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„Bahnhof des Jahres“-Jury prämiert erstmals Station in NRW

„Bahnhof des Jahres“-Jury prämiert erstmals Station in NRW

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Schönster Bahnhof - Steinheim Foto: dpa
  • Noch nie wurde ein NRW-Bahnhof als bester Bahnhof Deutschlands prämiert
  • Station in Steinheim im Kreis Höxter lässt „keine Wünsche offen“
  • Land NRW und Bahn investieren Millionen in Bahnhofs-Modernisierung

Essen. 

Eine „Super Visitenkarte für das Ruhrgebiet“ soll er werden, der Duisburger Hauptbahnhof. So hat es NRW-Verkehrsminister Michael Groschek jüngst angekündigt, als die Pläne für die neue Bahnsteighalle vorgestellt wurden. Der Umbau wird wohl im September offiziell gestartet. Vielleicht verhilft die in eleganten Wellen geschwungene geplante gläserne Dachkonstruktion Duisburg später mal zu einer Auszeichnung als „Bahnhof des Jahres“. Es wäre keine Premiere mehr: Erstmals wurde jetzt eine Station in NRW mit diesem höchsten Lob versehen. Weit weg von der Ruhrschiene…

Am Dienstag werden bei einem Festakt die Sektkorken am Bahnhof Steinheim in Westfalen knallen. Das Bündnis „Allianz pro Schiene“ hat an diesem Montag die Station als „Bahnhof des Jahres“ in Deutschland gelobt. In der Kategorie ‚Groß‘ wurde der Hauptbahnhof Stralsund prämiert. Steinheim ist im Kreis Höxter, hat etwa 13.000 Einwohner in neun Ortsteilen und liegt an der Bahnlinie Paderborn-Hannover.

Der Bahnhof Steinheim „lässt keine Wünsche offen“

Die Auszeichnung will Anregungen geben denen, die bei der Bahnhofsgestaltung das Sagen haben: Bahn AG, Nahverkehrsverbände, Politik und Kommunen. Hinter dem Bündnis „pro Schiene“ stehen nach eigenen Angaben 22 Non-profit-Verbände, wie etwa der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC, der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und der Verein pro Bahn, und 135 Unternehmen aus der Eisenbahnbranche.

Was den Bahnhof Steinheim so besonders macht? Er lässt laut Jury „keine Wünsche offen“. Steinheims Bürgermeister Carsten Torke lobt, er sei „ein Bekenntnis zur Ankommenskultur“. In den vergangenen fünf Jahren modernisiert, ist der Bahnhof nun barrierefrei, die beiden Bahnsteige wurden um gut 40 auf 76 Zentimeter erhöht – auf das Niveau der Zug-Einstiege. Eine Rampe macht den Zugang zu einem der Bahnsteige zudem rollstuhlgerecht. Die Jury lobt daneben Kundeninformation, Sauberkeit, die „Anschlussmobilität“, die „Integration in die Stadt“ – und den allgemeinen „Wohlfühlfaktor“ – die Checkliste findet sich im Internet. Der Bahnhof bietet ein Café, ein Restaurant, und das 1928 errichtete Bahnhofsgebäude ist seit fünf Jahren ein Hotel mit 13 Zimmern. Das bietet auch einen Fahrradkeller mit Werkzeug und einen Wasch- und Trockenraum für Radreisende. Auch gibt es einen Biergarten. Das Fazit der Jury: „Das breite Angebot für jede Kundengruppe ist aller Achtung wert“.

300 Millionen Euro um NRW-Bahnhöfe aufzumöbeln

Seit 2004 prämiert die „Allianz pro Schiene“ jährlich zwei Bahnhöfe in Deutschland als besonders vorbildlich. Stationen im Ruhrgebiet waren noch nicht darunter, dabei wird inzwischen viel Geld hineingesteckt. Zuletzt hatten Bahn AG und Land NRW in diesem Februar angekündigt, in den kommenden Jahren 106 Bahnhöfe in NRW zu modernisieren; insgesamt gibt es knapp 700 Bahnhaltepunkte im Land. Mehr als 300 Millionen Euro sind bereitgestellt für die mittlerweile dritte „Modernisierungsoffensive“ (MOF). Im ersten Programm wurden zwischen 2004 und 2011 insgesamt 87 NRW-Bahnhöfe modernisiert. Im Projekt MOF 2 werden bis 2019 aktuell 117 kleine und mittlere Bahnhöfe überwiegend barrierefrei ausgebaut, sagt ein Bahnsprecher: „Dann sind 80 Prozent der Bahnhöfe in NRW stufenfrei ausgebaut.“

Doch die Crux liegt im Detail, sagt Lothar Ebbers von ProBahn NRW: Vieles beim Bahnhofsumbau würde nicht aus dem Blick der Reisenden geplant. Häufig regiere der Rotstift, wie etwa beim Neubau des Bahnhofs Oberhausen-Sterkrade. Dort würden etwa die Bahnsteig-Dächer „möglichst kurz gehalten“, sagt er. Hinzu kämen Probleme der Bahn, die zu wenig Planungskapazität hätte, um die Projekte zeitnah begleiten zu können.

Es gibt zu viele Bahnhöfe in NRW

Natürlich sei manches schöner geworden an Rhein und Ruhr, sagt auch Ebbers. Doch für einen „Bahnhof des Jahres“ sieht er bei den großen Stationen in NRW kaum Chancen: „Es gibt einfach zu viele Bahnhöfe, da lässt sich keiner mit besonders viel Aufwand herausputzen“.

Der zum Kulturhauptstadtjahr 2010 modernisierte Hauptbahnhof Essen etwa habe aus Sicht eines Jurymitglieds keine guten Karten gehabt. Einer der Aspekte sei das ‚Flair‘: „Er ist zu sauber für einen typischen Ruhrgebietsbahnhof“, es fehle das „besondere Etwas“, meinte zumindest Karl-Peter Naumann, Vize im Bundesvorstand der Allianz pro Schiene, in einem WAZ-Bericht vom August 2014 – als der Hauptbahnhof Dresden das Rennen machte. Lothar Ebbers ergänzt Praxis-Mängel: „Man kommt zum Beispiel von einem der beiden Nebengänge nicht auf jeden Bahnsteig“. Und der Fahrkartenverkauf ist in einen Extrabau auf der Bahnhofsrückseite ausgelagert. Wirklich vorbildliche Bahnhöfe habe Ebbers jüngst in den Niederlanden kennen gelernt, wo die Hauptbahnhöfe großer Städte derzeit alle modernisiert oder sogar neu gebaut würden, ausgerichtet auf weiter wachsende Fahrgastzahlen.

Von der „Allianz pro Schiene“ in der Vergangenheit als besonders vorbildlich gelobt wurden unter anderem die Hauptbahnhöfe Bremen, Leipzig, Göttingen und Hannover. Ob der Hauptbahnhof Duisburg mal dazustoßen wird? Am jüngst prämierten Hauptbahnhof Stralsund lobt die Jury unter anderem „die gewisse Patina des Gebäudes, die Stralsund jedem aalglatten Neubau voraus hat“.