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Britische Rockband „Kasabian“ – Zwei wie Pech und Schwefel

Britische Rockband „Kasabian“ – Zwei wie Pech und Schwefel

Seit zehn Jahren veröffentlicht die englische Rockband Kasabian Alben. Mit „48:13“ ist Anfang Juni bereits ihr fünftes Studioalbum erschienen. Das Herz der Gruppe bilden Tom Meighan und Sergio Pizzorno. Im Interview sprechen sie über ihre Gegensätzlichkeit und die Entmystifizierung des Rock’n’Roll.

Berlin. 

Bei Kasabian sind die Aufgaben klar verteilt: Sergio Pizzorno schreibt die Songs, Tom Meighan singt sie. Und wenn man die Herren mal in einem Zimmer erlebt hat, ist es gar nicht verwunderlich, warum das so prima funktioniert. Pizzorno, der Mann mit der guten Frisur, ist ein sehr ruhiger Geselle, Meighan ein hibbeliger Energieball. Die beiden Köpfe von Kasabian kennen sich, seitdem sie 17 sind, und ergänzen sich bestens. Seit zehn Jahren veröffentlicht das Quartett aus dem englischen Leicester schon tolle Alben. Mit „48:13“ erscheint nun ihr bereits fünftes Werk, das sie endgültig in die Topliga der Rockbands katapultieren dürfte. Wir haben die beiden im Berliner Grand Hyatt Hotel getroffen.

Mr. Pizzorno, Mr. Meighan, wie passen ein Energiebündel und ein tiefentspannter Zeitgenosse eigentlich zusammen?

Tom Meighan: „Serge“ ist derjenige, der mich runterholt. Er kann immer nur eine gewisse Dosis von mir vertragen, weil er so Zen ist, aber wir kommen gut klar. Er ist ein Teil von mir. Er ist wie ich – nur in länger! Ich bin mit ihm seit Teenagerjahren aufgewachsen. Heute sind wir 33, das ist eine verdammt lange Zeit. Ich kann Serge auch außerhalb der Band immer anrufen. Er hilft mir…

Sergio Pizzorno: Ja, zum Beispiel aufzustehen, wenn du angetrunken hingefallen bist! Aber mal im Ernst: Wir führen oft tiefsinnige Gespräche. Die Basis unserer Freundschaft ist aber immer noch der Humor. Wir haben uns die Eigenschaft erhalten, die witzige Seite in den absurden Dingen einer Band zu sehen.

Mr. Pizzorno, Sie tragen den Titel des neuen Kasabian-Albums auf Ihrem T-Shirt. Warum haben Sie erst so ein Geheimnis um „48:13“ gemacht?

Pizzorno: Weil es heutzutage keine Geheimnisse mehr gibt! Wir leben in einer Welt, wo jeder immer gleich alles wissen will. Das entmystifiziert den Rock’n’Roll!

Kasabian haben den Albumtitel lieber auf eine pink angemalte Häuserfassade im Osten von London gepinselt.

Pizzorno: Stimmt! Das Haus ist in London fast schon so eine Sehenswürdigkeit wie die Abbey Road Studios! Ständig bleiben Leute auf der Straße davor stehen und machen Fotos davon.

Und deshalb ist das Albumcover der neuen Kasabian-Platte nun auch Pink?

Pizzorno: Das ist doch eine wundervolle, mächtige Farbe! Pink ist eine Pose des Punk. Die Farbe ist sexy, sie wird auch gerne mit der Schwulenszene in Verbindung gebracht – deshalb ist sie überhaupt von der Punkszene adaptiert worden. Kasabian werden als sehr maskuline Band gesehen. Also benutzen wir dieses schöne Pink, um das Bild von uns ein bisschen aufzumischen.

Meighan: Es wird himmlisch aussehen, wenn wir erst mal eine pinke Vinyl-Scheibe unseres Albums in den Händen zu halten. Das war die Vision!

Ich habe mir natürlich Ihr neues Album angehört.

Meighan: Sie lieben es doch, oder? Ist Serge nicht ein Genie? Er hat das alles zusammengebastelt. Die Musik, die verschiedenen Elemente. Serge, du bist ein verdammtes Genie! Ein richtig kluger Typ! Ja, das bist du!

Die Platte klingt ziemlich abgefahren. Da gibt es von psychedelischen Klangorgasmen über Spaghetti Western bis hin zu Beach-Boys-ähnlichen Harmonien so viel zu entdecken. Gibt es Tricks, Songs interessant zu machen?

Pizzorno: Klar! Ich denke im Studio immer an die Leute, die die Platte später über Kopfhörer zum ersten Mal hören. Sie sollen sagen: „Was ist denn das? Was geht da vor sich?“ Nur wenn du es schaffst, deine Musik spannend zu halten, garantiert es deiner Band Langlebigkeit. Ich denke, wir haben mittlerweile eine eigene musikalische Sprache erschaffen, die Kasabian heißt.

Meighan: Es ist ein bisschen wie bei Pink Floyd und „The Wall“. Die Songs sind abstrakt und obskur, aber gleichzeitig auch wunderschön. Es ist clever gemachte Musik. Denn hinter der Durchgeknalltheit verbergen sich diese großartigen Rock’n’Roll-Songs und Melodien. Das vergessen die Leute oft! Das macht mich dann immer richtig wütend! Denn jeder kann für 30 Minuten ein paar stampfende Beats aneinanderreihen – das könnte sogar ich! Aber richtige seelenvolle Songs daraus machen, das kann nur Serge.

Sie sollen neue Musik ja immer an Ihrem Sohn Ennio austesten, Mr. Pizzorno. Auch diesmal?

Pizzorno: Natürlich! Der Titel „Bumblebee“ heißt so, weil die Musik des Songs meinen Sohn an eine summende Biene erinnerte. Das ist doch wundervoll! Die Wahrnehmung von Musik durch ein Kind ist doch die purste überhaupt. Ennio hat keine Ahnung von Konzepten oder so. Aber wenn ich ihm einen Song vorspiele, und er mag ihn, landet der fast immer auf der Platte. Die, die er nicht mag, werden oftmals verworfen. Das sagt einiges.

Kasabian sind eine der wenigen Rockbands ihrer Generation, die überlebt haben!

Pizzorno: Stimmt! Da säumen viele Tote unseren Weg (lacht). Wenn man sich heute Musikmagazine von vor fünf Jahren anguckt, kann man sich an die meisten Bands nicht mal erinnern! Meine Hoffnung ist, dass diese Platte die Wahrnehmung von Rockmusik verändern wird. Wenn ein 15-Jähriger unsere Songs hört, denkt er vielleicht völlig anders über Gitarrenmusik. Es müssen ja nicht immer dieselben Akkorde und Sounds sein. Da ist eine ganze musikalische Welt, die noch erforscht werden kann. So was wie unser Album habe ich jedenfalls schon lange nicht mehr gehört.

Ich liebe es, dass Sie so große Fans von sich sind!

Meighan: Ich bin wirklich Serges größter Fan. Das erzähle ich auch jedem!

Pizzorno: Das hat bei uns aber nichts mit Arroganz zu tun. Warum sollten wir die Qualen einer Albumproduktion auf uns nehmen, wenn wir am Ende nicht stolz auf das Ergebnis sein dürfen?

In der anstehenden Festivalsaison dürften die vielen Trinklieder der Platte für erhöhten Bierkonsum sorgen!

Pizzorno: Es sind sehr hedonistische Songs – auf gewisse Weise ist das unser Markenzeichen. Wir schreiben Lieder für Leute, die die Woche über hart arbeiten müssen und mitunter sogar ihres Lebens überdrüssig sind. Alltagsflucht war immer schon ein gutes Motiv für Rock’n’Roll. Wir machen den Soundtrack, die den Leuten gut tut. Bei uns dürfen sie auch noch auf ihrem Grab tanzen.

Meighan: Deshalb kommen so viele Leute zu unseren Shows! Sie sehen in uns so was wie Freunde. Unsere Fanbase ist unglaublich loyal. Sie sind mit uns gewachsen. Sogar ihre Kinder tragen mittlerweile Kasabian-T-Shirts.

Pizzorno: Man kann die T-Shirts mittlerweile sogar im Supermarkt kaufen. Sie hängen gleich neben denen von den Beatles und Rolling Stones. Ich finde das verdammt noch mal wundervoll. Denn so kann man auch das System infiltrieren.

Sprechen Sie von Politik?

Pizzorno: Klar! Wir sind eine der letzten Arbeiterklasse-Bands in England, und dazu stehen wir auch. Kasabian haben immer schon Musik für den Aufstand gemacht. Da muss man sich nur mal Songs wie „Underdog“ oder „Club Foot“ anhören. Das ist Riot-Music!

Müssen wir wieder mehr auf die Straße gehen?

Pizzorno: Immer! Die Leute werden doch heutzutage durch das Fernsehen und Internet mit so viel Mist gefüttert. Die merken gar nicht mehr, was wirklich abgeht. Aber zusammen können wir die Welt verändern.

Im Song „Glass“ gibt es eine Spoken-Word-Peformance des Künstlers Suli Breaks, der fragt: „When did we stop believing, when did we stop marching?“ Das ist auch so ein politisches Statement, oder?

Pizzorno: Ja, denn die Wenigsten von uns realisieren, dass wir die Macht haben – und nicht die da oben. Es müssten sich nur ein paar von uns zusammentun. Der neue Song „Stevie“ soll diesbezüglich Mut machen. Er handelt von der Oberschicht, die auf die Arbeiterklasse spöttisch herabblickt. Wir dürfen uns von denen nicht unterbuttern lassen. In jedem von uns steckt doch ein Kämpfer wie der im Lied besungene ‚Stevie’. Lasst uns für das kämpfen, an was wir glauben. Was auch immer das sein mag.