Führungen durch Bergwerke gibt es so einige. Im Harz lockt eine Tour für Hartgesottene – durch knietiefes Wasser und auf allen Vieren durch enge Gänge. An einer Stelle sind sogar Boote nötig.
Sangerhausen.
Sanft gleitet der Förderkorb den Schacht hinunter. Die Grube empfängt die zehn Besucher bei angenehmen 14 Grad. Lampen an den Felswänden verbreiten schwachen Lichtschein.
„Einen Teil der Strecke werden wir auch im Paddelboot fahren“, stimmt Gästeführer Thomas Wäsche die Abenteurer auf die rund fünfstündige Tour ein. „Wir sind jetzt in etwa 283 Metern Tiefe.“
Seit etwa 20 Jahren bietet das Museum Erlebniszentrum Bergbau Röhrigschacht Wettelrode im Südharz längere Exkursionen unter Tage an. Diese spezielle Tour gibt es erst seit kurzer Zeit.
Harte Arbeit, starker Glaube
Jeder in der Gruppe trägt einen Helm mit Grubenlicht und eine Wathose. Auch Pfarrer Klemens Niemann vom evangelischen Pfarramt Sangerhausen, ganz in der Nähe. „Bei mir in der Gemeinde gibt es viele ehemalige Bergleute. Für mich ist das eine andere Welt. Um sie besser zu verstehen, möchte ich ihren Arbeitsort erleben“, sagt er.
„Die Bergmänner sind sehr fromm, wenn man unter Tage ist, muss man einfach einen starken Glauben haben.“
Eine Puppe demonstriert den Arbeitsplatz eines Bergmanns vor über 130 Jahren. Die Kupfererzbrocken kamen auf einen flachen Wagen, „Hunt“ genannt. 14-jährige Lehrlinge, sogenannte Treckejungen, zogen ihn per Strick am Fuß angebunden durch die Strecken. „Die Jungs mussten 10 bis 15 Mal am Tag diese zentnerschweren Hunde zur Verladestation ziehen“, sagt Wäsche.
Feuchtigkeit im Nacken
Nur die Grubenlampen auf den Köpfen der Besucher und Taschenlampen schaffen Licht mitten im Stockdunkeln. Der Untergrund ist schlammig. Die Helme stoßen immer wieder gegen die Decke des Ganges. Das Wasser läuft von der Decke in Strömen herab. „Die Wasseraustritte bezeichnet der Bergmann als Traufen“, erklärt Wäsche. Auch der Boden ist jetzt von strömenden Wasserrinnen durchzogen. Wer eine alte Regenjacke zu Hause eingepackt hat, ist im Vorteil.
Der Mut wird belohnt. Die kargen Wände sind mit einzigartigen, ineinanderfließenden Farben überzogen und lassen die Besucher erstaunen. Die Farbpalette reicht von kräftigen Brauntönen über Weiß, Grün, Türkis, Blau und Schwarz.
„Das ist unser „Grünes Gewölbe“, und es ist sicherer als das in Dresden“, sagt der Gästeführer in Anspielung auf den Juwelendiebstahl in der sächsischen Landeshauptstadt. Seit der Schacht 1885 aufgegeben wurde, löste das permanent fließende Wasser in kurzer Zeit Mineralien aus dem Kalkgestein, die sich als Kruste über die Wände legten.
Der Weg bleibt feucht, weil das Wasser ununterbrochen aus den Traufen läuft. Mittlerweile steht die Gruppe vor dem „Bremsberg“. Das ist eine abschüssige Strecke. „Hier rollten die mit Erz beladenen Wagen nach unten zum Hauptstollen, gleichzeitig zog ihr Gewicht auf der Gegenspur leere Wagen nach oben. Das war eine Transporterleichterung ohne Maschinenkraft“, erklärt Wäsche. Die Anlage samt Transportwagen ist nicht mehr vorhanden. Heute ist der Hang bequem begehbar.
Im Boot durch die Dunkelheit
Es folgt ein besonderer Abschnitt. Auf ein paar Metern liegen noch Stahlgitterroste, doch dann stehen alle im Wasser. Bis zum Grund ist es etwa einen halben Meter tief, zum Glück halten die Wathosen dicht. Hier liegen vier Paddelboote. Mit Hilfe der Paddel und mit der leichten Strömung geht es zügig auf dem schmalen Wasserweg voran.
Nach etwa 350 Metern geht es wieder aus den Booten heraus ins knietiefe Wasser. Es wird eng. „Wer glaubt, es nicht zu schaffen, kann hier warten, bis wir zurückkommen“, sagt Wäsche. Keiner will zurückbleiben. Der Gästeführer gibt Knieschützer aus.
Der Weg ist an dieser Stelle nur knapp 60 Zentimeter hoch. Auf allen Vieren kriechend geht es im Grubengang voran. Immer wieder berührt der Rücken die Decke. Endlich, das Ende des Kriechweges ist erreicht. Ein Hohlraum sorgt für Entspannung.
Die Geschichte des Bergbaus
Die ersten Bergleute begannen im Mansfelder Land vor rund 800 Jahren nach Kupfererz zu graben. Das Flöz, die kupferhaltige Gesteinsschicht, zog sich 42 Kilometer durch das Gebiet am Harzrand entlang, fällt flach in die Tiefe ein und entstand vor etwa 257 Millionen Jahren. Am Anfang wurde das Kupfererz von der Erdoberfläche gesammelt und später aus zwei bis drei Meter Tiefe im Tagebau gefördert. Ab dem Jahr 1750 wurde intensiv Bergbau betrieben. Insgesamt wurden aus dem Erz des Gebietes rund 2,6 Millionen Tonnen Kupfer und 14 213 Tonnen Silber gewonnen.
Allein zwischen 1951 und 1990 kamen rund 820 000 Tonnen Kupfer zusammen. Außerdem waren im Kupfererz in geringen Anteilen 52 weitere Metalle enthalten, darunter Silber, Zink, Blei und Gold. „Zum Schluss war das Mansfelder Revier der größte Silberproduzent Europas“, sagt Wäsche. Im August 1990 war mit dem Kupfererzabbau Schluss.
Vom Jahrhunderte langen Bergbau in der Region sind riesige, kegelförmige Abraumhalden geblieben. Rund 1300 Schächte durchziehen die Landschaft. Der Röhrigschacht bei Wettelrode wurde Schaubergwerk. Hier steht das älteste noch im Betrieb befindliche stählerne Schachtfördergerüst Deutschlands von 1888.
Zum Abschluss sitzt die Gruppe in rund 300 Metern Tiefe bei einem herzhaften Bergarbeiter-Essen zusammen – mit Fettbroten, Kaffee und Grubenschnaps zusammen.