Der unter Druck stehende Thyssen-Krupp-Konzern sucht wieder den Schulterschluss mit seinem Ex-Chef Ekkehard Schulz. Die Hauptversammlung bedachte den 70-Jährigen am Freitag in Bochum mit demonstrativem Beifall. Im Dezember noch hatte Schulz die Verantwortung für das Debakel um das neue Stahlwerk in Brasilien übernommen und war aus Aufsichtsrat und Stiftungsbeirat ausgeschieden.
Bochum.
Die Geste kann nicht symbolträchtiger sein: Auf dem Podium im Ruhrcongress stellt sich die Führungsspitze von Thyssen-Krupp demonstrativ zum gemeinsamen Foto mit Ex-Chef Ekkehard Schulz auf: Stiftungsvorsitzender Berthold Beitz, Aufsichtsratchef Gerhard Cromme und Vorstandsvorsitzender Heinrich Hiesinger. Die Spannungen aus dem letzten Herbst scheinen vergessen. Noch kurz vor Weihnachten hatte der Aufsichtsrat eine Prüfung in Auftrag gegeben, ob Schulz und andere für die milliardenschwere Kostenexplosion beim Stahlwerk in Brasilien in Regress genommen werden können. Die Juristen fanden keine Sorgfaltspflichtverletzungen.
Dem Symbol-Foto der Eintracht folgt am Freitag auch eine Ehrenerklärung für den früheren Vorstandschef, der genau vor einem Jahr in den Ruhestand getreten war. „Seine großen Verdienste bestehen unverändert fort“, erklärt Cromme unter dem Beifall der Hauptversammlung. Der Chefaufseher von Thyssen-Krupp spricht von einem „unerfreulichen Eindruck“, der in der Öffentlichkeit über Schulz entstanden sei. „Das ist ungemessen und entspricht nicht seiner Lebensleistung.“
Angaben zum Stahlwerk in Brasilien waren „unvollständig und teilweise falsch“
Cromme verschweigt aber auch nicht, dass es im Zusammenhang mit der Planung des Stahlwerks in Brasilien zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei: „Aus heutiger Sicht wissen wir, dass viele Antworten des Vorstands auf die Fragen des Aufsichtsrats sich im Nachhinein als zu optimistisch, unvollständig und teilweise falsch herausgestellt haben.“ Aktienrechtlich, so Cromme, führten diese Verfehlungen des Managements aber nicht zu Schadensersatzansprüchen.
In einem Interview mit dem Handelsblatt räumte Schulz am Freitag selbst Fehler ein. „Ich habe zu lange den falschen Leuten vertraut. Leuten, die mir die Lage geschönt dargestellt haben.“
Es sei aber eine „infame Unterstellung“, er habe jahrelang die wahren Kosten für den Stahlwerksbau verschwiegen. „Das ist völliger Unsinn“, so Schulz.
Kostenexplosion belastet Thyssen-Krupp-Bilanzen
Die Kosten für das Stahlwerk in Rio waren durch Pannen und Fehlplanungen auf 5,2 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Die ursprüngliche Annahme von einem Investitionsaufwand von nur 1,3 Milliarden Euro war laut Schulz „lediglich eine mögliche Größenordnung“. Cromme erklärte am Freitag, dem Aufsichtsrat sei im September 2006 ein „erweiterter Projektantrag mit einem Investitionsvolumen von rund drei Milliarden Euro“ vorgelegt worden. Die Kostenexplosion führte dazu, dass Thyssen-Krupp im Geschäftsjahr 2010/11 rund 2,8 Milliarden Euro abschreiben musste – insbesondere wegen der neuen Stahlwerke in Brasilien und Alabama.