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Ostsee: Mit dem Rad durch Deutschlands Meeresnationalpark

Ostsee: Mit dem Rad durch Deutschlands Meeresnationalpark

Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft bietet auch Rothirschen ein Zuhause - die Tiere wurden vom Menschen bloß in die Wälder verdrängt.
Der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft bietet auch Rothirschen ein Zuhause - die Tiere wurden vom Menschen bloß in die Wälder verdrängt. Foto: dpa
Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft entstand eine Halbinsel, die bei Zugvögeln ebenso beliebt ist wie bei radelnden Urlaubern.

Darß. 

Morgens um sechs ist die Welt noch in Ordnung. Heike Lawrenz kontrolliert die Wegmarkierung, zählt Singvögel und erfreut sich am Rotwild, das vor der Ostseekulisse im Morgenlicht durch seichtes Gewässer watet. Das Bild vom „König des Waldes“ sei menschengemacht, sagt die Rangerin. „Das Rotwild ist eigentlich auf offenes Land angewiesen, wir haben es nur in die Wälder verdrängt.“

Seit 21 Jahren wacht Lawrenz darüber, dass nicht nur das Wild seinen angestammten Lebensraum wiederfindet, sondern zwischen Bodden und Ostsee überhaupt so etwas wie Wildnis entstehen kann. So lange schon ist die Rangerin im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft beschäftigt. Und zwar am Darßer Ort, dem nordwestlichen Zipfel.

Eine Küstenlinie in Bewegung

Das altdeutsche Wort „Ort“ bedeutet so viel wie Ecke oder Winkel. Vor 300 Jahren markierte es die Nordspitze des Darß. Auf dem Leuchtturmweg, den in der Hochsaison täglich über Tausend Menschen mit dem Rad befahren, verlief 1696 die Küste. „Das weiß man durch alte schwedische Geländekarten so genau“, erklärt Lawrenz. Seitdem ist die Natur hier alleiniger Baumeister. Sie trägt an der westlichen Windseite des Darß Sand ab und landet ihn weiter im Norden an. „Ich kann hier die Veränderung täglich miterleben“, sagt Lawrenz.

Die Verhaltensregeln im Nationalpark sind streng, was früher für Konflikte sorgte: „Kaiser und Könige haben hier gejagt, dann war der Ort militärisches Sperrgebiet, es gab immer Einschränkungen und nach der Wende hat man auf Lockerungen gehofft.“

Stattdessen kam der Nationalpark. Mittlerweile schätzen die Einheimischen ihn als Motor des Tourismus. „Die Leute kommen, weil es hier so schön ist“, sagt Lawrenz. Das Problem: Sie kommen in Scharen. Darunter sind viele Senioren und junge Familien mit E-Bikes.

Alle wollen die Highlights sehen

„Rücksichtsloses Fahrverhalten nimmt zu“, sagt Annett Storm, die Geschäftsführerin des Fördervereins Nationalpark Boddenlandschaft. „Wir sind nun einmal auf einer Halbinsel und die Wege zu den Highlights bisweilen rappelvoll.“ Höhepunkte sind die Nationalparkzonen im Westen und Osten der Insel. Ihr Besuch ist allemal eine Radtour wert: „Man sieht und entdeckt immer etwas, wenn man Zeit und ein Fernglas mitbringt.“

Punkte am Himmel werden mit dem Feldstecher zum hochfliegenden Seeadler und die toten Bäume im Osterwald zum neuen Lebensraum für licht- und feuchtigkeitsliebende Pflanzen wie Tiere. Um die Wunder und Baustellen der Natur besser zu verstehen, rät Storm zu geführten Touren. „Es geht nicht darum, Strecke zu machen, es geht um Reflexion zu Natur und Umwelt“, sagt die Naturschützerin.

„Der Mensch kann nicht ohne die Natur“, sagt ein Ranger, der gerade auf der Hohen Düne das Besucheraufkommen regelt. Nicht mehr als vier Personen dürfen gleichzeitig auf die Aussichtsplattform. Dabei bräuchte man nur auf die Festlandseite in die Nationalpark-Region Barhöft zu wechseln, um Windwatt, Sandbänke und Vogelschutzinseln zu erkunden. Überhaupt eigne sich die Boddenseite besser für längere Radtouren, findet Rangerin Lawrenz. „Wenn man Ruhe genießen will, ist man zwischen Barth und Stralsund richtig.“

Lernen von den Ameisen

Annett Storm hat die andere Seite umrundet, den Saaler Bodden. „Das sind 88 Kilometer, gut ausgeschildert und wunderschön.“ Dort ist das Fahrrad nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern der Weg das Ziel. Vor allem lässt sich die Route mit Zubringern wie Fähre oder Bus verbinden und damit abkürzen. „Ich rate dazu, sich eine Busverbindung am Morgen auszusuchen und entspannt zurück zu radeln“, sagt Storm.

Mittags um kurz vor zwölf ist die Darßer Welt eine andere, der Fahrradparkplatz voll. Dabei ließen sich Staus und Verzögerungen vermeiden, würden sich die Menschen mehr aus der Natur abgucken. Ameisen etwa bewegen sich mit optimaler Durchschnittsgeschwindigkeit auf ein gemeinsames Ziel hin, ohne Überholmanöver und Abbremsen. Zu beobachten im Darßer Ort kurz hinter dem Leuchtturm. Dazu benötigt man nicht einmal ein Fernglas. Nur Muße und Aufmerksamkeit.

Info-Kasten: Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft

  • Reiseziel: Der Nationalpark wurde 1990 ins Leben gerufen und gilt als Meeresnationalpark. 80 Prozent der knapp 800 Quadratkilometer liegen unter Wasser. Auf gekennzeichneten Wegen betreten und mit dem Rad befahren werden dürfen die Kernzonen Neudarß und Darßer Ort im Westen sowie die Sundische Wiese im Osten auf Zingst.
  • Anreise: Mit dem Zug bis Barth oder Ribnitz-Damgarten, weiter mit der Linie 210, die in von Mai bis Oktober auch Fahrräder mitnimmt.
  • Informationen: Tourismusverband Fischland-Darß-Zingst, Barther Straße 16, 18314 Löbnitz (Tel.: 038324/64 00, E-Mail: info@tv-fdz.de, www.fischland-darss-zingst.de). (dpa)