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Fußball, Reggae, Tempel: In Brent ist London authentisch

Fußball, Reggae, Tempel: In Brent ist London authentisch

Wer Reggae im Blut hat, kommt an diesem Laden nicht vorbei: Starlight Records in London-Brent. Foto: Dörte Nohrden/dpa
Wer Reggae im Blut hat, kommt an diesem Laden nicht vorbei: Starlight Records in London-Brent. Foto: Dörte Nohrden/dpa
Ob Fußballspiel oder Mega-Konzert: Zehntausende pilgern ins Wembley Stadion – und meist direkt zurück ins Hotel. Dabei verpassen sie ein authentisches Stück London mit spannender Historie und Kultur.

London. 

Gleich drei U-Bahn-Linien rattern im Minutentakt durch Brent, einem der 32 Londoner Stadtbezirke. Mehr als die Hälfte der rund 340 000 Einwohner stammt nicht aus Großbritannien. Doch gerade sie bereichern mit ihrer Sprache und Kultur das Quartier, zu dem neben Wembley etwa Kilburn, Harlesden und Neasden zählen.

Historisch ist Brent, im Nordwesten der Metropole, vor allem durch irische und jamaikanische Einwanderer geprägt. Letztere brachten in den 1970er-Jahren den Reggae in die Stadt. Kein Wunder, dass auch Bob Marley einst in diesem Viertel lebte – und Brent 2020 zum offiziellen Kulturbezirk Londons erkoren wurde.

Brents Wahrzeichen: das Wembley-Stadion

Imposant spannt sich der 134 Meter hohe „Kleiderbügel“ über das Wembley-Stadion, mit seinen 90 000 Zuschauerplätzen das zweitgrößte in Europa. Ausgestattet mit besonderem LED-Lichtsystem, erstrahlt der mächtige Bogen mal in den Farben der Fußballteams, mal im Regenbogenspektrum und flackert weit über Brent hinaus. Dann ächzen die U-Bahn-Waggons der Metropolitan Line unter dem Gewicht abertausender Fans.

Popstar George Michael war es, der nach Fertigstellung des Stadions 2007 hier das erste Konzert spielte. Für ihn ein Heimspiel; er wuchs in Brents Stadtteil Kingsbury auf. Dem 2016 verstorbenen Musiker zu Ehren, hat die Londoner Künstlerin Dawn Mellor 2020 im Rahmen des Kunstprojekts „Brent Biennial“ ein haushohes Streetart Wandgemälde gezaubert. Wer dieses Mural selbst besichtigen möchte, findet es hier: 499 Kingsbury Road.

Bestseller-Autorin prägt den Begriff Kilburnosity

Den Begriff Kilburnosity prägte die Londoner Bestseller-Autorin Zadie Smith. Insbesondere in ihrem Roman „London NW“ zeichnet sie ein Bild ihres multikulturellen Heimatstadtteils Kilburn. Kilburnosity, das sei in ihren Augen die hier so typische, aufstrebende Energie, aus allem das Beste zu machen, was gerade zur Verfügung steht – ob im praktischen oder kreativen Sinne. Jeder wolle und könne sich hier auf seine Weise ausdrücken.

Diese Auffassung teilt auch Lois Stonock, die als künstlerische Leiterin das Kulturprojekt Brent 2020 verantwortete: „Die Kilburn High Road hinunterzulaufen, ist für mich die authentischste Version Londons“, sagt Stonock. Während sich Städte und Geschäfte weltweit immer ähnlicher würden, sei dies noch ein pures Stück London.

Es stimmt. Pakistanische Cafés wechseln ab mit grellen Nagelstudios, internationalen Delis, Wochenmärkte mit Kebab- oder Handy-Shops. Dazwischen das französische Café Maison Vie. Und etwas nördlicher schließlich das legendäre „Kiln“: Das in ganz London bekannte Kilburn Theatre wurde 2021 sogar zum besten Theater Londons gewählt. Es beherbergt Kino, Restaurant und Bühne, sowie ein Café, von dessen Fensterplätzen man wunderbar das bunte Leben der Kilburn High an sich vorbeiziehen lassen kann.

Das Ace Cafe ist Londons Biker-Treff mit Kultstatus

Regelmäßig zur Friday Bike Night heulen hier die Motoren auf, rollen Londons Easy Rider in schwarzer Lederkluft auf das Gelände des Ace Cafes. Es locken Burger und Baked Beans, Rock ’n‘ Roll und ausgelassene Wochenendstimmung. Das Ace Cafe öffnete bereits 1938 nach der Fertigstellung der Umgehungsstraße North Circular Road. Es hat sich als Biker-Treff etabliert und bis heute als solches gehalten – mit Unterbrechungen durch den Zweiten Weltkrieg und eine längere Schließung.

Britische Pubs: Deutlich weniger Bier als vor der PandemieDas kultige Café unterhält mittlerweile sogar Ableger in Orlando und Peking, in Barcelona und Luzern. Zu Fuß ist das Ace Cafe einfach von der Stonebridge Park Station auf der Bakerloo Linie erreichbar. Wer sich auf das Erlebnis Ace Cafe einstimmen möchte, lauscht dem Rock ’n‘ Roll aus dem Ace Cafe Radio.

Murtis, Mantras, Marmorsäulen – der Hindutempel in Neasden

26 000 tonnenschwere, marmorne Bauteile, architektonisch nach hinduistischer Tradition geformt, bilden den prunkvollen Hindutempel Shir Swāminārāyan Mandir in Brents Stadtteil Neasden. Der 1995 fertiggestellte Tempel gilt als größter außerhalb Indiens und wirkt mit seinen weißen Kuppeln, Türmchen und verschnörkelten Bögen wie ein überdimensionales Sahnebaiser.

Das Herzstück bildet das Sanktuarium mit kunstvollen Säulen, handgeschliffenen Ornamenten und einer prächtigen Kuppel. Zu bestimmten Zeiten stellen Tempel-Volontäre in weißen Gewändern Schalen mit frischen Blumen und Opfergaben in den Schreinen bereit, die bald darauf geöffnet werden. Zum Vorschein kommen golden glänzende Murtis: Statuen, die hinduistische Gottheiten verkörpern.

Gläubige murmeln Mantras, Besucher staunen über die Schönheit. Wer es schafft, sich vom Glanz loszureißen, darf sich, fast Tür an Tür, im indischen Restaurant Shayona in der Pramukh Swami Road mit Currys, Dosas, Chutneys und allerhand weiterer vegetarischer Köstlichkeiten belohnen.

Reggae made in Harlesden

„Das war schon ein ziemlich wildes Leben damals, als ich mit Bob Marley auf Tour war“, erzählt Popsie Deer. Beide verband die Leidenschaft zum Reggae – und eine Freundschaft. Dem lässigen 72-Jährigen mit Rauschebart und Baskenmütze gehört der Plattenladen Starlight Records im Stadtteil Harlesden. Sein kleines Ladengeschäft ist gepflastert mit Vinyls und CDs, aus den Boxen schallt Reggae. Über die Bakerloo Linie – Station Willesden Junction – ist Popsie Deers ikonischer Laden gut zu erreichen.

Und das schon seit den 1970er-Jahren, in denen er auch das gleichnamige Plattenlabel gründete. Wie Marley, stammt auch Deer aus Jamaika. Einwanderer trugen den Reggae nach Brent, von wo sich Stars wie The Cimarons oder Dennis Brown ihren Weg über Europa bahnten.

Mit dem Projekt „No Bass Like Home“ feierte der Kulturbezirk Brent 2020 sein musikalische Erbe. Und hat eigens hierfür eine umfangreiche Online Reggae-Map entwickelt. Sie nennt die wichtigsten Hintergründe über Klubs und Plattenlabel der Szene – und führt natürlich auch zu Popsie Deer.

Infokasten: London-Brent 

Reiseziel: Der Bezirk Brent befindet sich im Nordwesten Londons.

Anreise: Mit dem Flugzeug ist London über die Flughäfen Heathrow, Stansted, Luton oder Gatwick erreichbar. Mit der Bahn ist London via Eurostar zu erreichen. Tickets dafür können zum Beispiel online bei der Deutschen Bahn gekauft werden.

Einreise und Corona-Lage: England ist derzeit als Hochrisikogebiet eingestuft. Zur Einreise benötigen EU-Bürger grundsätzlich einen Reisepass, der mindestens für die Dauer des Aufenthalts gültig sein muss. Ein Visum wird von EU-Bürgern für touristische Aufenthalte nicht verlangt. Aktuelle Informationen gibt es online. Vollständig Geimpfte und Minderjährige können ohne Corona-Test einreisen. Nicht oder nicht vollständig Geimpfte benötigen zur Einreise einen negativen Corona-Test. Sie müssen zudem bis zum zweiten Tag und ab dem achten Tag nach Einreise zwei weitere PCR-Tests machen und sich in eine zehntägige Quarantäne begeben. Ab dem fünften Tag nach Einreise ist eine Freitestung möglich. Weiterhin müssen sich Reisende nach England elektronisch registrieren. (Stand 8. Februar 2022)

Übernachtung: Komfortabel, modern und großzügig übernachten Gäste im Vier-Sterne-Hotel Hilton London Wembley. Es liegt unweit der Arena und des Designer-Outlets sowie fußläufig zur U-Bahn; eine Besonderheit ist die Dachterrasse der Sky Bar 9 mit Aussicht auf das Wembley Stadion. Adresse: Lakeside Way.

Traditionell britisch, historisch und preisgünstig empfängt The Black Lion seine Gäste in der 274, Kilburn High Road. Nächtigen dürfen sie teils unter Kronleuchtern des denkmalgeschützten Hauses aus dem 19. Jahrhundert. Im Erdgeschoss lockt ein Pub. Hinter dem Hotel liegt der schöne Kilburn Grange Park. Fußläufig liegt die U-Bahn-Station West Hampstead.

Mit einem Biergarten am Grand Union Kanal und nahe der Station Harlesden begeistert das Grand Junction Arms seine Gäste – ohne Frühstück, dafür aber mit einem Pub und schmackhaften Gerichten.

Info-Adresse: Tourismusinformation Visit Britain, Alexanderplatz 1, 10178 Berlin (Tel.: 030 3 15 71 90; Webseite: www.visitbritain.com) (dpa)