Strände, Dünen, Wattenmeer: Ameland und Schiermonnikoog bieten viel Abwechslung für echten Natururlaub
Kühe raus, Kinder rein. Sigrid Ynsen aus Iserlohn bringt die touristische Entwicklung Amelands auf den Punkt. Die tatkräftige Frau aus dem Sauerland hat jahrelang dafür gesorgt, dass in der Hochsaison täglich 1500 Kinder in den Ameländer Ferienlagern satt wurden. Denn bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Klever Pastor Edmund Janssen die wunderschöne Watteninsel entdeckt und dafür gesorgt, dass sich Tausende kleiner Bleichgesichter vom Niederrhein an der frischen Nordseeluft erholen konnten.
Viele sind später als erwachsene Urlaubsgäste wiedergekommen. Und manche sind auch geblieben, so wie Sigrid, die einen Ameländer geheiratet hat. Piet Ynsen, der damals einen Kuhstall zum Ferienlager umfunktioniert hatte.
Sigrid sagt: „ Die frische Seeluft, die Weite, die wenigen Autos. Es ist einfach alles viel entspannter hier”, zählt die ehemalige Arzthelferin die Qualitäten ihrer Insel auf. In der Tat: Die Ruhe, die Ameland ausstrahlt, färbt ab. Schon am zweiten Abend, wenn man in der Dämmerung von Hollum nach Buren durch die Dünen radelt und dabei beobachtet, wie ein Habicht erst lautlos seine Beute im Seegras anpeilt und sich schließlich im Sturzflug sein Abendessen sichert. Sogar Rehe gibt’s zu sehen. Ende des 19. Jahrhunderts wanderte ein erster Rehbock vom Festland ein. Auf einem Damm, der inzwischen längst den Fluten zum Opfer gefallen ist. Und Pläne, einen neuen Damm zu errichten, sind vom Tisch. Ameland soll eine echte Insel und das Wattenmeer in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleiben.
Wer will, kann auch ohne Damm von Ameland zum Festland laufen – bei Ebbe, aber nur auf einer bestimmten Route und in Begleitung eines Wattführers wie Bert van Campen.
Wenn der Käptn Blaubär von Ameland mit einer Schulklasse durchs Watt watet, ist die Inselruhe erstmal dahin. Der urige Biologe mit der riesigen Bernsteinkette um den Hals versteht es, Großstadtgewächse für Würmer, Krebse und Muscheln zu begeistern.
10 000 verschiedene Organismen – Einzeller, Pilze, Pflanzen und Tiere – leben hier im Wattenmeer, das im Juni 2009 von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt wurde.
Bei Ebbe, wenn der Wasserpegel im Wattenmeer um zwei Meter sinkt, kann man auch den Seehunden auf den trockengelaufenen Sandbänken zusehen. Die Ausflugsboote, die am Hafen in Nes ablegen, nähern sich den Sandbänken bis auf zwei Meter. Vom Deck kann man genau beobachten, wie tollpatschig die Tiere an Land vorwärts robben und wie elegant sie sich fortbewegen, wenn sie erst einmal das Wasser erreicht haben. Die Meeressäugetiere haben sich längst von der 2002 grassierenden Seehundstaupe erholt. Sie haben sich mittlerweile so stark vermehrt, dass Naturschützer das Gleichgewicht im Watt gefährdet sehen. Denn so ein knopfäugiger Heuler verspeist fünf Kilo Fisch am Tag.
In den Sommermonaten kann man in drei Stunden von Ameland zum 15 Kilometer entfernten Schiermonnikoog übersetzen. Dort ist es noch ruhiger als auf Ameland. Auf der kleinsten niederländischen Watteninsel dürfen nur Einheimische Auto fahren, aber selbst die steigen lieber aufs Rad – zumal etliche ihr Auto in Lauwersoog, dem Fährhafen auf dem Festland, stehen lassen. Es geht schließlich fix, mal eben zur Bakkerij oder zum Vishandel zu radeln, denn die Bebauung ist auf einen einzigen Ort im Westen der Insel – das Dorf Schiermonnikoog – konzentriert.
Die Insel besteht hauptsächlich aus Natur. Obwohl die Dünen und Salzwiesen seit 1989 als Nationalpark ausgewiesen wurden, sind sie frei zugänglich. „Wir wollen keine Zäune. Das widerspricht unserem Gefühl von Freiheit”, erzählt Naturführer Thijs. Offenbar haben die Insulaner positive Erfahrungen mit ihrer toleranten Haltung gemacht. „Unsere Gäste respektieren die Natur”, sagt Thijs. Schließlich kommen sie der Natur wegen nach Schiermonnikoog. Das Fernglas gehört zur Grundausstattung wie in japanisch durchsetzten Touristenhochburgen die Digitalkamera.
Schiermonnikoog und Ameland sind dank moderner Schiffe mittlerweile das ganze Jahr zu erreichen, der Zeitraum Weihnachten-Silvester gehört neben Juli und August zur Hochsaison. Beide Inseln werden auf dem Seeweg mit allem versorgt, was man zum Leben braucht. Sogar Grundschulen gibt’s. Wer das Gymnasium besuchen will, muss allerdings aufs Festland. Die Schüler bleiben die Woche über in Gastfamilien in Leeuwarden und kommen nur am Wochenende nach Hause.
Früher lebte Schiermonnikoog vom Walfang, heutzutage vom Tourismus, doch klotzige Hotelneubauten sucht man vergeblich. Backsteinhäuser mit bunten Blumengärten davor sehen gemütlich aus, wie das Hotel Van der Werff, das früher als Rathaus genutzt wurde und den Charme vergangener Jahrhunderte ausstrahlt – wofür das Dorf von den holländischen Fernsehzuschauern zum schönsten Ort der Niederlande gekürt wurde.