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Feiern beim Freiherrn

Feiern beim Freiherrn

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Foto: MSG

Oder schlafen beim Grafen – wie man als Bürgerlicher helfen kann beim Erhalt historischer Schlösser.

Wem das kleine Verhältniswort fehlt zwischen Vor- und Zunamen, der ahnt gar nicht, welche Sorgen den Adel so plagen können. „Die Zugehörigkeit zum Adel kann einem zwar mal die eine oder andere Tür zu öffnen helfen”, sagt Karl-Eugen Erbgraf von Neipperg. „Sie werden aber auch stärker beäugt, als wenn Sie einen nicht so langen Namen haben.” Darüber ist er freilich hinaus: Einige seiner Weine gehören zu den meistgerühmten Baden-Württembergs, im Vergleich zu anderen Württemberger Erzeugern hat Graf Neipperg eine der höchsten Exportquoten. Sagen wir’s mit der gebotenen Zurückhaltung: Seine Erlaucht haben ihr Auskommen.

Nun darf man aber als Träger eines kurzen Namens nicht vergessen: Eine Familie von Stand hat auch so ihre Ausgaben. Nehmen wir als prominentes und besonders anschauliches Beispiel mal das des Hauses Hohenlohe-Langenburg. Der Stammsitz der fürstlichen Familie, Schloss Langenburg im Landkreis Schwäbisch Hall, brannte 1963 zu einem großen Teil nieder. Der damalige Chef des Hauses, Kraft Prinz zu Hohenlohe-Langenburg, war gezwungen, das „Zweit-Schloss”, die Residenz Weikersheim, zu verkaufen, um den Neuaufbau bezahlen zu können. Das ist eben das: Viel Immobilienbesitz, wenig Bargeld, jedenfalls überstiegen die damals fünf Millionen Mark Baukosten die flüssigen Mittel der Familie bei weitem. Aber auch ohne solche Katastrophen ist es schwer genug, die historischen Bauten zu erhalten, ohne immer weitere Teile des Besitzes zu verkaufen. Was nämlich für die Damen und Herren von Stand eigentlich gar nicht in Frage kommt, aber dazu später mehr.

Jedenfalls ist der Mann, der heute die interessanten Dinge über Schloss Langenburg erzählen kann, kein Mitglied, sondern ein Angestellter der Familie: Mike Thulke. Auf seiner Visitenkarte steht „Director Art/Culture/Event”, seine Aufgabe ist es, das historische Gemäuer und den großen Namen seines Chefs Gewinn bringend zu vermarkten. Und der englische Titel lässt schon vermuten: Das geht weit hinaus über die bloße Schlossführung, die man freilich auch noch machen kann. Unter dem Slogan „Erlebnis Hohenlohe” gibt es ein Oldtimer-Museum und eine Klassiker-Rallye rund ums Schloss, es gibt Konzerte in der Orangerie – „haben wir gerade erst restauriert, eine ganz tolle Location.” Für Familienfeiern oder Firmen-Events lassen sich Teile des Schlosses – inklusive antikem Mobiliar – mieten, es gibt ein Mittelalter-, ein Barock- und andere Festivals, im fürstlichen Forst eröffnet dieses Jahr ein Kletterpark. „Erlebnis Hohenlohe” eben – der alte Name mit ein paar modernen Ideen funktioniere gut, so Mike Thulke.

Wer nicht zum Hochadel gehört – immerhin steht der heutige Chef des Hauses Philipp Prinz zu Hohenlohe-Langenburg auf Platz einhundertnochwas der britischen Thronfolge – kann immer noch mit seinem guten Namen werben. Im nahen Jagsthausen tragen zum Beispiel die jährlichen Burgfestspiele – stets mit einer Inszenierung von Goethes Götz von Berlichingen – nicht unwesentlich zum Erhalt des Familienbesitzes derer von Berlichingens bei. Schlossrestaurant und -Hotel sowie das Museum mit der legendären eisernen Faust des Ritters runden das seit gut 50 Jahren funktionierende Modell ab.

Wer einen gar so großen Namen nicht hat, der braucht etwas mehr Fantasie, Fleiß, Leidenschaft und eine gute Ausbildung. Dann lässt sich auch mit dem Namen Kilian Graf von Bentzel-Sturmfeder heute noch Staat machen.

Vom Schlosser zum Schlossherrn

Direkt brechen wollte Kilian Graf von Bentzel-Sturmfeder nicht mit der Familientradition, er hatte sich bloß ursprünglich einen anderen, einen eigenen Lebensweg gesucht: Zivildienst beim Roten Kreuz, dann Schlosserlehre mit Fachabi, und „danach wollte ich mich zum Metallrestaurator ausbilden lassen.” 1996 habe es dann aber Schwierigkeiten gegeben – über Details schweigt der heute 37-Jährige. Jedenfalls wollte der Vater das Weingut in Schozach abstoßen, das seit immerhin 600 Jahren in Familienbesitz ist. Ob es damals Traditionsbewusstsein war oder Familiensinn, das Ende des jugendlichen Aufbegehrens gegen die Eltern oder was auch immer – jedenfalls übernahm er den Betrieb und man mag kaum glauben, dass Graf von Bentzel-Sturmfeder je etwas anderes gemacht hat und je etwas anderen machen wollte als Wein.

Er vergesse keineswegs die Traditionen, probiere aber auch viel Neues aus. Neuer Clou des Hauses: „Viqua. Wasser und Wein”. Traditionell heiße das Schorle, aber die lasse sich eigentlich nicht fertig in Flaschen verkaufen, da die Mineralien des Wassers nach ein paar Tagen den Geschmack des beigemischten Weines negativ beeinflussten. Es sei denn, man benutze ein spezielles Wasser aus einer ganz besonderen Quelle in den spanischen Pyrenäen, nach dem er lange gesucht habe. Und dann folgt noch ein Exkurs zum richtigen Wein für das „Lounge-Getränk, das man übrigens nicht aus Verzweiflung trinkt sondern aus der Flasche, zum Wohle!” Serviert wird’s ganz „stylisch” mit einem goldenen Strohhalm.

Der Folter-Trunk vom Roten Berg

Erlaucht reden viel, mit großer Leidenschaft und gestenreich, auch noch bei der Führung durch den Keller. Nicht weniger als 54 verschiedene Produkte gewinnt man hier aus den Trauben von den typisch-württembergisch kleinen und kleinteiligen Lagen. Vom nur regional geschätzten Lemberger über den Trester-Brand „Foltertrunk” bis zum auch international beachteten Riesling vom „Roten Berg”, der Schozacher Top-Lage. Graf Bentzel-Sturmfeder versteht sich als „Kunsthandwerker”, als „jungen Wilden” unter den Winzern, vor allem aber fühlt er sich der Tradition verpflichtet und arbeitet, um den Familienbesitz zu erhalten. Weshalb er sich schließlich auch zum Winzer ausbilden ließ.

„Man nimmt sich als Person nicht so wichtig und empfindet sich vielmehr als Glied einer Kette”, um noch einmal Erbgraf von Neipperg zu zitieren, der stets „wir” sagt – egal, ob eines seiner fünf Kinder gemeint ist oder ein Urahn aus der Zeit der Bauernkriege. „Wir betreiben hier Weinbau seit 800 Jahren.” – „Uns fehlt hier die Laufkundschaft, wir sind hier nicht in einer touristisch sehr bekannten Gegend.” Was erstaunlich ist, denn „wir betreiben seit jeher naturgemäße Forstwirtschaft.” – Die rund 1000 Hektar großen gräflichen Forsten rund um Schwaigern westlich von Heilbronn sind herrlichster Mischwald.

Für die Laufkundschaft lässt sich aber mit viel näherliegenden Mitteln sorgen: Auf Burg Schaubeck im Steinheimer Ortsteil Kleinbottwar bittet Michael Graf Adelmann zum Mahle und zum Tanz. Allerdings nicht immer. Höhepunkt sind die Wein- und Kulturtage Mitte Juni, zu denen Herr Graf ausnahmsweise in den Park bitten, der ansonsten der Familie vorbehalten bleibt. Mitte April sind Teile der Anlage für den „Musikalischen Salon” geöffnet, für die Weinverkostung in kleinerem Rahmen braucht’s eine vorherige Terminabsprache. Aber darum geht’s letztlich auch hier immer: Wein. Und zwar um so guten, dass es sich der Hausherr leisten kann, fast unverschämt tief zu stapeln. „Ich bin eigentlich Jurist und froh, seit 30 Jahren etwas anderes machen zu können.” Man hätte sich nicht gewundert über einen englischen Akzent, so sehr entspricht Graf Adelmann dem Klischee eines britischen Aristokraten.

Da ist natürlich Berechnung dabei, schließlich sind er und sein Titel die beste Werbung für seine Weine. Und fürs Marketing und für die Presse öffnet er ausnahmsweise sogar ein paar der privaten Gemächer mit solch nonchalanter Gastfreundlichkeit, dass man sich wider Willen als Bürgerlicher glatt gebauchpinselt fühlt.

Könnte Empire sein, muss aber nicht

Drinnen findet man, was man eigentlich immer in solchen alten Gemäuern vermutet hat: Ein spannendes Sammelsurium unterschiedlichster Antiquitäten und Kunstwerke aller Stilepochen und aus aller Welt – Ergebnis der adeligen Sammellust und der Grundhaltung, dass aller Besitz den Nachkommen möglichst vollständig vererbt wird: „Nein, wir haben noch nie etwas von diesen Dingen verkauft.” – „Tut mir leid, ich weiß nicht, welcher Stil das ist. Könnte Empire sein, auf jeden Fall ist es nicht mein Geschmack.”

Bei allem hochwohlgeborenen Werbetrommeln in eigener Sache ist da aber noch etwas anderes, nicht nur bei den Adelmanns, die bei ihren Schlossparkfesten auch stets andere Winzer der Region zum Zuge kommen lassen. Man zeigt nie nur auf sich, sondern auf die ganze Gegend, die in früherer Zeit das Herrschaftsgebiet war, und auf die Menschen, die in früherer Zeit Untertanen gewesen wären. Vielleicht auch aus Traditonsbewusstsein aus alter Gewohnheit.