Veröffentlicht inFussball

Linda Dallmann: Von Omas Rasen zur Fußball-EM der Frauen

Linda Dallmann: Von Omas Rasen zur Fußball-EM der Frauen

Linda-Dallmann-DFB.jpg
Essens Linda Dallmann im Einsatz für das deutsche Nationalteam. Foto: Getty Images
  • Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft spielt in den Niederlanden um den EM-Titel
  • Linda Dallmann aus Essen ist mittendrin

Sint-Michielsgestel. 

Ihr fußballerisches Vorbild? Da muss Linda Dallmann nicht lange überlegen: Mario Götze von Borussia Dortmund. Die Größenordnung scheint angemessen. Die 22-Jährige aus Hünxe ist eine der deutschen Turnier-Debütantinnen, die bei der Frauenfußball-EM in den Niederlanden überzeugen. Gegen Italien (2:1) wurde die Technikerin des Bundesligisten SGS Essen als Spielerin des Spiels ausgezeichnet. Im Viertelfinale gegen Dänemark (20.45 Uhr/ZDF) könnte sie heute wieder von Beginn an spielen.

Frau Dallmann, im deutschen Quartier haben alle Spielerinnen ein Einzelzimmer. Es herrscht Behaglichkeit und Ruhe. Sie sind mit sechs Geschwistern am Niederrhein aufgewachsen. Da sind Sie vermutlich Turbulenteres gewöhnt.

Linda Dallmann: Ja, da war ordentlich was los. In jedem Urlaub ist irgendetwas passiert. Der eine hatte eine Platzwunde, der nächste hatte das. Aber ich bin sehr dankbar für meine Kindheit; was ich da alles erleben durfte. Das prägt einen enorm. Und das Beste ist, dass ich zu meinen Zwillingsschwestern und vier Brüdern noch allerbesten Kontakt habe.

Hatten Sie Zuhause ein eigenes Zimmer?

Dallmann: Ich hatte Glück. Alle anderen mussten sich ein Zimmer teilen. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich zu dieser Ehre kam.

Wären Sie ohne Ihre Geschwister – vier Brüder, zwei Schwestern – eine so gute Fußballerin geworden?

Dallmann: Auf keinen Fall. Alleine wäre meine Entwicklung so nicht möglich gewesen. Meine Zwillingsschwestern haben mir vor allem das Fußballerische beigebracht, meine Brüder das Athletische. Wir haben miteinander oder gegeneinander gespielt. Uns ist immer etwas eingefallen. Alle hatten einfach jeden Tag Bock, Fußball zu spielen. Wir haben oft auf die Hecke unserer Mama gespielt, die davon nicht begeistert war. Dann sind wir zur Oma in den Garten, die bald keinen Rasen mehr hatte (lacht).

Ihre Schwestern Jule und Pauline haben es mit dieser Art Ausbildung bis zum Bundesliga-Absteiger Borussia Mönchengladbach gebracht.

Dallmann: Sie sind beide fertig mit dem Abitur, die eine macht eine Ausbildung, die andere geht zur Polizei. Dass sie beide nur noch zweite Frauen-Bundesliga spielen, kommt ihnen daher entgegen.

Wer war denn bei der Frauen-EM aus der Familie schon zum Zuschauen da?

Dallmann: Meine Eltern waren eine Woche zu den ersten beiden Gruppenspielen da und hatten sich für eine Woche ein Haus gemietet. Gegen Russland waren zwei Brüder und meine Schwestern da. Jetzt gegen Dänemark wurde es schwierig, weil es im Internet keine Karten mehr gab. Aber über unseren Verband kommen wir ja an Karten, und ich konnte meinen aufgeregten Vater beruhigen, dass er zum Viertelfinale kommen kann.

Sie haben auf der ersten Pressekonferenz gesagt, Sie haben sich gar nicht getraut, Kapitänin Dzsenifer Marozsan anzusprechen. Reden Sie jetzt miteinander?

Dallmann: Natürlich. Sie ist nicht der Typ, der einem ständig das Ohr vollquatscht. Beim Fifa-Computerspiel haben wir schon einige Partie bestritten. Am liebsten kommuniziere ich mit Maro auf dem Platz, wenn der Ball im Spiel ist. Da verstehen wir uns am besten.

Wie spüren Sie die Aufmerksamkeit, dass Ihnen auf einmal sechs, sieben Millionen am Fernsehschirm zusehen?

Dallmann: Es kommen viele Leute auf einen zu. Nach dem Italien-Spiel hatte ich ganz viele Nachrichten von lieben Menschen, die ich gar nicht kannte. Ich habe versucht, am nächsten Tag allen zu antworten.

Was verbindet Sie mit dem heutigen Viertelfinalgegner Dänemark?

Dallmann: Ich war nur einmal dort. Als wir eine U19-Qualifikation in Dänemark gespielt haben und meine Eltern dort Urlaub gemacht haben. Die fanden es super schön, nur ich habe von dem Land nicht so viel gesehen. Vom Gegner kenne ich natürlich Pernille Harder. Wie ich in der Bundesliga gesehen habe, ist sie schon eine sehr gute Spielerin…

Es geht heute auch darum, überhaupt in die Prämienränge zu kommen. Was würden Sie mit 37 500 Euro Titelprämie tun?

Dallmann: Da ich jemand bin, der Geld dann für irgendeinen Mist ausgibt, packe ich es am besten gleich weg. Aber ehrlich: Da mache ich mir keine Gedanken.

Es ist vermutlich mehr als ihr ganzes Jahresgehalt bei der SGS Essen. Können Sie vom Fußball leben?

Dallmann: (überlegt lange) Momentan mache ich es eigentlich, weil ich ja noch Sportwissenschaften studiere. Man kann sich nicht so viel nebenbei leisten und auch erstmal nichts zurücklegen.

Bei dieser EM demonstrierten gerade Nationen wie England ihre großen Fortschritte, die darauf zurückgehen, dass auch die nationalen Ligen teils erstaunliche Entwicklung durchlaufen. Würde Sie das Ausland reizen?

Dallmann: Ich finde auf jeden Fall die englische Liga interessant. Die Entwicklung ist enorm und die Bedingungen bei einigen Vereinen phänomenal. Das würde mich auf jeden Fall interessieren. Aber ich habe ja noch einen Vertrag in Essen, den ich auch erfülle.