Bei Wechselwünschen setzen Fußballprofis häufig ihre Interessen durch. Klaus Allofs sagt: Solidarität unter Klubs ist nicht zu erwarten.
Dortmund.
Philippe Coutinho hat es schon geschafft. Aus Spanien wird übermittelt, dass der Brasilianer am Donnerstag erstmals für seinen neuen Verein, den FC Barcelona, spielen könnte. Pierre-Emerick Aubameyang ist noch nicht so weit. Er trainierte am Dienstag bei Borussia Dortmund. Noch immer gibt es offenbar keine Einigung mit dem FC Arsenal, dem Klub, zu dem der Torjäger gern wechseln würde. Noch im Januar. Jedes Verhalten scheint ihm recht, dieses Ziel zu erreichen. Er brüskierte den Verein zuletzt so gut er konnte. Wie Coutinho, der Anfang des Jahres nach einer Art Boykott für 163 Millionen Euro aus Liverpool wegtransferiert wurde. Ziel erreicht. Wie Ousmane Dembele, der dem Training in Dortmund im Sommer fernblieb – und ebenfalls nach Barcelona wechselte.
Die Fälle scheinen sich zu häufen. Störrische Spieler, ohnmächtige Vereine. Ist das so? Warum gibt es das derzeit so oft? Und was hilft dagegen?
Allofs erinnert an wechselwilligen Draxler
Klaus Allofs hat eine Ahnung. Er hat einen frühen Fall am eigenen Leib erfahren, als Julian Draxler den Verein Anfang 2017 verlassen wollte. Der damalige Geschäftsführer des VfL Wolfsburg verbot es, der Nationalspieler machte öffentlich Ärger – und konnte kurze Zeit später nach Paris wechseln. „Das System gibt ein solches Verhalten her. Es wird mittlerweile fast als salonfähig oder gar als Recht des Spielers verstanden. Der Markt mit seinen verrückten Verdienstmöglichkeiten und die Klubs, die bereit sind, diese Spieler zu verpflichten, fördern diese Verhaltensweisen“, sagt Allofs dieser Zeitung. In so einem Fall wie Draxler, sei es „schwer, konsequent zu bleiben. Es gibt ja auch einen wirtschaftlichen Aspekt, gegen den dann die eigene Prinzipientreue abzuwägen ist. Das ist eine schwierige Situation, in der man sich als Verein windet, letztlich aber machtlos ist.“
Machtlos? Bislang sieht es so aus. Matthias Sammer ruft die Vereine deshalb zu Solidarität auf. „Auf Dauer, vor allem wenn diese Tendenz weiter erkennbar ist, muss es zur Gemeinsamkeit, zum Miteinander kommen“, empfahl der frühere Nationalspieler und Bayern-Sportvorstand in einem Eurosport-Interview. Allofs sagt: „Von Solidarität unter den Klubs kann man träumen, erwarten darf man sie nicht. Erst wenn es eine klare Haltung der Öffentlichkeit – insbesondere der Fans – zu diesem Verhalten gibt, könnte sich etwas verändern. Aber der Aufschrei hält in den meisten Fällen nur so lang, bis man selber von einer ähnlichen Situation profitiert.“ Das ist das Problem. „Ich möchte nicht die Rolle des Moralapostels einnehmen. Das Geschäft ist eben so und eine Veränderung ist nicht in Sicht“, sagt Allofs. Jens Todt, amtierender Amtskollege beim Hamburger SV, sagt: „Diese Fälle gab es früher auch schon. Doch anders als früher ist heute wahnsinnig viel Geld im Spiel, was es für die Klubs noch schwieriger macht, einen streikenden Spieler auszuhalten. Man darf nicht vergessen, dass die Spieler auch Werte für die Clubs darstellen, die sich nicht vernichten dürfen.“
VDV-Geschäftsführer: „Rechtlich haben die Klubs alle Trümpfe in der Hand“
Machtlos? Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV), sieht es anders. „Rechtlich haben die Klubs alle Trümpfe in der Hand. Es gilt der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind“, sagt er. Fehlverhalten könne sanktioniert werden. „Die Erfahrung lehrt auch, dass derartige Spielchen spätestens nach Ende der Transferperiode vorbei sind. Dass ein Spieler dann nach einem nicht realisierten Transfer absichtlich schlecht spielt, ist realitätsfern.“ Prämien gingen flöten, der Marktwert falle.
Baranowsky kann derzeit auch keinen Trend zum Boykott erkennen. „Es sind immer nur wenige Einzelfälle, das war auch in der Vergangenheit so.“ Viel eher ermahnt er die Klubs zu ordentlichem Umgang. Schließlich würden die sich bei unliebsamen Arbeitnehmern auch nicht zimperlich verhalten. „Unter dem Strich wiegen die Verfehlungen der Klubs sogar deutlich schwerer, sei es beispielsweise eine Trainingsgruppe II wie damals in Hoffenheim oder eine illegale Suspendierung wie die von Felix Bastians in Bochum in der laufenden Saison.“ Seine Klientel schützt der Vorsitzende: „Es ist sicherlich falsch, den Spielern einseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Denn diese befinden sich als Spielball in einem Spinnennetz von Klubs, Beratern und Vermittlern, die allesamt ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen durchsetzen wollen.“
Thomas Kroth ist Spielerberater, zu seinen Klienten gehören Manuel Neuer, Shinji Kagawa und Sebastian Rode. Zugleich ist Kroth Präsident der Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung (DFVV). Den Einfluss der Spielerberater kann und will auch er nicht abstreiten. „Hinter solchen Fällen stecken ja nicht immer die Spieler allein, sondern manchmal auch Berater, die Druck ausüben und einen Wechsel vielleicht durchdrücken wollen“, sagt der frühere BVB-Profi.
Kroth: „Es war ein Fehler, Lizenzierung für Berater abzuschaffen“
Uefa-Präsident Aleksander Ceferin meint, viele europäische Klubs fühlten sich derzeit wie „Geiseln der Berater“. Die Situation „ist jetzt am schlimmsten“, sagte der Slowene der englischen Zeitung Telegraph und prangerte das oberflächliche Lizenzierungssystem an: „Man kann – übertrieben gesagt – gleichzeitig Auftragskiller und Spielerberater sein.“
„Da bin ich zu 100 Prozent bei Herrn Ceferin. Es war ein Fehler, die Lizenzierung für Spielerberater abzuschaffen“, sagt Kroth, der mit seiner Vereinigung derzeit in Absprache mit Deutscher Fußball-Liga und Deutschem Fußball-Bund an einem Konzept der Weiterbildung arbeitet, „das jährliche Seminare für Spielerberater verpflichtend macht, um die Qualität in dem Bereich zu erhöhen“.
Aber Kroth nimmt auch die Vereine in die Pflicht. „Ich will die Vereine nicht kritisieren, aber vielleicht müssen sie manches Mal noch genauer hingucken, welchen Typ Spieler sie verpflichten, welchen Berater er hat, wie das Umfeld ist. Das könnte das Risiko zumindest ein wenig minimieren. Und wenn man feststellt, dass alles nicht so in Ordnung ist, dann muss man vielleicht sagen: Er hat zwar eine gewisse Qualität, aber wir machen es nicht.“ Aber dieser Zustand dürfte noch weit, weit weg sein.