Die Affäre ist bereits 12 Jahre her. Zweimal hatten ein damals 26 Jahre alter Breakdance-Lehrer und seine 13 Jahre alte Schülerin einvernehmlich Sex. Viele Jahre später zeigte sie den Ex-Freund an. Wegen sexuellen Missbrauchs wurde er, heute 38, zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Am Montag sahen sich die beiden vor dem Essener Landgericht wieder.
Essen.
Es kommt nicht oft vor, dass sowohl Staatsanwältin als auch Richterin einem Angeklagten gut zusprechen, ihn verbal sozusagen in die Arme nehmen. Schon gar nicht bei einem Vorwurf, der da lautet: schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes.
„Und machen sie mal wieder richtig Sport“, muntert Richterin Luise Nünning den übergewichtigen 38 Jahre alten Tanzlehrer auf, nachdem sie ihn nach nur zweistündiger Verhandlung vor dem Essener Landgericht zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt hat. Wie geht das zusammen?
Ein Kind unter 14 ist in Deutschland sexuell unmündig, gemäß Paragraf 176 Strafgesetzbuch sind sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 Jahren grundsätzlich verboten. Das Mädchen ist dreizehneinhalb, als es mit dem angebeteten Tanzlehrer – 26 Jahre alt – einvernehmlichen Sex hat. Zwei Mal kommt es in der Wohnung des Angeklagten zu intimen Treffs, im Anschluss an eine Krafttrainings-Einheit. Er leitet einen Breakdance-Kurs, sie ist eine der Besten.
Studentin hat alles „gut verarbeitet“
Das war im September 2001, ist also gut zwölf Jahre her. „Ich habe immer gewusst, dass es verkehrt war. Wir wussten beide, dass man dafür bestraft werden kann“, sagt der Angeklagte nun vor Gericht. Als die Anzeige ihn nach Jahren erreicht hätte, sei er geschockt gewesen, aber nur kurz: „So etwas Negatives kommt immer auf einen zurück“, sagt er.
Er habe sofort seine Tanz- und Kunstprojekte, die er heute in Schulen als Workshops anbietet und von denen er mehr schlecht als recht leben kann, „auf Eis gelegt“. Er habe mächtig zugenommen. „Was ich getan habe, war falsch. Ich ärgere mich, dass ich es nicht geschafft habe, Abstand zu wahren!“
Und er entschuldigt sich bei der Zeugin, die heute eine 25 Jahre alte Studentin ist und das damalige Geschehen „gut verarbeitet“ hat: „Nein, ich habe nie Probleme damit gehabt, all’ die Jahre nicht!“
Erst nachdem sie mit ihrem Verlobten über die Sache geredet hätte, habe der ihr geraten, ihren früheren Tanzlehrer doch anzuzeigen, so schildert sie vor Gericht. Seine Entschuldigung quittiert sie freundlich, schaut ihm dabei ins Gesicht. Aber sie sagt auch: „Wer weiß, ob ich die Einzige war oder ob er es nicht noch mit anderen gemacht hat…“
Der Angeklagte verneint. Beziehungen vor und nach ihr seien alle mit älteren Mädchen gewesen. 2001, als er sich in die 13-Jährige verliebte, sei er in einer persönlichen Krise gewesen. Er habe einen guten Job gehabt, sei dann jedoch betriebsbedingt gekündigt worden. Er habe Umschulungen gemacht, doch viele berufliche Pläne seien geplatzt, nur das Tanzen, das habe funktioniert, er habe zunächst selbst getanzt, schließlich habe man ihm angeboten, Kurse zu leiten.
Eis essen und über Harry Potter reden
In solchen Kursen, sagt er vor Gericht, bauen sich Beziehungen auf. Man gehe mit der Gruppe Eis essen oder besuche Veranstaltungen. Mit der damals 13-Jährigen habe er gut reden können, er erinnere sich an die ersten Harry-Potter-Bücher, über die sie gesprochen hätten, aber auch über persönliche Sachen.
Die meisten Mädchen hätten ihn „angehimmelt“, das habe gut getan. Eines Tages sei er mit ihr Pommes essen gegangen, dann in seine Wohnung. Dort sei es passiert. Ob sie miteinander „gegangen“ wären, fragt die Richterin: „Kann man so sagen“, antwortet der Angeklagte. Doch nach knapp 14 Tagen beendet das Mädchen die kurze Affäre abrupt.
Zuvor hatte sie allerdings ihrem dem Gericht gestern vorliegenden Tagebuch ihr „erstes Mal“ anvertraut, hat es als „wunderschön“ beschrieben und in drastisch-deutlichen Einzelheiten geschildert. Was die Staatsanwältin zur Einschätzung bringt, dass es sich um ein „vorgereiftes junges Mädchen“ gehandelt habe, die dem Angeklagten auf Augenhöhe begegnet sei: „Sie haben ihr anscheinend ein gutes Gefühl gegeben!“.
Dies jedoch ändere nichts daran, dass es sich um sexuellen Missbrauch eines Kindes handele. Der Angeklagte wurde nach altem Strafrecht verurteilt, weil die Tat lange zurückliegt. Im neuen Strafrecht hat man die Mindeststrafe für sexuellen Missbrauch eines Kindes verdoppelt. Richterin Nünning: „Da gerät man auch in so einem Fall schnell in den Vollstreckungsbereich.“