Die 18-jährige Alina Reh läuft wie sie heißt: elegant, leichtfüßig, schnell. Bei der Leichtathletik-DM überraschte sie mit ihrem Sieg über 5000 Meter.
Nürnberg.
So sind Journalisten. Wer erst vor zwei Monaten volljährig geworden ist und schon auf dem Gipfel der deutschen Läuferszene angekommen ist, wer dazu mit Nachnamen Reh heißt, der findet sich schnell in Schlagzeilen wie diesen: „Reh läuft allen davon“ oder „Reh scheucht alle auf“. Es ist zu befürchten, dass der Boulevard demnächst Alina Reh, die sich am Wochenende in Nürnberg vom begeisterten Publikum als Deutsche Meisterin über 5000 Meter feiern lassen durfte, zum „Bambi der deutschen Leichtathletik“ macht. Auf jeden Fall hat die 18-Jährige die Aufmerksamkeit der Medien verdient: Sie ist Europas größtes Langstrecken-Talent – und sie läuft wie sie heißt: Elegant, leichtfüßig und schnell.
Mockenhaupt mit großem Lob
Als Alina Reh nach ihrem Titelgewinn bei den Deutschen Meisterschaften von mehr als einem Dutzend Reportern empfangen wurde, entfuhren ihr Worte des Staunens: „Oh Gott, oh Gott. So viele Menschen!“ Man könnte jetzt meinen, sie sei scheu wie das gleichnamige Wildtier. Aber so ist es nicht: Alina Reh begegnet ihren Gesprächspartnern mit offenem Blick, sie ist nur das riesige Interesse an ihrer Person nicht gewohnt. Die Hochbegabte von der Schwäbischen Alb wird sich darauf einstellen müssen. So sieht es nicht nur Sabrina Mockenhaupt, die im DM-Finale hinter ihr als Zweite ins Ziel lief. „Hut ab! Mit Alina Reh haben wir eine Läuferin, die die nächsten zehn, zwanzig Jahre die Szene beherrschen wird“, sagte Mockenhaupt.
Dies könnte niemand besser beurteilen als die Siegenerin. Die 34-Jährige hat in den vergangenen Jahren 41 Meistertitel gewonnen und ist in der Popularitäts-Skala der deutschen Lauf-Szene die Nummer eins, wie an ihren 32 400 Facebook-Freunden abzulesen ist. „Mocki ist mein Vorbild“, sagt Alina Reh. „Ich habe immer davon geträumt, gegen sie anzutreten. Bisher bin ich immer in Jugendrennen gelaufen, da trifft man keine Erwachsenen.“ Und jetzt rennt sie als Deutsche Meisterin über 5000 Meter in 15:51,48 Minuten 19 Sekunden schneller als die Titelverteidigerin, die aber nach einer Operation erst seit einigen Wochen wieder ihr Training aufgenommen hat.
Den Lockrufen großer Klubs nicht gefolgt
Alina Reh schwimmt derzeit auf einer Erfolgswelle. Vor einer Woche wurde sie Doppel-Europameisterin der U-20-Junioren, jetzt der erste deutsche Meistertitel in der offenen Klasse und am nächsten Wochenende holt sie sich die nächsten Goldmedaillen bei den nationalen Jugendtitelkämpfen ab. Die Läuferin mit den markanten Locken trainiert nicht in einem Leistungsstützpunkt und ist bis jetzt auch nicht den Lockrufen der großen Klubs gefolgt.
Und so soll es auch bleiben. „Da würde ich ganz schnell Heimweh kriegen“, sagt die 18-Jährige vom TV Erbach. Vor wenigen Wochen hat sie ihr Abitur bestanden. Seitdem macht sie eine Ausbildung zur Einzelhandels-Kauffrau im Lebensmittelmarkt ihrer Mutter. Dies hat Vorteile, wie Alina Reh trefflich begründen kann: „Da ich ein besonderes Verhältnis zu meiner Arbeitgeberin habe, stellt sie mich frei fürs Training.“
Die Mutter ist die Chefin
Die Mutter ist aber nicht nur ihre Chefin, manchmal begleitet sie ihre Tochter daheim auch auf dem Fahrrad beim Training durch den Wald im schwäbischen Laichingen. Sie könne sich nichts Schöneres vorstellen, sagt Alina Reh. Wie es auf der Erfolgsleiter weiter geht, darüber macht sie sich keine großen Gedanken. Die WM im Sommer in Peking kommt zu früh. 2020 will sie sich ihren olympischen Traum in Tokio erfüllen. Aber ist Olympia 2016 in Rio noch kein realistisches Ziel? Rio komme zu früh, sagt sie. Sie schaue sich das gern vom Sofa an. Aber wer sie in Nürnberg gesehen hat, der traut dieser Reh weitere Sprünge zu.