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Zehnkämpfer Schrader: Bin wie ein top gepflegter Sportwagen

Zehnkämpfer Schrader: Bin wie ein top gepflegter Sportwagen

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Michael Schrader Foto: dpa
Der Duisburger Zehnkämpfer und WM-Silbermedaillengewinner von 2013 Michael Schrader hat ab Freitag das Podest im Blick. Gut in Schuss sei er schließlich noch.

Peking. 

Sie sind ziemlich beste Freunde. Wenn Michael Schrader, Rico Freimuth und Kai Kazmirek am Freitag (9 Uhr Ortszeit/3 Uhr MESZ) mit dem 100-Meter-Lauf die erste Disziplin des Zehnkampfs in Angriff nehmen, dann sucht zwar jeder zunächst für sich seine Chance, doch würde einer aus dem Trio in eine kritische Situation geraten, kann er sich auf die Tipps und Unterstützung der beiden anderen verlassen. “Rico und ich sind ja fast wie ein Ehepaar. Wir leben in einer WG”, sagt Michael Schrader, der die besten Medaillenchancen der drei Buddies hat. “Und mit dem Kai verstehen wir uns auch super. Wir sind echte Kumpel.”

Wenn Michael Schrader gut drauf ist, also immer, dann gerät er gern ins Plaudern und vergleicht sich auch schon mal mit einem Auto. Er sei wie ein zehn Jahre alter Sportwagen, der einige Jahre in der Garage gestanden habe, sagt der Zehnkämpfer. Immer top gepflegt und nur wenige Tausend Kilometer auf dem Tacho. Deshalb könne er trotz seiner 28 Jahre noch bis 2022 weiter machen.

Schrader gewinnt 2013 Silber hinter Weltrekordler Eaton

Das sind mutige Worte des Zehnkämpfers aus Duisburg, der schon als 21-Jähriger Zehnter bei den Sommerspielen in Peking war, aber seitdem nur 2013 bei den großen Meisterschaften an den Start gehen konnte. Wie groß das Potenzial dieses Mannes mit dem außergewöhnlichen Bewegungsgefühl ist, zeigte sich in jenem Jahr bei der WM in Moskau: Mit 8670 Punkten holte er Silber hinter Weltrekordler Ashton Eaton aus den USA. 2009, 2010, 2011, 2012 und 2014: Verletzungspech, Schrader muss pausieren. Oder wie er sagt: Der Sportwagen stand in der Garage. “Klar, das unfreiwillige Zuschauen war nervlich belastend. Aber ans Aufhören habe ich nie einen Gedanken verschwendet”, sagt er und hat einen weiteren Vergleich parat: “Ein Hobbybastler gibt auch nicht gleich auf, wenn er sich mal in einen Finger schneidet.”

Der Meister der Frustbewältigung ist längst wieder obenauf. In Götzis ist er in diesem Mai Zweiter hinter Kazmirek geworden, in Ratingen hat er gewonnen. Schrader pendelt zwischen seiner Heimat Duisburg und seinem Trainingsstandort Halle. Im Ruhrgebiet lebt er mit seiner Freundin, der Badminton-Bundesligaspielerin Carola Bott, in Halle wohnt er in der sportlichsten WG Deutschlands mit Rico Freimuth und dem mehrmaligen deutschen Amateurbox-Champion Kevin Künzel. 2012 ist Schrader nach Sachsen-Anhalt gezogen, weil er bei Trainer Wolfgang Kühne die besseren Aufstiegsmöglichkeiten sah. Wie stark die Hallenser Gruppe ist, zeigt ein Blick in das deutsche WM-Aufgebot: Außer Freimuth und Schrader sind auch Hürdenläuferin Cindy Roleder und Siebenkämpferin Jennifer Oeser in Peking.

Zehnkämpfer Freimuth und Schrader überbieten sich mit Scherzen

Gibt es ein Erfolgsgeheimnis? “Puh, das weiß ich auch nicht”, sagt Schrader. “Wir sind vier Weltklasse-Athleten. Wenn man dann zusammen trainiert, bringt man sich noch einmal auf ein höheres Niveau. Vor allem sind wir alle locker drauf. Wenn du richtig kaputt bist, dann hilft dir ein Spruch der anderen, deinen Schweinehund noch einmal zu besiegen.”

Freimuth und Schrader, das ist ein Duo, das sich gegenseitig mit flappsigen Worten übertrifft. Gerne auch mal angereichert mit schwarzem Humor. Als der verletzte Schrader vor einem Jahr bei der EM 2014 in Zürich als Gast bei einem Pressetermin von seinen vielen Behandlungsterminen beim Münchner Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt erzählte, da rief Freimuth dazwischen: “Der Mann ist genial. Von dem würde ich mir sogar Bratensoße spritzen lassen.” Und per SMS schickte Schrader, der zwei Wochen zuvor 10,52 Sekunden über 100 Meter gerannt war, 2013 seinem Kumpel Freimuth nach dessen Bestzeit von 10,54 Sekunden in Götzis den Spruch: “Du Schlappschwanz!”

Schrader: „Ich bin meistens übermotiviert“

Freimuth, dessen Vater Uwe bei der WM 1983 mit 8792 Punkten Vierter wurde, ist das Kraftpaket, der Konstante, der sich zum fünften Mal in Folge für den Saisonhöhepunkt qualifizierte. Eigentlich sei er der beste Innenverteidiger Deutschlands, sagt Freimuth über sein Robustheit. Leider sei es für eine Fußball-Karriere zu spät. Während Freimuth seinen Körper haargenau einschätzen kann, neigt Schrader zum Überdrehen: “Ich bin meistens übermotiviert. Ich muss gebremst werden.” Das übernehmen dann Freimuth und Trainer Kühne. Schrader und Freimuth sind ein starkes Duo. Sie ergänzen sich ideal. Auch dafür haben sie einen Spruch parat. “Sein Bewegungstalent in meinem Körper wäre der größte Zehnkämpfer der Welt“, sagt Freimuth. „Aber diesen Menschen gibt es schon: Weltrekordler Ashton Eaton.“ Trotzdem werden sie in Peking versuchen, den US-Amerikaner zu besiegen.