliederzahl in kurzer Zeit auf 2.000 Wwoofer.
Gutt und seinen Kollegen ist deswegen wichtig, dass die Leute wirkliches Interesse für die Landwirtschaft mitbringen. „Es bringt beiden Seiten nur dann was, wenn die Wwoofer etwas über ökologische Bauernhöfe lernen wollen“, sagt er. Wer hingegen Erholungsurlaub suche, sei beim Wwoofen falsch. Nadine Unverricht hat einen Mittelweg aus Urlaub und Arbeit gefunden. Pro Tag hilft sie auf dem Hof von Bauer Demmerle zwischen vier und sechs Stunden mit, abends sitzt sie mit seiner Familie manchmal am Lagerfeuer und grillt Stockbrot.
Auf jedem Hof hat sie bislang etwas Neues gelernt. „Irgendwann kennt man sich dann auch als Kindermedien-Studentin ein bisschen mit Landwirtschaft aus“, sagt sie. Nachdem Unverricht den Ferkeln Wasser gegeben hat, wird klar, was sie damit meint. Mit ihrer Hand fährt sie durch einen Eimer Futter und erklärt, dass die Bohnen Eiweiß und das Getreide Kohlenhydrate liefern. „Schweinemüsli“, sagt sie und wirft den zwei Säuen ihr Frühstück ins Gehege. (dapd).