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„Horror-Haus“ – Drastische Worte des Richters an die Täter des Bochumer Missbrauchs-Falls

„Horror-Haus“ – Drastische Worte des Richters an die Täter des Bochumer Missbrauchs-Falls

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Für den Fonds für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien hatte die Politik 100 Millionen Euro für schnelle Hilfen versprochen. Foto: Julian Stratenschulte/Symbolbild
  • Ein sechsjähriges Mädchen soll 135 Mal missbraucht worden sein
  • Am Dienstag wurde das Urteil gesprochen
  • Richter Kirfel sprach deutlich mit den Verurteilten

Bochum. 

135 Mal soll ein damals sechsjähriges Mädchen sexuell missbraucht worden sein. Am Dienstag wurde in diesem Fall am Bochumer Landgericht das Urteil gesprochen.

Der Onkel des heute 17-jährigen Mädchens muss für drei Jahre ins Gefängnis, der Nachbar für drei Jahre und vier Monate.

Patenonkel soll das Mädchen schwer missbraucht haben

Der intelligenzverminderte Bruder des Opfers muss 500 Euro zahlen. Die Mutter, die bei einigen der Missbrauchstaten zugesehen hat, erhielt von den Richtern des Landgerichts Bochum zwei Jahre auf Bewährung plus 250 Sozialstunden.

Schon vor mehreren Jahren soll der Patenonkel der Schwester des Opfers dasselbe Mädchen schwer missbraucht haben.

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Damals war sie sieben bis acht Jahre alt. „Was man damals nicht geahnt hat, ist, dass es schon zu dem Zeitpunkt mehrere Täter gab“, sagte der Vorsitzende Richter Johannes Kirfel am Dienstag.

Die Verurteilten und ihre Taten im Einzelnen:

  • Der Bruder

Der Bruder des Mädchens (28) hat sich nach Auffassung des Gerichts zunutze gemacht, dass sein Zimmer im Haus etwas abgelegen lag.

Er sei nach Eindruck des Gerichts stark geistig behindert, deshalb sei von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit auszugehen. Damals war er 18 bis 20 Jahre alt. Die Zahlungsauflage von 500 Euro sei genau das, was ihm am meisten weh tue.

Er arbeitet derzeit in einer Behindertenwerkstatt, sodass Sozialstunden laut Gericht keinen Sinn ergeben würden. Der Bruder sei außerdem der Einzige gewesen, der ohne Abstriche alles zugegeben habe.

  • Der Onkel

Der Onkel des Mädchens (60) ist laut Auffassung des Gerichts gesundheitlich schwer angeschlagen. Damals war er 50 bis 52 Jahre alt. Auch er sei in einem frühen Stadium geständig gewesen.

Er habe laut Richter Kirfel schon im Jahr 2014 mit Briefverkehr offengelegt, „dass da etwas mit (seiner Nichte) gewesen ist“. Damals habe man das aber nicht strafrechtlich verfolgt.

Erst als das Opfer die Taten offenbarte hat, ist demnach das Verfahren in Gang gekommen. Richter Kirfel sagte in Richtung des Onkels: „Die Taten sind sicherlich lange her, das gilt für alle Angeklagten, aber, Herr M., Sie sind der Onkel und es war Ihre kleine Nichte an der Sie sich bedient haben. Also an sich eine Person, die Sie schützen müssen. Und nicht eine Person, mit der man so etwas machen darf. Drei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe ist für Sie in Ihrer persönlichen Situation sicherlich hart, aber es ist gleichzeitig die unterste Grenze dessen, was man sich bei einer so massiven Anzahl von Taten zum Nachteil der Nichte denken kann“.

  • Der Nachbar

Heute ist er 57 Jahre alt. Er sei damals in einer desolaten Lebensphase gewesen, habe viel getrunken. „Wir gehen davon aus, dass ihn das bei den Taten enthemmt hat. Allerdings nicht in Richtung der verminderten Schuldfähigkeit“.

Er hat auch einen Fall von schwerem sexuellen Missbrauch eingeräumt. Er habe gleichzeitig aber auch gesagt, dass er sich an alles nicht mehr so genau erinnern könne. „Aber wenn das Mädchen das so sagt, wird das stimmen“, soll er gesagt haben.

Der Nachbar war laut Gericht derjenige, der das Mädchen am häufigsten missbraucht hat. Er habe die Kleine immer von der Mutter abgeholt und dann in seine Wohnung gebracht. Den schweren sexuellen Missbrauch habe er mit leichtem Zögern eingeräumt. „Man muss ihm das deshalb zugute halten, weil das Opfer in der Hauptverhandlung teilweise gar nicht mehr habe erinnern können, dass es zu diesem Eingriff gekommen ist. Wenn er das nicht zugegeben hätte, hätten wir Sie gar nicht wegen schweren Missbrauchs verurteilen können“, sagte Richter Kirfel in Richtung des Nachbarn.

Drei Jahre und vier Monate „ist eine Strafe, über die Sie sich nicht beklagen können. Auch bei Ihnen ist sie Ihrer jetzigen gesundheitlichen Situation geschuldet. Und der Tatsache, dass die Taten so lange zurückliegen“.

  • Die Mutter

Zur Mutter sagte Richter Kirfel: „Das Schlimmste für Ihre Tochter war, dass Sie nicht eingeschritten sind. Dass Sie nicht in der Lage waren, ihre Tochter zu beschützen. Warum macht man das?“

Er bemängelte, dass die Mutter erst so spät etwas zu den Vorwürfen gesagt hat. Sie hätte das auch schon vorher tun können, habe sich aber erst am letzten Tag des Prozesses dazu eingelassen.

„Wir haben lange überlegt, ob man einer solchen Mutter, wie Sie es damals gewesen sind, eine Chance geben soll. Es gibt sicherlich gute Argumente, Sie auch in den Knast zu schicken. Andererseits sind es nur einige Taten bei Ihnen. Sie sind nur Gehilfin. Das hätte aber auch anders ausgehen können“, sagte Kirfel.

„Gibt es etwas Schlimmeres, kann man sich fragen? Das muss wirklich ein Horror-Haus bei der Familie M. gewesen sein, anders kann man das nicht sagen. Ein Wunder, dass (das Mädchen) heute so gefasst bei uns sitzt, nach all dem, was sie erlebt hat.“