Reingefallen auf Viagogo: So läuft das miese Ticket-Geschäft
Unser Autor hat Karten für das DFB-Pokal-Finale via Viagogo bestellt
Die undurchsichtige Preisgestaltung hat ihn dabei in eine Falle gelockt
Danach stellte er fest: Viagogo hat nicht nur bei ihm einen äußerst schlechten Ruf
Berlin/Genf.
Es ist nicht schön, sich wie der dümmste Fußballfan der Welt vorzukommen. Ich habe mir bei der Ticketbörse Viagogo Eintrittskarten fürs DFB-Pokalfinale Eintracht Frankfurt gegen Borussia Dortmund gekauft. Völlig überteuert – meine Entscheidung. Sie sind zudem vielleicht für den falschen Fanblock und ich muss sie mir am Spieltag an einem konspirativen Ort abholen. Und ich muss hoffen, dass die Karten auch gültig sind. Vor allem fielen plötzlich noch 350 Euro Gebühren vom Himmel.
Ich darf als Fan ein verliebter Narr sein. Aber ihr, Viagogo, dürft das nicht so schamlos ausnutzen. Deshalb komme ich euch jetzt blöd.
Kritiker sehen Psycho-Tricks und versteckte Gebühren
Ich erzähle ein bisschen über euch. Ihr seht euch selbst als reines Vermittlungsportal zwischen denjenigen, die ihr Ticket nicht mehr selbst nutzen, und allen anderen, die gern noch eines hätten. Nur ein „Marktplatz“ also. Eure Kritiker sehen das anders: Die werfen euch vor, dass ihr mit psychologischen Tricks und versteckten Gebühren Fans in die Kostenfalle treibt. Für die seid ihr eines der kundenfeindlichsten Unternehmen im Netz.
Ich berichte von dem, was mir Verbraucherschützer über euch erzählt haben, mit denen ihr Katz und Maus spielt. Ich schreibe über die Strafen, die ihr zahlen müsst, ihr, die „weltgrößte Bezugsquelle von Tickets für Live-Veranstaltungen”. Ich schreibe darüber, wie der DFB beim Pokalfinale euer Komplize wurde, auch wenn er etwas ganz anderes behauptet.
Investoren spielen in der Ersten Liga
Am Anfang meiner Recherchen dachte ich noch, ihr könntet irgendwo aus einem Hinterzimmer heraus operieren. Ihr seid aber Teil des internationalen Geldadels, der Sitz eurer nicht börsennotierten AG ist in einem schmucken Bürogebäude in der Schweiz. Der frühere Twitter-Chef Dick Costolo ist heute Partner der Risikokapitalgesellschaft Index Ventures, die 2007 euren Markennamen registriert hat, und die etwa auch an Facebook, Skype oder BlaBlaCar beteiligt ist. „Wir lieben Unternehmen, die Regeln brechen”, heißt es in der Selbstdarstellung von Index Ventures. Abschwächend steht „ein bisschen” dahinter.
Die Schweiz und Italien haben euch fürs Brechen von Regeln schon mit Strafzahlungen belegt, die deutsche Verbraucherzentrale hat euch abgemahnt und eine Klage eingereicht, von der die breite Öffentlichkeit bisher noch nichts wusste.
Betrag nicht in E-Mail mit Bestätigung
Ich mag nicht glauben, dass Steffi Graf immer noch Anteile an euch hält. 2009 ist sie bei euch eingestiegen. Ich warte noch auf Antwort ihres Managements: Die Steffi Graf, die ich als großartige Sportlerin vergöttert habe, würde doch kein Geld mit eurer Abzocke von Sportfans machen wollen? Wer das Wort „Betrüger“ in allen Sprachen kennenlernen will, muss nur die Kommentare auf eurer Facebookseite lesen.
Wenn ihr nicht schmutzig und foul spielen würdet, wäre euer Geschäftsmodell dahin. Das hatte ich eigentlich auch irgendwann selbst schon gelesen. Aber so richtig aufgefallen ist es mir, nachdem ich meine Kreditkartendaten eingegeben und den Kauf bestätigt hatte. Je 471 Euro für zwei 70-Euro-Karten fürs Pokalfinale kann man bescheuert finden. Ich habe auch auf eBay schon mal ein Vielfaches bezahlt, darauf war ich eingestellt. Als der Kauf abgeschlossen war, stand da aber: zwölfhundertirgendwas.
In eurer Bestätigungsmail war die Summe nicht zu finden. Ich habe den genauen Betrag erst wieder auf der Kreditkartenrechnung entdeckt. 1297,48 Euro gingen an ein Unternehmen im Steuerparadies Malta, das eine Banklizenz besitzt und das ihr für die Abwicklung eurer Geschäfte gegründet habt. 1297,48 Euro – also gut 350 Euro extra. Allein für Gebühren und Steuer hätte es elf Karten der günstigsten Kategorie gegeben.
Bei Ticketkäufen gibt es kein Rücktrittsrecht
Nach meiner Nachfrage über ein Kontaktformular war die Antwort von euch drei Stunden später im Postfach: Eure Buchungsgebühr zusätzlich zum Basispreis der Karten „wird während der Buchung aufgezeigt, diese Kosten beinhalten u.a. Verwaltung der Viagogo Webseite, Viagogo Kundenservice und Versandgebühren”.
Und ihr kennt eure Kunden: „Wir bedauern, dass Ihnen die Antworten nicht gefallen, dennoch werden alle Gebühren beim Bestellvorgang aufgewiesen.“ Ätsch?! Inzwischen antwortet ihr mir nicht mehr, eure Pressestelle hat auch zwei Mails mit anderen Fragen nicht beantwortet. Ihr hattet mir noch geschrieben, ich könne die Karten ja einfach wieder verkaufen. Ihr habt mir nicht erklärt, wie ich Karten verkaufe, die ich erst am Spieltag erhalten soll. Und ich will auch euer Spiel nicht mitspielen.
Mein erster Gedanke: Den Verkauf einfach rückgängig machen! Irgendwas ist doch da mit 14-tägigem Widerrufsrecht bei Online-Käufen… An diese Hoffnung klammern sich viele Käufer zunächst, wie diverse Forenbeiträge zeigen. Die Antwort der Verbraucherzentrale ist ernüchternd: „Bei Tickets sieht das Gesetz eine Ausnahme vor, so dass das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.“
Preis ist zu lesen – aber …
Also die Kreditkartenzahlung stoppen? Es gibt das Charge-Back-Verfahren für unberechtigte Zahlungen. Aber das greift nicht, erklärt die Pressestelle eines Kreditkartenunternehmens. Der Betrag sei ja der richtige, auch wenn er nicht transparent angezeigt wurde. Verständnis für den Unmut hat sie privat trotzdem, „da müssen doch Verbraucherschützer was tun!”. Paypal antwortet ähnlich.
Ich habe es danach nochmal vollzogen, da musste ich nur im letzten Schritt nach unten scrollen. Da wurde die Summe erstmals angezeigt. Ich gebe in Texten Ratschläge zum richtigen Verhalten im Netz, ich halte mich nicht für unbedarft. Ich hätte registrieren müssen, dass bei der Eingabe persönlicher Daten bereits „Zwischensumme“ zu lesen war und auf weitere Gebühren hingewiesen wurde.
In grauer Schrift, das kräftige Rot habt ihr an vielen anderen Stellen schon verbraucht. Vielleicht war am Schluss der Endpreis sogar eine Sekunde gut sichtbar, wie beim Testkauf des Marktwächters Digitale Welt der Verbraucherzentrale. Dann war darüber ein neues Feld aufgegangen und hatte den Preis nach unten verschoben. Ihr habt aber auch kürzlich einräumen müssen, dass eure Seite „Schluckauf“ gehabt habe: Da hattet ihr Käufern den Endbetrag überhaupt nicht angezeigt. Kommt das öfter vor? War das vielleicht in meinem Fall auch so?
Seite war früher keine Falle
Eure Seite ist wie ein Flipperautomat: Irgendwo blinkt ständig etwas, und ein Countdown läuft runter. Unwichtiges hervorheben, Wichtiges verstecken und Kunden unter Zeitdruck setzen – so läuft’s bei euch. Ein Screenshot auf der Internetseite stehplatzhelden.de zeigt, dass ihr den Endpreis 2014 noch viel früher und viel besser sichtbar angezeigt habt. Das habt ihr „optimiert“. Früher, sagt der auf Sportbusiness spezialisierte Journalist Stefan Merx, gab es auch noch nicht die angebliche virtuelle Warteschlange hinter Kaufinteressierten: „Viagogo arbeitet da mit einigen psychologischen Tricks, um Druck auf die Interessenten aufzubauen.“
Über den Testkauf der Verbraucherzentrale Bayern habe ich ein bisschen schmunzeln müssen – Tickets für 1860 München gegen Braunschweig am 30. April. In München ist die Arena bei den Löwen selten ausverkauft, Mondpreise hat die Verbraucherzentrale nicht zahlen müssen. Und euer Argument stimmt auch, man kann bei euch Karten auch tatsächlich unter dem eigentlichen Preis kaufen, das erwidert ihr Kritikern immer wieder.
Von Verbraucherzentrale gekaufte Karte nicht gültig
Die Verbraucherzentrale bekam allerdings nach dem Testkauf bei euch von 1860 eine „Ungültigkeitsbescheinigung” über eine „entschädigungslose Ticketsperrung” ausgestellt. Die Karte war personalisiert. Die Verbraucherzentrale hat das Geld bisher von euch nicht zurück.
Sie hat wegen diverser Punkte inzwischen Klage eingereicht, die euch in der Schweiz aber auch nach rund drei Wochen noch nicht formal zugestellt ist. Dort ist euer Sitz im zweiten Stock eines Büro-Gebäudes in Genf, kein Firmenschild im Erdgeschoss. Zuerst hatte die Verbraucherzentrale euch unter anderem wegen mangelhafter Preistransparenz abgemahnt. Ihr habt darauf nicht einmal geantwortet.
Einladung vom britischen Parlament ignoriert
Die deutschen Verbraucherschützer können sich damit trösten, dass ihr sogar Vorladungen des britischen Parlaments ignoriert. Verloren stand euer Schildchen „Viagogo” auf dem Tisch, der für euch gedachte Platz im Ausschuss für Kultur und Sport blieb im März leer. Die 164 Minuten der vorigen Sitzung waren eine einzige Anklage gegen euch und euresgleichen.
Von „Marktmissbrauch in industriellem Maßstab” sprach Annabella Coldrick, Vorsitzende des Music-Manager-Forums, das 400 Branchenvertreter vertritt. Von Bot-Angriffen auf die regulären Kartenverkäufe wurde berichtet, von Abzockern, die mit „extrem aggressiver Software” und diversen Identitäten Karten massenhaft absaugen.
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Anschaulich war das Beispiel von der Robbie-Williams-Tour: Wenige Augenblicke nach Beginn des Vorverkaufs gab es bei euch bereits 3000 überteuerte Karten. Ein Experte hat den Abgeordneten erklärt, dass euch diese professionellen Händler den meisten Umsatz bringen – und ihr ihnen dafür schützende Anonymität gebt. Der Käufer erfährt nicht, wer das Ticket eingestellt hat. Und der Verkäufer nicht, wer es kauft.
Schwarzmarkthändler konnten beim DFB zuschlagen
Der DFB verurteilt deshalb das, was dort passiert: „Der Handel auf diesen Online-Ticketplattformen ist problematisch, da der Handel weitgehend anonym und unkontrolliert stattfindet und so für den DFB nicht mehr nachvollziehbar ist, wer Tickets und damit eine Zutrittsberechtigung zum Stadion erwirbt“, erklärt der Fußballverband auf Anfrage.
Je 22.000 der gut 74.000 Karten für das Pokalendspiel sind an die beiden Finalisten Dortmund und Frankfurt gegangen und dort Mitgliedern, Dauerkartenbesitzern und Fanclubs zugeteilt worden. Die Clubs hätten ein Mehrfaches absetzen können.
Was hat der DFB mit seinem ansehnlichen Anteil gemacht? Vertrieb und Zuteilung der Tickets für das Pokalfinale seien „möglichst gezielt und nur an die Interessengruppen erfolgt, bei denen ein Weiterverkauf möglichst ausgeschlossen ist“, heißt es.
Aber hat der DFB nicht selbst große Pakete unkontrolliert verkauft? Zunächst wird meine Frage ignoriert. Auf Nachfrage sagt der Sprecher, davon sei ihm nichts bekannt. Aber da gab es doch diese Info, die der DFB inzwischen gründlich aus dem Netz getilgt hat: Vereine und Firmen konnten Ticketwünsche „(bis zu 50 Tickets)“ vom 2. bis 16. März „ausschließlich auf ihrem Briefbogen“ per E-Mail an ticket-service@mein.dfb.de richten. Der DFB-Sprecher will sich wieder melden.
Auf eine Erinnerungsmail drei Werktage später kommt die Antwort: „Die Pakete wurden, wie alle anderen Anfragen, verlost.“ Ich habe eine Idee, woher manche der Karten auf Viagogo stammen. Wie viele Tausende sind es, die in Paketen von bis zu 50 Stück unkontrolliert abgegeben wurden? Der DFB mauert: „Eine Aufstellung über den Verteilungsschlüssel werden wir nicht veröffentlichen.“
Zunächst Partnerschaft mit Bundesliga-Clubs
Am Anfang habt ihr die Karten noch offiziell und direkt von den Clubs bekommen, die euch dafür Sponsoring-Pakete verkaufen durften. Der FC Bayern ging vorweg, Karl-Heinz Rummenigge war im Januar 2007 „sehr glücklich, viagogo als Kooperationspartner des FC Bayern München gewonnen zu haben“. Zehn Bundesliga-Vereine waren zwischenzeitlich mal Partner.
Die Schalkes, Hamburgs und Stuttgarts erinnern sich ungern daran, an die Diskussionen über nicht eingehaltene Preisobergrenzen, an die wütenden Fanproteste und die schmutzigen Scheidungen. Schalke, wo die Partnerschaft acht Tage hielt, warf euch quasi Erpressung vor. Die Vereine hätten gewarnt sein können: Schon in den Nuller-Jahren hatte es in den USA diesen Streit gegeben.
Viagogo-Boss hatte auch Konkurrent StubHub gegründet
Euer Boss Eric Baker, Amerikaner, hatte ziemlich früh geahnt, dass seine Idee Potenzial hat. Er und Mitstudent Jeff Fluhr hatten an der Uni Stanford mit der Idee für eine Ticketplattform gute Chancen in einem Gründer-Wettbewerb. Zum Finale der besten sechs traten sie mit „StubHub” nicht an – aus Angst, die Idee könnte gestohlen werden.
Die Vorsicht vor der Gründung 2000 zahlte sich aus: 50 Millionen Dollar Umsatz 2005, 100 Millionen und schwarze Zahlen im Jahr 2006 – und Anfang 2007 beim Verkauf 310 Millionen Dollar von eBay. Baker hatte da noch zehn Prozent gehalten – und schon begonnen, in Europa ein neues Unternehmen aufzubauen: Viagogo.
In der Anhörung in London ging es um die Frage, wie kriminell das Geschäft ist und wie viel Steuern bei einem geschätzten jährlichen Volumen von einer Milliarde britischer Pfund nur in Großbritannien hinterzogen wird. Die Steuerbehörde kündigte an, dem Thema nachzugehen.
Ein Ausschussmitglied hat gefragt, ob denn mit Appellen an moralisches Verhalten etwas zu erreichen sein. Der Experte grinste leicht, er hat neun Jahre vorher schon mal in einer Anhörung gesessen, „und seither sind die Dinge schlimmer geworden”.
Dutzende Kreditkarten im Viagogo-Büro
Ihr habt den Abgeordneten zu eurem Affront zwei Erklärungen genannt. Die eine bringt ihr bei allen möglichen Gelegenheiten: Ihr seid ja nur Mittler, ihr verkauft nicht selbst. Okay, es ist auch schon ein paar Jahre her, dass der „Spiegel” aus eurem internen Verkäuferhandbuch zitierte: „Bitte beachten, dass weder Verkäufer noch Käufer wissen sollen, dass wir der Verkäufer bestimmter Tickets sind.“
Und Borussia Mönchengladbachs Verwaltungsdirektor Michael Plum hat dem ZDF gesagt, dass er „leider nicht beweisen“ kann, was der Club glaubt: „Dass Viagogo selbst Mittelsmänner hat, die Tickets aufkaufen.“ Ein englischer Sender deckte bei einer Undercover-Recherche auf, dass bei euch Stapel von Kreditkarten im Einsatz waren – zum Kauf von Tickets.
Ihr habt aber auch noch erklärt, dass in Großbritannien gar niemand sitzt, der für euch sprechen könnte. Dabei sind von den 44 aktuell offenen Stellen bei euch 40 in London zu besetzen, etwa Dolmetscher für Mazedonisch, Arabisch, Koreanisch, Indonesisch.
Bots zum Ticketkauf gibt es auch für Bayern München
Ihr müsst eben umso mehr andernorts auf die Suche nach Dummen gehen, wenn das euch an dem einen Ort schwerer gemacht wird. „Wie ist es möglich, dass solche Firmen existieren dürfen?”, titelte Australiens meistbesuchte News-Seite news.com.au.
Zuvor war in Australien eine Gesetzesinitiative eingebracht worden. Und die hat als Vorbild den amerikanischen „Better Online Ticketing Sales Act”. Obama hatte kurz vor der Amtsübergabe das Gesetz unterzeichnet, dass euch das Geschäft sicher nicht leichter machen sollte. Es ist dort nun auch verboten, Bots zum Kauf einzusetzen, die automatisiert Käufe tätigen, sobald Karten in den Verkauf gehen. Für knapp 1000 Dollar findet man im Netz auch einen Bot für Karten von Bayern München. Kauft sich ein normaler Fan ein solches Programm?
Justizministerium: „Beobachten sehr genau“
Und wie ist es möglich, dass ihr existieren und Geschäfte machen könnt? Susanne Baumer, Teamleiterin Digitaler Marktwächter bei der Verbraucherzentrale Bayern, erklärt das so: „Das Geschäftsmodell der Vermittlungsportale ist rechtlich sicher nicht vollständig reguliert.“ Solange die eindeutigen Regeln fehlen, kann immer nur punktuell gegen einen bestimmten Sachverhalt vorgegangen werden. „Die Erfahrung zeigt aber leider, dass diese Einzelentscheidungen leicht umgangen werden können.“
Kann der Gesetzgeber nicht mehr tun? Das Bundesjustizministerium erklärt dazu, was es im März schon einmal gleichlautend mitteilte: „Die Vorgänge rund um den Ticket-Schwarzmarkthandel beobachten wir sehr genau. Eine Bewertung, inwiefern dieser unter Strafe gestellt werden kann, ist bisher noch nicht abgeschlossen.“
Strafzahlungen in Italien und der Schweiz
Es tut sich aber international etwas. In Italien habt ihr euch mit Seatwave, Ticketbis und Mywayticket eine Strafe von 700.000 Euro teilen müssen. Die Wettbewerbsbehörde hat am 13. April festgestellt, dass ihr den Verbrauchern wesentliche Informationen vorenthaltet und gegen Verbraucherschutzrechte verstoßt.
Und es stimmt auch nicht, dass ihr gar nicht reagiert. Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft berichtet, dass ihr zu deren jüngster Abmahnung fristgerecht Stellung genommen habt. In der Schweiz habt ihr darin auch Routine. Das Staatssekretariat hat euch schon „verschiedentlich abgemahnt”, sagt Sprecher Fabian Maienfisch. „Im Wesentlichen geht es immer um das gleiche: Forderung nach transparenter Angabe des tatsächlich zu bezahlenden Preises bzw. des Endpreises der Tickets auf der Website von Viagogo und klare Angabe, dass es sich um eine Plattform für den Weiterverkauf von Tickets handelt.”
Das Staatssekretariat hat euch „verzeigt”, wie die Schweizer das nennen, es hat euch bei der zuständigen Gewerbeaufsicht des Kantons Genf wegen ungenügender Preisangaben angezeigt. Und die Behörde dort hat Ende Februar eine Strafverfügung gegen euren verantwortlichen Manager erlassen. Über die Höhe schweigt sie.
Auch Google steht in der Kritik
Die Beschwerden über Viagogo in der Schweiz nehmen deutlich zu. In den ersten vier Monaten waren es 44, davon 41 aus dem Ausland. Und natürlich seien dann auch die jeweiligen Staaten gefragt, sagt Maienfisch. „In einigen Staaten können offenbar die nationalen Behörden über die für die Länderdomain zuständige Registrierstelle solche Webseiten, die gegen das in Frage stehende Landesrecht verstoßen, sperren lassen und den Domainnamen gar widerrufen.” Konkrete Beispiele kann er nicht nennen.
Aber ich muss da an einen Komplizen von euch denken: Google. Bei denen taucht ihr bei der Suche nach Tickets nicht nur mit einer Anzeige ganz oben auf, sondern auch in den nicht bezahlten Suchergebnissen. Auch ich Trottel habe mich von Google zu euch schicken lassen. Die britische „Fan Fair Alliance“, hinter der Musiker und Agenturen stehen, rät (PDF), Suchmaschinen für Tickets nicht zu nutzen: „Die Ergebnisse werden dominiert von den Zweitmarkt-Seiten.“
In Großbritannien wollte der Parlamentsausschuss auch Google in die weiteren Untersuchungen einbeziehen, in Australien wird nach deren Rolle gefragt. Google hat mir geantwortet, man habe strenge Richtlinien, welche Anzeigen dargestellt werden könnten. Stelle man Verstöße fest, werde Google aktiv. Google ist nicht aktiv geworden.
Ticketübergabe in einem Hotel?
Für eure guten Platzierungen geht sicher ein erkleckliches Sümmchen drauf von dem, was ihr im letzten Schritt für Verwaltung der Webseite, Kundenservice und Versandgebühren berechnet.
Versandgebühren werden in meinem Fall gar nicht fällig, ich muss meine Karte ja persönlich abholen. Am Tag des Finales, ihr habt mir eine E-Mail mit weiteren Anweisungen versprochen. Ich bin nicht mehr ganz so gespannt auf die Schnitzeljagd, seit ich den Erfahrungsbericht „Mein Deal mit Viagogo“ von Journalist Stefan Merx gelesen und mit ihm gesprochen habe. Es wird wohl ein Räumchen in einem Hotel sein, das zum Taubenschlag von Kartenkäufern wird, einer wird nach dem anderen reingerufen werden. Vielleicht berichte ich live auf Twitter.
Verbindungen zum Straßenhandel?
Merx macht mir nach seinen Erfahrungen Hoffnung, dass ich an die richtigen Karten komme. Die Erklärung überrascht mich dann auch nur noch kurz: Viagogo könne auch kurz vor Anpfiff Karten besorgen. Seine Recherchen hätten Verbindungen zu den Händlern vor den Stadien aufgezeigt, erklärt er.
Mit dem Ticket im falschen Block zu stehen, kann ja auch für Viagogo unangenehme Folgen haben. Ihr erinnert euch an den Jubel der Bayern-Fans im Heimblock von Arsenal London über das Führungstor 2013? Ganz bestimmt, danach bekam eurer Boss doch diese Mails mit den Drohungen, sein Haus werde abgefackelt. Es waren Mails des Verkäufers der Tickets, ein Kick-Box-Enthusiast. Die Karten der Bayern-Fans waren eingezogen worden, Saisonkarten von Arsenal. Nach Berichten englischer Medien stand der Verkäufer irgendwann auch in eurem Büro.
Der Mann tobte, weil ihr nicht zahlen wolltet, was ihm nach seiner Auffassung zustand. Statt der angebotenen 12.500 Pfund Entschädigung forderte er für die eingezogenen Karten erst 400.000 und dann 656.000 Pfund, umgerechnet 760.000 Euro.
So sieht das also aus, wenn Fans an Fans Karten verkaufen.