Ausverkauf im einst teuersten Bordell Deutschlands
Prominente gingen ein und aus in den Etablissements an der Rethelstraße in Düsseldorf. Nach dem „K.o.-Tropfen-Skandal“ gingen sie pleite.
Düsseldorf.
Eines steht fest – eigentlich wollten sie hier alle nur spielen. Wie sonst erklären sich Plüschtiger in Lebensgröße, Cowboy- und Indianerfiguren und, wie goldig, ein Kasperletheater zwischen dem XXL-Bett mit den Rosenkissen und der rosa Badewanne – alles für das Kind im Manne. Nun ist der Lack an den Türen abgestoßen, die Klobrille mit dem Leopardenmuster hängt etwas schief und auch die Whirlpool-Armaturen haben schon bessere Zeiten gesehen, und der Teppichboden erst…. Seit zwei Jahren sind Düsseldorfs bekannteste Bordelle an der Rethelstraße 77,75 und 73 dicht, die sich zeitweise rühmten, auch Deutschlands teuerste zu sein. Vor zwei Wochen hat der Ausverkauf der gesamten Inneneinrichtung der Etablissements begonnen; was sich herumgesprochen hat, nicht nur bei Schnäppchenjägern. Einmal Bordell-gucken wollen viele, auch an diesem Tag.
„Mamma Mia“…
Sie tun es mit einer Mischung aus Staunen und leichtem Schaudern, weil es ein ganz kleines bisschen abgestanden riecht nach Resten von Schampus und Zigarren, oder bildet man sich das allen nur ein?
„Mamma Mia“, sagt denn auch der italienische Tourist, der mit Freundin und Hund überwältigt ist angesichts von Plüschkissen und Pailetten-Vorhängen und sonstigem Edelkitsch. Der ältere Herr, der sich noch einen Fächer aus dem „Asien-Zimmer“ gesichert hat, schüttelt im römischen Boudoir dann doch den Kopf: „Junge, Junge, sogar den ollen Nero haben sie hier auf der Wanne stehen.“ Der italienischen Dame zugewandt fragt er: „Na, hätten Sie sich einen Puff so vorgestellt?“
Nein. Ehrlich gesagt, hätte man sich nicht träumen lassen, dass man(n) bei soviel Plüsch und manchem Plunder, Aug’ in Aug’ mit afrikanischen Masken oder ausgebleichten Rinderschädeln, Holzgiraffen oder mannshohen römischen Uniformierten in Stimmung kommt. Vielleicht hatten sie ja da auch schon die eine oder andere der Magnum Champagnerflaschen geköpft, die oben im Flur auf einem Regal vor der verblichenen rosa Tapete aufgereiht sind.
Wer die mordssteile, knarzende Treppe mit dem roten Geländer erst einmal hinaufgestiegen ist und einen Blick in die schummrigen Zimmer riskiert hat, entdeckt so manches, was Zuhause auch gebraucht werden kann. Marokkanische Lampen zum Beispiel für fünf Euro, ein Schnäppchen. Ein junger Mann freut sich über zwei schön verzierte Spiegel, zehn Euro das Stück. Seine Frau steht daneben, das Baby im Tragetuch auf der Brust: „20 Euro für solche Spiegel, das hat sich gelohnt!“ Auch die Damen an den Wänden, in Öl und Acryl oder einfach fotografiert entbehren nicht einer gewissen Ästhetik, sie könnte heutzutage auch von Heidi Klum ein Foto bekommen und als Topmodel eine Runde weiter sein. Vulgär ist anders.
„Promis aus Wirtschaft, Funk, Fernsehen sind hier ein und ausgegangen, das war eine Institution“, erzählt der Düsseldorfer Dirk Tillen, der für seine Frau schnell noch ein Espressotässchen und mehrere Paar neue Frotteebadeschlappen ergattert hat. Musikproduzent Tillen, Jahrgang 1940, kennt die Häuser „von früher“ lacht er – „Als junger Taxifahrer habe ich hier den einen oder anderen Gast hingefahren!“ Für seine „Empfehlung“ steckte ihm die oberste Dame des Hauses einen Hunderter zu. „Und manchmal saßen wir in der Küche, die Mädels und ich auch, dann gab’s aus dem Kühlschrank Hörnchen, und wir aßen zusammen…“.
Champagner für 18 000 Euro
In der Tat hat die Rethelstraße eine 90-jährige Bordellgeschichte, erst Wehrmachtssoldaten, dann Alliierte gingen hier ein und aus. Mitte der 80er kam Bert Wollersheim (65), gelernter Friseur und schillernder Erotik-Großunternehmer, heutzutage mit seiner Frau Sophia (die aus dem RTL-Dschungelcamp) ein Liebling der Boulevard-Medien. Er brezelte die Häuser auf, indem er 24 Motto-Zimmer mit Hilfe einer Künstlerin kreierte und machte sie zu sündteuren Etablissements. Champagner, der teuerste, kostete 18 000 Euro – Krug Cros D’Ambonnay, ein Bierchen war schon für 22 Euro zu haben, ganze Nächte für mehrere Tausende.
Scheichs aus Saudi-Arabien waren besonders gern gesehen Gäste: „Die fuhren in Stretch-Limousinen vor, während sie ihre Frauen zum Kaffee trinken schickten“, erinnert sich Tillen. Und manche Männer, so will es die Legende, blieben gleich wochenlang da…
Doch das war anscheinend nicht genug. Hohe Wellen schlugen 2012 die „K.o.-Tropfen-Prozesse“ gegen einen Geschäftspartner Wollersheims und mehrere Prostituierte, die Gäste gefügig gemacht und um hohe Kreditkarten-Summen erleichtert hatten. Wollersheim ging unversehrt aus der Affäre heraus, die Läden jedoch wurden geschlossen – Insolvenz.
Nun droht den Häusern der Abriss, es sei denn, „es findet sich jemand, der sie zu seinem Privatvergnügen kauft“, sagt der Vertreter der Immobilienverwaltung, die den Ausverkauf abwickelt. Das Geschäft laufe gut, vor allem, weil man nach dem „Ikea-Prinzip“ die „Motto-Zimmer“ in ihrem ursprünglichen Zustand gelassen habe. So etwas beflügelt die Phantasie: „Und die Preise sind ganz unten!“
Und wer will, kann Zimmer oder den ganzen Laden für einen Geburtstag oder einen skurrilen Junggesellenabschied mieten, das kostet irgendwas zwischen 300 bis 700 Euro.
Jeden Donnerstag zwischen 16 und 20 Uhr öffnet die Rethelstraße 77 ihre Türen.
Zu kaufen gibt es Edel-Trödel, Kissen, Figuren, Büsten, Gläser, Aschenbecher, Spiegel und Lampen.