Veröffentlicht inSportmix

The Power bei seiner letzten WM – Darts-Experte Shorty Seyler: „Ohne Phil Taylor wären wir nicht hier“

The Power bei seiner letzten WM – Darts-Experte Shorty Seyler: „Ohne Phil Taylor wären wir nicht hier“

SPORT1_Tomas_Seyler2.jpg
Darts-Experte Tomas "Shorty" Seyler. Foto: Sport 1

Für Darts-Legende Phil Taylor beginnt an diesem Freitag (20 Uhr/Sport1) das letzte Turnier. Im Londoner Alexandra Palace trifft der 57-Jährige in der ersten Runde auf Chris Dobey. Der 16-malige Weltmeister Taylor sei das „Gesicht des Sports“, sagt Darts-Experte Tomas „Shorty“ Seyler, der an der Seite von Elmar Paulke die WM für Sport1 begleitet.

Der mehrfache Deutsche Meister war selbst viermal bei der WM dabei und spricht im Interview mit dieser Redaktion über Taylor, den großen WM-Favoriten Michael van Gerwen und die Deutsche WM-Hoffnung Kevin Münch.

Die diesjährige Darts-WM steht ganz im Zeichen von Phil Taylor. Das 28. Turnier in Folge wird sein letztes sein. Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Tomas Seyler: Er ist das Gesicht des Sports. Er hat die Leute vor dem Fernseher gehalten, weil da einer zum achten, neunten und 16.-Mal Weltmeister geworden ist. So eine Konstante hat es in diesem Sport noch nie gegeben. Ohne ihn wären wir nicht hier. Er zeigt, du kannst auch mit weit über 50 noch erfolgreich sein. Aber zuletzt sind seine Konkurrenten oft so nah dran gewesen, dass sein Spiel nicht mehr immer funktioniert hat. Es ist an der Zeit zu gehen. Für ihn wird das Turnier eine Reise in den Rentnerabend, das muss man auch erstmal emotional verpacken. Er hat es sich verdient.

Körperlich könnte er wohl noch spielen.

Seyler: Ja, er spielt auch noch immer auf Weltklasse-Niveau. Aber Phil Taylor muss sich an sich selbst messen. Er macht das Viertelfinale bei der letzten WM als schlechtestes Ergebnis seiner Karriere aus, andere Leute würden sich freuen, wenn sie überhaupt so weit kommen. Ihm reicht das nicht, weil er gegen Leute verliert, von denen er das nicht gedacht hätte.

Der letzte Titel liegt fünf Jahre zurück. Was kann er bei dieser WM erreichen?

Seyler: Alleine mit seinem Namen und seiner Bühnenpräsenz wird er die Spiele dominieren. Er wird wahrscheinlich unter die letzten acht kommen und dann wird’s schwer, weil die Strecke zu lang ist. Egal, ob man ein, zwei Tage Pause hat, mit 57 Jahren ist das eine Monsternummer.

Der amtierende Weltmeister Michael van Gerwen sagt, er ist der Favorit. Sehen Sie das auch so?

Seyler: Ja, absolut. Wenn man das nicht akzeptiert, guckt man am Sport vorbei. Er hat sich in den vergangenen zwei Jahren auf ein ganz anderes Level gehoben und er ist noch nicht fertig. Er ist 28, weiß der Geier, wo er mit 36 ist. Van Gerwen hält seit zwei Jahren dem Druck stand und sagt, ihr müsst mich erwischen, ich nicht euch. Und da hat er völlig recht.

Und van Gerwen hat sich mittlerweile finanziell breit aufgestellt.

Seyler: Er ist geil auf die Trophy und auf die Kerbe im Bettpfosten, nicht auf das Preisgeld. Dazu kommt das Familienglück. Er ist gerade Papa geworden und vollgepumpt mit Adrenalin.

Wer sind die Geheimfavoriten?

Seyler: Rob Cross kann mindestens das Halbfinale erreichen. Er hat eine Top-Qualität, aber auch da reden wir über die Länge. Daryl Gurney hat eine riesen Entwicklung hinter sich, aber wir haben gesehen, dass Gurney auf der Stelle stehen kann, je länger so ein Spiel dauert. Da gibt es keine Explosion zum Ende wie bei Van Gerwen, der den geilsten Endspurt hat. Es ist irre, was der für Gänge durchschalten kann.

Vor zwei Jahren wurde Gary Anderson überraschend Weltmeister. Wo sehen Sie ihn in diesem Jahr?

Seyler: Gary Anderson ist immer gefährlich. Er ist ein Typ, der, wenn er sich gut fühlt, eine Tasse Tee trinkt und dir einen Durchschnitt von 110 an die Wand haut. Und du stehst daneben und kannst nur staunen. Während andere schon um neun Uhr da sind, kommt er ein halbes Stündchen später, nimmt ein Schlückchen Kaffee, macht zwei Interviews und geht ans Board. So ist er drauf. Das ist wirklich faszinierend.

Sie waren selbst vier Jahre als Spieler bei der WM, das erste Mal 2006. Was hat sich seit dem verändert?

Seyler: Wir haben eine ganz neue Generation. Die Neue ist furchtloser, hat nicht mehr so viel Respekt vor großen Namen und zieht einfach ihr Spiel durch. Wir sind noch mehr mit Respekt behaftet gewesen, weil wir unsere Vorbilder im Fernsehen bewundert haben und dann gegen sie spielen durften. Die Spieler, die wir jetzt haben, sind brandgefährlich. Die gehen ganz anderes heran, auch weil sich das Geschäft verändert hat. Du wirfst ja quasi alle zwei Wochen einen Kleinwagen heraus, wenn du eine Serie hast.

Das Event wächst, man dachte sogar über einen Umzug von der Westhall (3000 Plätze) in die dreimal größere Great Hall nach.

Seyler: Das Problem ist, dass die Great Hall ein komplettes Glasdach hat, das abgedeckt werden müsste. Ich glaube, diese Kosten scheuen Sie noch. Man muss auch immer erstmal genügend Security-Leute finden, die es aushalten, 14 Tage von 10000 Kehlen angeschrien zu werden.

In diesem Jahr sind mit Martin Schindler und Kevin Münch aus Herne zwei Deutsche dabei. Was trauen sie Münch zu?

Seyler: Kevin Münch ist ein alter Bekannter von mir, wir kennen uns schon sehr lange. Er ist ein sehr, sehr routinierter Bundesligaspieler, ein großartiger Junge und ein gefährlicher Linkshänder. Ihm traue ich wirklich Großes zu, weil er auch bei seiner ersten WM vor sechs Jahren cool war wie eine Hundeschnauze. Er kann sein erstes Spiel gegen den Russen Aleksandr Oreshkin gewinnen. Dann spielt er gegen den Doppelweltmeister Adrian Lewis, der nach seiner OP nicht in Topform ist. Da bin ich gespannt auf die Tagesform.

Was wäre ihr Traumfinale?

Seyler: Am coolsten wäre natürlich Raymond van Barneveld gegen Taylor. Die alten Männer schütteln sich noch einmal die Hand.

Sie werden die Darts-WM an der Seite von Elmar Paulke kommentieren. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Seyler: Auf die Zusammenarbeit mit Elmar, weil wir schon die siebte WM gemeinsam am Mikrofon erleben, man groovt sich immer mehr ein. Es macht einfach einen Höllenspaß mit ihm rumzufrotzeln und die Spiele auch mal ein bisschen zu kommentieren. Das gefällt nicht jedem, aber du kannst nicht Everybodys-Darling sein.