Serie 50 Jahre Bundeslga, Saison 1973/74: Der gebürtige Bottroper spielte als Einziger in der Bundesliga für S04, VfL und BVB. Einer wie er würde heute steinreich, aber er sagt: „Wer jetzt Profi ist, der kann erst nach der Karriere damit beginnen, normal zu leben.“
Bocholt.
Ein Café in der Innenstadt von Bocholt, wo sich das westliche Münsterland mit dem Niederrhein vermählt. Paul Holz bestellt ein Wasser und macht es sich bequem, er hat Feierabend. Der 60-Jährige arbeitet im Härterei-Labor eines großen Getriebe-Herstellers als Materialprüfer.
Wer es wie er in den 70er-Jahren auf 201 Bundesligaspiele brachte, hatte nicht automatisch ausgesorgt. Auch nicht mit diesem Alleinstellungsmerkmal: Paul Holz ist der einzige Profi, der in der Bundesliga für die drei Ruhrgebietsvereine Schalke 04, VfL Bochum und Borussia Dortmund spielte.
„Darüber hatte ich mir damals gar keine Gedanken gemacht“, erzählt er. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. „Wie das heute alles aufgebauscht würde…“ Während solche revierinternen Transfers heutzutage von reichlich Bohei begleitet würden, gingen sie damals geräuschlos vonstatten. „Bei mir gab es keinen Stunk, keine Anfeindungen, gar nichts“, sagt Paul Holz. „Das waren ganz normale Wechsel. Aber mittlerweile stehen ja auch ganz andere Summen im Raum.“
Holz: „Die Jungs verpassen doch etwas, weil sie rund um die Uhr in der Öffentlichkeit stehen“
Neid auf die millionenschweren aktuellen Profis kennt er trotzdem nicht, er sagt: „Ich gebe gerne zu, dass ich das Geld auch genommen hätte, wenn man es mir geboten hätte. Aber die Jungs verpassen doch heute auch etwas, weil sie rund um die Uhr in der Öffentlichkeit stehen.“
Damals sei selbst dann nichts bekannt geworden, „wenn mal einer versumpft war“. Der Alltag sei einfach angenehmer gewesen. „Wer jetzt Profi ist, der kann doch erst nach der Karriere damit beginnen, mal ganz normal zu leben.“
Schon in der Jugend wird inzwischen nach knallharten Leistungskriterien gesichtet und gesiebt, und die großen Klubs sichern sich die Top-Talente, kurz nachdem die dem Kinderwagen entstiegen sind.
Paul Holz konnte es sich damals leisten, bis zum 18. Lebensjahr in seiner Geburtsstadt bei Rhenania Bottrop zu bleiben. „Ich wollte mit meinen Kumpels spielen“, erzählt er. Schüler- und Jugend-Nationalspieler wurde der Mittelfeld-Lenker mit dem starken linken Fuß trotzdem, und so war es auch kein Wunder, dass ihn Schalke-Chef Günter Siebert, bekannt für sein Adlerauge bei der Talentsuche, entdeckte und verpflichtete.
Gemeinsam mit Schake-Ikonen wie Stan Libuda auf dem Platz
Die Umstellung war natürlich enorm: Gleich in seiner ersten Profisaison, 1971/72, gehörte der Bottroper Junge zum Aufgebot der grandiosen Schalker Pokalsieger-Mannschaft. „Stan Libuda, Klaus Fichtel, Norbert Nigbur – das waren ja Ikonen“, sagt Paul Holz. Und trotzdem kam er gleich am ersten Spieltag zum Einsatz, beim 5:1-Sieg in Hannover. Erst eine Verletzung warf ihn zurück, gebraucht wurde er erst ein Jahr später wieder.
Dann aber richtig. Denn Schalke 04 stand das Abwasser bis zum Hals, der Verein drohte im Skandalstrudel zu versinken. Nach und nach wurden die Stars, die 1971 das Heimspiel gegen Bielefeld verschoben hatten, gesperrt, Trainer-Legende Ivica Horvat musste notgedrungen auf die Jungen setzen. Auf Spieler wie Klaus Beverungen, Ulrich van den Berg, Peter Ehmke – und Paul Holz.
„Wir sollten vorsichtig an die Mannschaft herangeführt werden, und plötzlich mussten wir die Karre aus dem Dreck ziehen“, sagt er. Und sie schafften tatsächlich den Klassenerhalt. „Wirklich schön war, dass die Leute voll hinter dieser jungen Mannschaft gestanden haben. Die Hütte war immer ausverkauft.“
Als Bongartz 1974 kam, war auf Schalke kein Platz mehr für Paul Holz – er ging nach Bochum
Die Hütte, das war die traditionsreiche Glückauf-Kampfbahn, von der sich Schalke 1973 verabschiedete: Blau-Weiß zog um ins Parkstadion, in diese zugige Betonschüssel, die für modern gehalten wurde, weil 70 000 Menschen hineinpassten und die Spieler per Rolltreppe aufs Feld geführt wurden. Die Gesperrten kamen zurück, Schalke landete auf Platz sieben und strebte nach Höherem: 1974 wurde Hannes Bongartz aus Wattenscheid als Spielmacher geholt, und so blieb für Paul Holz kein Platz mehr.
Bevor er sich verabschiedete, besorgte er sich aber noch eine bescheidene Fußnote in den Geschichtsbüchern des Ruhrgebietsfußballs: Als im April ‘74 das Westfalenstadion in Dortmund gegen Schalke mit einem Benefizspiel zugunsten des finanziell angeschlagenen BVB eröffnet wurde, schoss Paul Holz das erste Tor – Schalke gewann 3:0.
Er ging dann nach Bochum: 34 Spiele, 34 Einsätze. „Kein schlechter Schritt“, sagt er. Dennoch war VfL-Trainer Heinz Höher nicht zufrieden mit ihm, und als Paul Holz Wind davon bekam, ließ er sich nach Hannover locken. „Ein Fehler, da passte nichts.“ Eineinhalb Jahre später ließ er sich mal wieder bei den alten VfL-Kollegen in der Kabine blicken, als Bochum in Schalke spielte. „Zwei Tage danach wurde ich gefragt, ob ich nicht zurückkommen wolle.“
BVB-Coach Rolf Bock „stand nicht so“ auf Holz
Er wollte und blieb zwei weitere Jahre, bevor er für zwei weitere Jahre beim BVB anheuerte, wo seine Bundesliga-Karriere mit erst 28 Jahren endete. „Udo Lattek war in einer Nacht- und Nebelaktion nach Barcelona gewechselt, und sein Nachfolger Rolf Bock stand nicht so auf mich“, erklärt Paul Holz. Überhaupt, gibt er zu, sei er nicht mit allen Trainern klar gekommen, und er weiß längst, woran das lag. „Ich war ein bisschen bequem, um nicht zu sagen: eine faule Socke. Vielleicht ist mir vieles zu leicht gefallen.“
Er spielte dann noch acht Jahre für den 1. FC Bocholt in der Oberliga, der dritthöchsten Klasse. Er hat sich auch noch als Trainer versucht, beim VfL Rhede in der Verbandsliga, aber das war nichts für ihn. „Der Trainer trägt immer die Schuld, wenn es nicht läuft“, sagt er. „Da habe ich mich lieber sonntags mit meiner Frau aufs Rad gesetzt.“
Geht’s um die Derby-Frage ist der Schalkebochumdortmunder „ein Prozent mehr für Schalke“
Die Leidenschaft fürs Rennrad ist geblieben, 100 Kilometer sind für ihn keine Qual. Nebenher spielt er auch noch locker in einem Ü-50-Team im Bocholter Vorort Stenern.
Den Profifußball beobachtet Paul Holz interessiert, mehr nicht. „Es gibt Wichtigeres“, sagt er. Kommen wir also zur Gewissensfrage: Schalke, Bochum, Dortmund – für welchen Klub schlägt sein Herz? „Ich habe Sympathien für alle drei“, sagt er diplomatisch. „In Bochum habe ich zwar meine schönste und beste Zeit erlebt, aber es gibt keine klare Nummer eins.“ Fifty-Fifty also beim Bundesliga-Revierderby? Paul Holz muss lachen, dann verrät er: „Na ja, ein Prozent mehr für Schalke.“