Essen.
Duisburg hat den höchsten! Betrachtet man die Hebesätze für die Grundsteuer, dann kann derzeit keine andere Großstadt in NRW an der größten Binnenhafenstadt Europas vorbeisteuern. 855 Prozentpunkte lautet das Maß, mit dem die Grundsteuer B berechnet wird. Im benachbarten Düsseldorf liegt der Satz mit 440 Punkten gerade einmal halb so hoch.
Grundsteuer muss jeder bezahlen, egal ob Eigenheimbesitzer oder Mieter. „Die Grundsteuer ist eigentlich eine Volkssteuer“, sagt Markus Berkenkopf vom Steuerzahlerbund NRW. Einer Erhöhung des Hebesatzes entkommt man nicht, höchstens durch Wegzug in eine andere Stadt mit einem niedrigen Satz. Berkenkopf: „Wer tut das schon?“ Aus diesem Grund gehören Grundsteuern, aber auch die zum Leidwesen der örtlichen Wirtschaft erhobenen Gewerbesteuern zu den sichersten Einnahmequellen der Kommunen.
Die Höhe dieser so genannten Realsteuern kann jede Gemeinde selbst festlegen, entsprechend wächst die Begehrlichkeit, das auch zu tun – besonders wenn die Kassen leer sind. Eine Obergrenze gibt es nicht. Kein Wunder also, dass ausgerechnet die finanzschwachen Ruhrgebietsstädte besonders kräftig an der Steuerschraube drehen und ihre Bürger zur Kasse bitten, um die marode Haushaltslage aufzubessern.
Spardiktate des Landes
Ganz offenbar scheint die Rechnung aufzugehen. Laut einer aktuellen Erhebung der statistischen Landesbehörde steigen die Einnahmen der Kommunen aus Steuern oder steuerähnlichen Abgaben in NRW auf breiter Front. 9,5 Milliarden Euro flossen in der ersten Jahreshälfte landesweit in die kommunalen Kassen. Das sind 8,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Vergleich zu 2010 stiegen die Steuereinnahmen sogar um 32 Prozent. Schon dieser Anstieg liegt weit über der Teuerungsrate.
Gerade im Ruhrgebiet scheint sich unter dem Eindruck der vom Land vorgegebenen Spardiktate ein regelrechter Wettbewerb um die höchsten Steuersätze zu entwickeln. In der Nacht zum Freitag erst beschloss die Hattinger Politik den ohnehin schon hohen Grundsteuersatz um weitere 33 Prozent auf 875 Punkte heraufzusetzen.
In Witten gibt es einen Vorratsbeschluss für eine Erhöhung auf 910 Punkte für den Fall, dass die Ruhrgebietsstadt ihr Haushaltsdefizit anders nicht in den Griff bekommt.
Duisburg hat mit 855 Prozentpunkten schon jetzt einen der höchsten Grundsteuer-Hebesätze bundesweit. Im ersten Halbjahr 2015 knöpfte die hoch verschuldete Stadt ihren Bürgern 58 Millionen Euro an Grundsteuern ab. Im selben Zeitraum vor fünf Jahren waren es nur 33,5 Millionen – ein Anstieg um satte 73 Prozent. Mit über 44 Prozent in den vergangenen fünf Jahren ist auch in Essen das Grundsteueraufkommen spürbar angestiegen, ohne dass sich im selben Zeitraum die Zahl der Einwohner signifikant verändert hätte. Mit 69 Millionen Euro im ersten Halbjahr liegt es inzwischen auf Düsseldorfer Niveau, obwohl in der Landeshauptstadt die für die Berechnung maßgeblichen Immobilien-Einheitswerte höher ausfallen. Überdurchschnittlich stieg das Grundsteueraufkommen auch in Dortmund, Bochum und Mülheim (siehe Tabelle).
Bereits vor Monaten hatten Wirtschaftsverbände vor einer überproportionalen Besteuerung von Bürgern und Betrieben in NRW-Städten gewarnt. Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) liegen die Hebesätze der Grund- und Gewerbesteuer auf Rekordniveau. Bei der Grundsteuer B stiegen die Hebesätze in NRW in diesem Jahr um durchschnittlich 44 Prozent an und damit mehr als doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt.
Kein Ende der Fahnenstange in Sicht
Fünf NRW-Kommunen stehen bundesweit an der Spitze der Grundsteuerhebesätze, allen voran Duisburg. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Das kleine Bergneustadt stand kurz davor, die Schallmauer von 1000 Punkten zu durchbrechen. Doch statt auf 1255 Prozentpunkte einigte sich die Gemeinde im Bergischen Land auf eine Anhebung auf „nur“ 959 Punkte.
Der Steuerzahlerbund NRW fordert, den ständigen Dreh an der nach oben offenen Grundsteuer-Skala endlich zu begrenzen. Das Land müsse eine Grundsteuerbremse nach Art der Mietpreisbremse einführen, sagte BdSt-Experte Markus Berkenkopf dieser Zeitung. Auch um Sprünge wie jetzt in Hattingen zu unterbinden.