Mit dem Buch „From Sansibar with Love“ erzählt Autorin Andrea Tapper ihre Liebesgeschichte und nennt Vorurteile auf der afrikanischen Insel Sansibar.
Essen.
Bei vielen Menschen dürften gleich die Alarmglocken schrillen: Reiche, weiße, ältere Frau vergnügt sich mit jungem, gutaussehenden, armen Afrikaner. „From Sansibar with Love“ nennt Autorin Andrea Tapper ihre Geschichte – und erzählt im Interview, ob es dabei um Geld, Sex oder Liebe geht.
Frau Tapper, ich bin Anfang 30, mit einem gleichaltrigen Deutschen verheiratet und hatte noch nie einen Urlaubsflirt. Was glauben Sie, denke ich über Ihre Affäre in Afrika?
Andrea Tapper: Sie hatten noch nie einen Urlaubsflirt? Dann wird’s aber Zeit.
Zugegeben, letzteres war gelogen. Aber unterschiedliche Religionen, Kulturen und ein 20 Jahre jüngerer Mann. In was für Schubladen werden Sie da gesteckt?
Tapper: In Afrika reagieren alle sehr offen. Da hat noch nie jemand die Nase gerümpft. Und auch bei uns ist es doch viel häufiger geworden, dass Frauen jüngere Männer haben. Denken Sie an Susan Sarandon, Simone Thomalla oder Madonna. Solche Beziehungen werden inzwischen immer mehr akzeptiert. Etwas anderes ist das Multikulti-Thema. Es ist wichtig, dass man das Land, aus dem der Partner kommt, und seine Gegebenheiten kennt. Dass man sich in der Mitte trifft.
Als Sie Ihren Partner Ahmed trafen, war er frisch geschieden und mit einer Europäerin liiert, die Sansibar gerade verlassen hatte. Sie liefen sich ständig „zufällig“ über den Weg. Haben Sie dahinter nicht System gewittert?
Tapper: Sansibar ist klein, die Altstadt gerade einmal ein Quadratkilometer groß und alle gehen in dieselben Kneipen. Man trifft sich also automatisch. Mein Partner ist anfangs auch sehr zurückhaltend gewesen. Erst als seine Beziehung beendet war, sind wir richtig aufeinander zugegangen.
Sansibar ist arm. Ahmed sagt, dort sei so gut wie jeder Mann hinter Urlauberinnen her. Der übliche Deal lautet also Geld gegen Sex?
Tapper: Nein, die meisten Männer suchen nur Abwechslung. Sie träumen davon, sie setzen es aber nicht mal um. Wenn wir über Urlaubsaffären generell sprechen: Experten schätzen, dass in bestimmten Ländern wie Gambia, Kenia, Tunesien oder auch Bali der weibliche Sextourismus bereits 20 Prozent ausmache. Dabei gilt aber nicht Geld gegen Liebe, insgesamt ist das softer: Frauen führen die Männer aus, sie bringen ihnen Klamotten mit, zahlen das Hotel. Manche investieren allerdings richtig, und einige werden auch total ausgenutzt. Aber es steht keine Industrie dahinter, etwa mit Bars und Striptease-Clubs. Und auf Sansibar ist alles noch naiver, noch unschuldiger. Es gibt um die hundert Beachboys, die hoffen, dass sich eine Ausländerin in sie verliebt und sie heiratet. Liaisons mit jungen Entwicklungshelferinnen oder Auslandspraktikantinnen sind am begehrtesten.
Frauen investieren mehr Gefühl
Urlaubsaffären von Frauen sind also nicht mit männlichem Sextourismus zu vergleichen?
Tapper: Ich glaube nicht. Frauen investieren mehr Gefühl, sie zwingen niemanden, beuten niemanden aus, haben keinen Sex mit Minderjährigen und vergewaltigen auch niemanden.
Während Ahmed zugibt, dass bei Ihrer Beziehung etwas für ihn herausspringen sollte, erwähnen Sie häufig sein gutes Aussehen und den guten Sex. Ist das wahre Liebe?
Tapper: Auf jeden Fall gehört zu einer Beziehung Leidenschaft! Auf Sansibar gibt es eine Brautschule, in der Frauen auf die Hochzeit vorbereitet werden und den Männern beigebracht wird: Sei immer bereit für deine Frau, sei niemals müde, niemals ablehnend. Manchmal wünsche ich mir, deutsche Männer bekämen auch so eine Schulung. Wie oft sagen Frauen, dass sich ihre Männer nicht mehr für sie interessieren. Was das Geld angeht: Mein Partner hat langsam gemerkt, dass ich keine reiche Urlauberin bin, sondern eine schlecht bezahlte Journalistin, und trotzdem sind wir happy.
Mit Sextourismus „löst die eine Hälfte der Menschheit ihr sexuelles, die andere ihr ökonomisches Problem“, zitieren Sie den Autor Michel Houellebecq. Können Menschen aus Industrienationen und Dritte Weltländern eine Beziehung auf Augenhöhe führen?
Tapper: Selbstverständlich. Wichtig ist die innere Einstellung, dass man sich gegenseitig respektiert und die andere Kultur kennenlernt, ohne sie aber zu romantisieren oder sich selbst zu verleugnen. Ich habe viele Freunde aus Sansibar gewonnen, darunter eine einheimische TV-Kollegin, genauso gebildet wie ich, genauso modern. Mit meinem Buch will ich ja genau das auch zeigen: das moderne Afrika, das intime Sansibar. Den ganz normalen afrikanischen Alltag zwischen Tradition und Internet, ohne Hungersnöte und Krieg, über den kaum berichtet wird.
Emanzipierte Frauen in Deutschland stehen in einem starken Wettbewerb
Ist es ein Trend, dass Frauen im Urlaub auf Sex aus sind?
Tapper: Vielleicht. Emanzipierte Frauen in Deutschland stehen in einem starken Wettbewerb, sind sehr gestresst. Gleichzeitig sind ihre Beziehungen nicht mehr so unterhaltsam, es gibt nur noch wenige Gentlemen in Deutschland, alles ist so trocken geworden. Frauen wollen aber umworben und verführt werden. Sie freuen sich, wenn im Urlaub was los ist.
Sie schreiben, Sie und Ahmed hätten keine gemeinsamen Werte. Sie sind eine moderne, selbstbewusste Frau, er findet, Frauen sollten sich verschleiern, und bittet Sie sogar, ihm eine Zweitfrau zu erlauben. Was halten Ihre erwachsenen Kinder davon?
Tapper: Meine Tochter ist gerade mit ihrem Freund zu Besuch auf Sansibar. Ihr Freund ist so alt wie mein Partner – die verstehen sich alle ganz gut. Meine Kinder sind stolz auf mich und sagen, Hauptsache ich bin glücklich. Dass ich so kulturübergreifend lebe, finden sie gut. Sie wissen aber, dass ich mich weder bevormunden lasse, noch meinen Verstand im Bett abgebe. Natürlich lehne ich Polygamie ab und kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Aber mein Partner ist jung und will noch eine Familie gründen, dafür habe ich Verständnis. Man kann Liebe nicht planen. Es passiert nur das, was man zulässt.
Sie stellen im Buch die Frage, ob es Gemeinsamkeiten gibt zwischen Ihrer Vorstellung vom „wahren“ afrikanischen Mann und dem Klischee der „wahren“ Frau, die deutsche Männer in Thaidamen sehen. Die Antwort bleiben Sie dem Leser aber schuldig.
Info:Tapper: Weil ich keine habe. Aber eins scheint klar: Gewisse Sehnsüchte bleiben durch unsere Lebensweise unerfüllt. Viele deutsche Männer sind so soft geworden, kennen ihre Rolle nicht mehr. Umgekehrt sagen die Männer, die sich zu Thaifrauen hingezogen fühlen, dass wir deutschen Frauen nicht mehr feminin seien. Klar ist, dass sich die alten Rollen aufgelöst haben. Aber was ist nachgekommen?
Auf Sansibar muss allem im Privaten Passieren
Sie behaupten: Afrika wirft nichts vor. Doch wie steht die muslimische Gesellschaft Sansibars zu Ihrer Affäre? Und was halten die Frauen davon, wenn alle Männer nur hinter Ausländerinnen her sind?
Tapper: Die sansibarische Gesellschaft ist nicht prüde, ganz im Gegenteil – nur muss alles hinter dem Schleier, im Privaten passieren. Es gibt viel Getratsche um Sex, Liebe und Affären, aber es wird wenig bewertet. Auch von der Familie oder Freunden meines Partners habe ich nie Kritik gehört. Die schönen, stets perfekt geschminkten und zurecht gemachten sansibarischen Frauen sind sehr stolz. Sie kennen ihre Tricks – von sexuellen Ritualen, über die ich auch in meinem Buch schreibe, bis hin zu Voodoo – und lassen sich von einer Touristin im Baumwollfummel nicht so schnell einschüchtern.
Sie sind jetzt seit drei Jahren zusammen. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Tapper: Keine Pläne. Man weiß sowieso nie, was kommt. Diese Partnerschaft hat mein Leben jetzt schon bereichert. Ein Swahili-Spruch besagt: Der wahre Wert des Lebens ist Liebe. Ahmed antwortet in unserem Buch auf die Frage, warum er sich gerade in mich, eine ältere Deutsche verguckt hat, ebenfalls mit einem Swahili-Sprichwort: Liebe ist wie Gras; sie wächst überall. Das nochmal entdecken zu können, ist viel wert.