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Eine Fahrradtour für Flaneure durch Oberbayern

Eine Fahrradtour für Flaneure durch Oberbayern

Zwischen Polling und Peiting folgt der Radweg den Schleifen der Ammer.
Zwischen Polling und Peiting folgt der Radweg den Schleifen der Ammer. Foto: dpa
Die Route reiht so viele Klöster, Schlösser und Naturschönheiten auf, dass man ständig anhält. Und öfter mal vom Weg abkommt.

Oberammergau. 

Dass es keine zügige Tour wird, ist schon am Anfang klar. Kaum ist man los geradelt, lockt der erste Abstecher. Denn wie kann man bloß achtlos am Kloster Ettal vorbeifahren? Wie die Barockfassade mit Türmen und Kuppel ignorieren? Wie die Deckengemälde mit den leuchtend bunten Gewändern der Heiligen auslassen?

Der Ammer-Amper-Radweg ist eine Tour für Flaneure. Um seine Reize auszukosten, muss man sich Zeit nehmen. Entlang der rund 200 Kilometer langen Route liegen derart viele Schlösser, Kirchen, Auenwälder, Seen, hübsche Altstädte und Bilderbuch-Dörfer, dass die in der Broschüre veranschlagten vier Tage knapp bemessen sind.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die Route 2019 als ersten Radweg in Oberbayern mit vier von fünf Sternen ausgezeichnet.

Das Werk eines Enthusiasten

Thomas Brückner darf also stolz sein. Der passionierte Radreisende aus Fürstenfeldbruck hat den Prachtweg vor gut 20 Jahren entworfen. „Es gab damals den Isarradweg und den Lechradweg, dazwischen war eine weiße Fläche“, sagt der 67-Jährige. Brückner reist seit 40 Jahren per Muskelkraft auf Fernradwegen. Für den Ammer-Amper-Radweg radelte er immer wieder die Straßen und Feldwege entlang der beiden Flüsse ab. Zusammen mit dem ADFC und Naturschützern arbeitete er die Route aus.

Am Ende stand ein Kompromiss. „Viele wollten nur am Fluss fahren“, erinnert sich Brückner. „Aber wenn man auch mal über Hügel radelt, sieht man das Alpenpanorama.“ Um es möglichst lange vor sich zu haben, rät Brückner, von Norden nach Süden zu radeln, also von Moosburg an der Isar bis nach Oberammergau. Den schönen Bergblick bezahlt man allerdings mit einigen knackigen Anstiegen. Die meisten starten deshalb im Süden. Dort, wo die Ammer entspringt.

Durch die bayerische Almidylle

Am Eingang des Graswangtals, wo schon der Märchenkönig Ludwig II. in seinem Schloss Linderhof weilte, quillt das Wasser in kleinen Becken inmitten des Moors empor. Nicht weit davon steht der erste Wegweiser mit dem Kürzel, dem man nun vier Tage lang folgt: AAR.

Zu Füßen steiler Bergflanken radelt man durch hohe Wiesen voller Wildblumen, vorbei an den Lüftlmalereien und geschnitzten Balkonen von Oberammergau. Und weiter im stetigen Auf und Ab durch die schönste bayerische Almidylle. Nur auf kurzen Abschnitten verläuft der Ammer-Amper-Radweg direkt neben einer Landstraße. Ab Peiting folgt er als Feldweg den Schleifen der Ammer.

Der Kunsttempel auf der Wiese

Wer für längere Pausen keine Muße hat, sollte zumindest einmal stoppen: an der Stoa169 , einem kontroversen Kunstprojekt auf einer grünen Wiese. Im Vorbeiradeln könnte man die Säulenhalle für das bunt geratene Fundament eines Parkhauses halten. Jede der Säulen ist ein Unikat: ein goldener Knoten und knallbunte Wellen, eine Holzfaust und ein Vorhang aus Seilen, Mosaike und Fotos, Geschnitztes und Bemaltes. Gestaltet wurden sie von Künstlern aus Ghana, Kirgistan, Kuba, Französisch-Polynesien, Israel und Australien.

Mit seiner Halle wolle er ein Zeichen setzen, erklärt Bernd Zimmer. Für Frieden, Grenzenlosigkeit, internationale Solidarität. Die Idee kam dem Maler vor 30 Jahren auf einer Reise durch Südindien. Gebaut hat der 73-Jährige seinen modernen Kunsttempel nahe Polling, wo er seit 35 Jahren lebt. Und nun viele Nachbarn verärgert hat.

Bauern und Bienenschützer ärgern sich, dass der Betonklotz an der Grenze zu einem Naturschutzgebiet ohne basisdemokratische Abstimmung durchgewunken wurde. Andere schimpfen über Größenwahn und Arroganz. Und über die Autos der vielen Besucher. Seit die Halle im September 2020 eröffnet wurde, kamen bereits 75.000 Gäste. Dabei wird die Halle erst im Laufe dieses Jahres vollendet.

Durchs Ammermoos zum Ammersee

Ob ein E-Bike auf dem Ammer-Amper-Radweg sinnvoll oder gar notwendig ist, bleibt eine Frage von Fitness und Geschmack. Auf den Hügeln der ersten Etappe wäre etwas Akku-Unterstützung jedenfalls angenehm.

Hinter Polling rollt man dann meist eben dahin, über Wiesen und Kornfelder bis nach Weilheim mit seiner schmucken Altstadt. Dann geht es durch die Feuchtwiesen im Ammermoos mit einem freien Blick auf die Alpenkette nach Dießen mit seinem berühmten Töpfermarkt.

Wer nach den Kirchen von Ettal und Rottenbuch noch nicht von barockem Prunk übersättigt ist, sollte die steile Straße mitten durchs Dorf zum Münster hinauf strampeln. Unter den gold- und stuckgerahmten Deckenfresken, dem prachtvollen Dießener Himmel, genießt man nach dem schweißtreibenden Anstieg die Kühle und Stille.

Die Villenviertel des Bauernsees

Der Ammersee steht immer im Schatten seines glamourösen Nachbarn, des Starnberger Sees. Bauernsee wird er bis heute manchmal genannt. Um hier zu leben, sollte man jedoch ein recht wohlhabender Bauer sein.

Auf dem Uferweg rollt man vorbei an hübschen Villen mit Walmdach und großzügigen Gärten. In Strandbädern fläzen Badegäste, am Kiesstrand schieben Segler ihren Katamaran ins Wasser. Über allem wacht auf einem Höhenzug der Zwiebelturm von Kloster Andechs.

Im Zickzack durch den Speckgürtel

Hinter dem Ammersee bleibt der Weg noch eine Weile idyllisch. Er windet sich durchs Ampermoos und quert die Amperschlucht bei Grafrath. Ab Fürstenfeldbruck aber schnürt der Münchner Speckgürtel die nun verwöhnten Radler zunehmend ein. Im Zickzack leiten die Wegweiser durch Vorstadt-Siedlungen.

Erst Dachau lohnt wieder einen längeren Stopp. Auf dem Künstlerweg spaziert man am Flussufer und durch die Altstadt vorbei an 18 Bildern der Maler, die sich um 1900 in Dachau versammelt hatten.

Holprige Schlussetappe

Maler wie Hochadel trieben sich bevorzugt im Dachauer Moos herum. Wer heute auf dem Ammer-Amper-Radweg weiter nordwärts radelt, streift nur noch letzte Reste davon. Meist fährt man durch Korn- und Maisfelder über Schotterwege. Der Amper begegnet man nur noch selten, und wenn, dann als einem oft begradigten Fluss. Dafür rollen die Räder ohne größere Aufstiege entspannt dahin. Das Ziel markieren die Kirchtürme von St. Kastulus und St. Johannes in Moosburg.

Gleich hinter der schönen Altstadt verläuft übrigens der Isarradweg. Falls jemand auf den Geschmack gekommen ist, kann er gleich wieder südwärts radeln – in Richtung Alpen. (dpa)