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Philipp Hofmann führt in London ein neues Fußball-Leben

Philipp Hofmann führt in London ein neues Fußball-Leben

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Foto: WP
Philipp Hofmann kickte schon für Schalke und Kaiserslautern. Seit dem Sommer spielt er in der zweiten englischen Liga beim Brentford FC. Ein Besuch.

London. 

Die letzten Schritte dicht heran an die raumhohe Fensterfront kosten ihn Überwindung. Seit gut einem halben Jahr lebt Philipp Hofmann in seiner Wohnung hoch über den meisten Dächern des Londoner Stadtteils Brentford, im elften von insgesamt 25 Stockwerken eines ultra-modernen Hochhauses. Aber so dicht an der Glasfassade, dass er nach unten schauen kann, hält sich Hofmann äußerst ungern auf. „Ich habe Höhenangst“, sagt er, grinst verlegen, wuschelt sich mit der rechten Hand durch die blonden Haare – und geht ein paar Schritte zurück. Vorsichtshalber.

Natürlich weiß auch der gebürtige Arnsberger diesen exklusiven Blick auf die City of London zu schätzen und zu genießen – auf der Ledercouch im Wohnzimmer sitzend. Etwas ist von dort jedoch nicht im Blickfeld. Etwas, das auch ihm als Antrieb dient. Etwas, das selbst aus der Ferne diese gewisse Magie ausstrahlt. Das Wembley-Stadion.

Hofmann erfüllte sich Traum

Wenn Philipp Hofmann diesen Fußball-Tempel sehen möchte, und das ist selbst an einem diesigen Morgen wie diesem möglich, muss er auf die schmale „Terrasse“ seiner rund 90 Quadratmeter großen Wohnung gehen – nach seiner Empfindung ein ­wenig ins Risiko, ­obwohl das ob des Sicherheitsglases natürlich grober Unfug ist.

Ein viel, viel höheres Risiko birgt die Entscheidung, die Hofmann im vergangenen Sommer trifft. Nach einem Jahr beim Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern wechselt der 22-Jährige für kolportiert zwei Millionen Euro Ablöse zum Brentford FC – in die zweite englische Liga, die so genannte Championship. „In England zu spielen, war schon immer mein Traum“, sagt der großgewachsene Mittelstürmer und blickt Richtung Wembley. In der Premier League, klingt in seinen Worten mit. Weil sich der beim FC Schalke 04 ausgebildete Sauerländer in den vergangenen drei Jahren aber weder beim SC Paderborn noch beim FC Ingolstadt oder in Kaiserslautern durchsetzt und ein Wechsel zu Darmstadt 98 scheitert, sieht die Realität heute anders aus.

Zu Fuß zum Stadion

So erhaben, wie das 2007 eröffnete neue Wembley-Stadion in der Ferne thront, so ramponiert schmiegt sich der Griffin Park mit seinem roten Wellblechdach gut fünf Fußminuten entfernt von Philipp Hofmanns Quartier in die typisch britische Wohnsiedlung. Einzig die vier Flutlichtmasten, die an alte Träger von Überland-Stromleitungen erinnern, weisen auf die baufällige Heimat der Bees, der Bienen aus Brentford, hin. Eine Stunde vor dem Beginn des Spiels gegen Huddersfield Town schlendern die Fans gelassen in Richtung der Eingänge oder singen sich in den vier Pubs an jeder Ecke des Stadions warm.

Philipp Hofmann wärmt sich ebenfalls auf – im Kreis der Ersatzspieler. Den 4:2-Erfolg erlebt der ehemalige deutsche U21-Nationalspieler auf der Bank sitzend.

Den Stammplatz zurückerkämpfen

„Eine etwas schwierige Phase derzeit“, murmelt er während des Fußwegs zurück zu seiner Wohnung. Zu Saisonbeginn gehört Hofmann zur ersten Elf seines neuen Klubs, dann fällt er wegen einer Bauchmuskelzerrung aus und muss sich nun die Gunst des neuen Trainers Dean Smith in Kurzeinsätzen und beim Training zurückerkämpfen. „Ich will mich hier durchsetzen“, sagt er. „Wir haben noch so viele Spiele, da werde ich oft genug von Anfang an spielen.“ Spielen und treffen. Drei Tore stehen nach den bisherigen 22 Partien für ihn zu Buche – eine Saison in der Championship besteht aus 46 Matches plus eventueller Aufstiegs-Play-offs. Deren Finale übrigens im Wembley-Stadion ausgetragen wird.

Es ist dunkel geworden in Brentford. Und frisch. Hofmann wirft sich die Kapuze seines roten Vereins-Kapuzenpullis über den Kopf. Im Pub „Princess Royal“ feiern die Fans den Erfolg des Tabellenzehnten, vor dem „New One“ harren noch einige Anhänger aus. Als sie ihre Nummer 11 erkennen, rufen sie Hofmann aufmunternde Worte zu. „Es ist zwar etwas altmodisch hier“, erzählt der Sauerländer, der sein Schulenglisch mit einem Sprachkurs alltagstauglich werden ließ, „aber die Menschen leben den Fußball richtig.“

Der Traum vom Aufstieg in die Premier League

Sie alle eint ein Ziel: Der Aufstieg aus der vielleicht härtesten Liga der Fußball-Welt in die vor Finanzkraft strotzende Premier League. „Das wäre schon cool, wenn wir das schaffen“, sagt Philipp Hofmann.

Einen neuen, statt jetzt 13 000 rund 30 000 Zuschauer fassenden Griffin Park lässt Brentfords Besitzer Matthew Benham, der mit einer Wettfirma reich wurde, bereits bauen. Philipp Hofmann sieht die Baustelle von seiner Wohnung aus. Statt nördlich in Richtung Wembley muss er leicht gen Osten schauen.

Die familiäre Atmosphäre wahren

Benham feierte mit seinem zweiten Klub, dem FC Midtjylland, im Sommer in Dänemark erstmals die Meisterschaft. Dieses Ziel thront auch über dem langfristigen Plan für den Brentford FC, der als einer der seriösesten Klubs der Championship gilt, in der viele Vereine für den Traum Premier League kräftig ins finanzielle Minus gehen.

Brentford zahlt zwar ebenfalls gut, ist aber stets darauf bedacht, die familiäre Atmosphäre zu wahren. Eine ehemalige kleine Kirche ist das einzige Mehrzweckgebäude am Trainingszentrum. Was nicht hineinpasst, findet sich wie etwa die Fitnessgeräte oder Massagebänke in Containern wieder. Und über die gepflegten Rasenplätze dröhnen im gefühlt Zwei-Minuten-Takt Flugzeuge mit ausgefahrenen Fahrwerken, die wenige Augenblick später in Heathrow landen. Gespräche pausieren dann, oder müssen lautstark geführt werden.

Freundin zieht nach London

Das alles schaut sich Philipp Hofmann im Sommer an, bevor er seinen Dreijahres-Vertrag unterschreibt. Das alles reizt ihn. Die Möbel aus seiner Kaiserslauterner Wohnung deponiert er in einer Garage in Winterberg und wagt den Schritt in die neue Selbstständigkeit in der Millionen-Metropole, deren Vorzüge oder deren Nachtleben er als Fußball-Profi nicht so genießt, wie es Altersgenossen tun.

Im kommenden Jahr reist seine Freundin Chantal Schnurbus nicht mehr nur für einige Tage aus dem Sauerland zu ihm, sondern beginnt ein Studium in London. Einsam fühlt sich Philipp Hofmann dank einiger Kollegen, die nebenan wohnen, aber auch jetzt nicht. Zur Not, wenn die Sehnsucht zu groß wird, wagt er sich an die gläserne Außenwand seiner Wohnung – und schaut auf das Wembley-Stadion.