Wer den Ortsnamen Urk für sonderbar hält, sollte erst mal die Einwohner kennen lernen
Die Einwohner von Urk, sie haben schon einiges mitgemacht. Im 20. Jahrhundert wurde die Zuiderzee zum Binnenmeer degradiert, als 1932 der Abschlussdeich vollendet wurde. Unter dem neuen Namen Ijsselmeer verlor das Gewässer nun langsam seinen Salzanteil, wodurch sich die komplette Unterwasserwelt veränderte. Doch damit nicht genug – 1939 büßte das Fischerdorf durch die Trockenlegung des Nordostpolders auch noch seinen Status als Insel ein. Nun konnten die bis dato eher beargwöhnten Bewohner des Festlandes mühelos zu Besuch kommen. Und das eigene Jungvolk leichter an aufregendere Orte fliehen.
Die Urker ertrugen es mit Gleichmut. Auch heute noch verlassen sie mit ihren Fischerbooten den stattlichen Hafen, um auf Beutefang zu gehen. In den Gassen des Dorfes, das mit seinen Neubaugebieten heute 18 000 Einwohner zählt, grüßen sich die Bewohner beim Vornamen. Und abends lauschen sie einem der 20 aktiven Chöre. Besonders kurios: die Frauen putzen mit unermüdlichem Eifer jeden Tag die großen Fenster. Reinlichkeit gilt in dem sehr religiösen Dorf als unverzichtbare Tugend.
Den meisten Niederländern ist Urk vor allem wegen der ausgeprägten Religiosität seiner Bewohner ein Begriff. Die Ortschaft in der Provinz Flevoland gilt als frommste Gemeinde unseres Nachbarlands. Das Städtchen zählt 17 Kirchen – allesamt protestantisch-calvinistisch. Der strenge Glaube bewirkt, dass die Bewohner pro Kopf mehr für wohltätige Zwecke ausgeben, als alle anderen Europäer. Zudem ist die Geburtenrate mit 3,23 Kindern pro Frau die höchste der ganzenNiederlande.
Einer Legende zufolge werden die vielen Kinder nicht beim Geschlechtsakt gezeugt, sondern von einem Storch auf einem Felsen vor Küste abgelegt. Zu diesem „Ommelebommelestien” müssen die Männer hinrudern, um die Neugeborenen abzuholen. All dies erzählt Jaap Koffeman, während er Besucher durch seinen Geburtsort führt. Dabei sagt er stets „op Urk”. „Auf Urk”. Als wäre es noch immer ein Eiland. Wie zur Bestätigung ergänzt er, dass „für viele das Inselgefühl weiterlebt”.
Diese Haltung sowie das Festhalten an Glaube und Tradition hat den Urkern über die Grenzen hinaus ein kauziges Image beschert.Dem touristischen Interesse tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil: Etwa 250 000 Besucher kommen jährlich, vor allem Segler und Tagesausflügler. Mittlerweile, so Koffeman, aber haben die ehemaligen Insulaner Gefallen daran gefunden, Besucher vom Festland über Nacht zu verwöhnen: Mit „De Roos van Saron” lockt ein romantisches Bed & Breakfast. Und im Restaurant „Mes Amis” interpretiert Chefkoch Cees Kramer alte Urker Rezepte neu.