Der Traum vom Segeln muss nicht unerschwinglich sein
Segeljachten vermitteln ein Gefühl von Freiheit. Tatsächlich ist es gar nicht so schwer oder teuer, den Traum vom Jachtsegeln zu verwirklichen.
Portoferraio.
Mit atemberaubender Schräglage stampft die Segeljacht durch die Wellen auf den Hafen von Portoferraio zu. Am Heck steht eine Frau in blauen Shorts und weißer Bluse seelenruhig hinter einem großen Steuerrad. Souverän steuert sie das Boot auf die Hauptstadt der Insel Elba zu.
Erstmal einen „Anlegeschluck“
Kurz vor der Hafeneinfahrt werden Segel gerefft und Fender an der Reling befestigt. Leise wummernd gleitet die Jacht jetzt mit Motorkraft am achteckigen Torre del Martello vorbei, unterhalb der Festung in das Jahrhunderte alte Hafenbecken und schließlich rückwärts in eine Lücke zwischen zwei anderen Booten. Kaum ist das Schiff mit Leinen an der Hafenmole gesichert, klirren an Bord auch schon die Gläser.
„Anlegeschluck“ heißt das unter Seglern. Die Crew vom Nachbarboot prostet der braun gebrannten Skipperin freundlich zu. Neugierig schauen die im Straßencafé gegenüber sitzenden Urlauber dem „spettacolo“ auf den Booten zu. „Wie lange das wohl dauert, bis man so eine Jacht segeln kann?“, fragt ein Mann an einem der Tische seine Begleiterin. Diese antwortet: „Segeln lernen dauert sicher ewig, und außerdem sind Boote wahnsinnig teuer!“
Charterboote nicht teurer als ein Hotelzimmer mit Meerblick
Ein weit verbreitetes Vorurteil, meint Jochen Rieker. Der Chefredakteur des Segelmagazins „Yacht“ räumt zwar ein, dass manche Schiffe ein Vermögen kosten, Charterboote aber nicht mehr als ein Hotelzimmer mit Meerblick. „Diejenigen, die ein eigenes Boot unterhalten, kaufen überwiegend gebrauchte – für den Gegenwert eines Motorrads oder eines Wohnmobils.“ Tatsächlich bieten große Charterunternehmen ihre Jachten schon zu Ferienwohnungspreisen an. „Eine Jacht für bis zu sechs Personen kostet im April ab 588 Euro pro Woche“, gibt Sunsail-Sprecherin Katja Meinken-Wiedemann an.
„Yacht“-Chefredakteur Rieker glaubt ohnehin nicht daran, dass sich Interessierte von den vermeintlich hohen Kosten abschrecken lassen. „Was das Segeln elitär erscheinen lässt, ist meines Erachtens eher, dass es nicht jeder kann.“ Die Kenntnisse und Fähigkeiten sind allerdings leichter zu erlernen, als viele denken.
Mitsegeln als Einstieg
Viele Bootsbesitzer nehmen auf ihren Törns Mitsegler gegen eine überschaubare Gebühr mit, um zumindest einen Teil der Instandhaltungs- und Liegekosten für ihre Boote abzudecken. Für Rieker ist das Mitsegeln bei solchen Skippern oder professionellen Anbietern von Mitsegeltörns wie zum Beispiel Schnuppersegeln.de der ideale Einstieg. Siebenstündige Tagestörns auf der Ostsee kosten dort nur 100 Euro, einen sechstägigen Törn gibt es ab 350 Euro.
„Wenn es beim Mitsegeln ‚Klick‘ macht, dann ist eine fundierte Segelausbildung der nächste Schritt“, erklärt Rieker. Die lässt sich bei Segel-Clubs oder -Schulen absolvieren – auch in Urlaubsregionen wie Elba, wo zahlreiche Segelschulen beheimatet sind. Zu den größten zählt das Segelzentrum Elba des deutschen Paares Helga und Gereon Verweyen in Bagnaia. Einer ihrer Ausbilder ist Andreas Lehn.
Sportboot-Führerschein See ist obligatorisch
Der Deutsche lebt seit vielen Jahren auf der drittgrößten Insel Italiens. Mit den Kursteilnehmern steuert er auf der Schulungsjacht von Bagnaia aus an Dutzenden, oft nur vom Meer aus zugänglichen Badebuchten vorbei auf das Meer. Lehn kennt den toskanischen Archipelwie seine Westentasche – Korsika, Capraia und Giglio, die Häfen von San Vincenzo am Festland und Porto Santo Stefano auf der Halbinsel Monte Argentario. Der Deutsche ist Mitglied im Prüfungsausschuss des Deutschen Segler-Verbands (DSV) auf der Insel.
Dieser nimmt die vom Bundesinnenministerium vorgeschriebenen Führerscheinprüfungen in Theorie und Praxis ab. Der Sportboot-Führerschein See ist obligatorisch für alle deutschen Segler, die mit Jachten mit mehr als 15 PS starken Motoren an den Küsten unterwegs sind. Rund 65.000 Menschen machen den Schein in Deutschland pro Jahr. Mit einem Lehrbuch oder einem Online-Kurs lässt sich die Theorie in ein paar Wochen lernen. In der Prüfung müssen 30 Fragen im Multiple-Choice-System aus einem Katalog von knapp 300 Fragen beantwortet werden und neun Navigationsaufgaben auf Seekarten. Die Praxis-Prüfung ist dagegen ein Witz.
Den Sportküstenschifferschein machen
Kein Wunder, dass Bootsverleihern dieser SBF oft nicht reicht. Die meisten Vercharterer verlangen den Sportküstenschifferschein (SKS). Der beinhaltet sehr viel mehr Theorie und vor allem Praxis. „Erst in SKS-Kursen lernen viele Jachtsegelschüler segeln“, sagt Lehn.
Vier Tage hat er Zeit, um seine Prüflinge, die alle schon mindestens 300 Seemeilen gesegelt sein müssen, auf die praktische Prüfung vorzubereiten. Das Wichtigste aber ist das Mensch-über-Bord-Manöver. Beim Üben muss die Crew innerhalb weniger Minuten in der Lage sein, eine ins Meer geworfene Boje mit vorgeschriebenen Manövern wieder an Bord zu bringen. Im Ernstfall bestehe akute Lebensgefahr, betont Lehn. Deshalb würden diese Manöver besonders intensiv geübt – und in der Prüfung ganz kritisch bewertet.
Wer glaubt, die Prüfer wären in Urlaubsregionen nachsichtiger, täuscht sich. „Im Schnitt fallen auf Elba 20 bis 30 Prozent durch“, sagt Lehn. Er findet es gar nicht schlecht, dass seine Kursteilnehmer auch mal herausgefordert werden, denn Skipper in spe müssen nervenstark sein. Und mit einer guten Portion Übung können sie ihre Jacht auch genauso souverän anlegen wie die Skipperin in Portoferraio. (dpa)