Erste Asylbewerber besuchen als Gasthörer die Uni Bochum
Seit dem Wintersemester sitzen an vielen deutschen Hochschulen Flüchtlinge als Gasthörer mit im Hörsaal. Unterwegs mit dem Syrer Hadi (28) am Einführungstag an der Uni in Bochum.
Bochum.
Das Firmenlogo erkennt Hadi (28) sofort, auch 3076 Kilometer und ein Meer entfernt von zu Hause: früher habe sein Vater in Damaskus Aufzüge genau dieser deutschen Firma importiert. Der Aufzug in der Ruhr-Universität Bochum bringt Hadi auf Etage 5 zum „English Department“. Hier will er – neben seinen 17,5 Wochenstunden Deutschkurs – zwei Tage die Woche das Englischstudium fortführen, das er ohne Abschluss in Syrien zurücklassen musste.
Hadi ist seit zweieinhalb Monaten Asylbewerber in Deutschland und seit kurzem Gasthörer an der Ruhr-Uni. Möglich wird das durch deren Programm „Offener Hörsaal“, eins von mehreren Dutzend vergleichbaren Projekten an deutschen Hochschulen. Studierwillige Flüchtlinge sollen sich als Gasthörer und mit Deutschkursen auf ein reguläres Studium vorbereiten können.
Asylbewerber belegen Kurse an der Universität
Rund 35 Asylbewerber aus Syrien, dem Iran, Afghanistan, der Mongolei und Nigeria belegen in diesem Semester erste Kurse, etwa in Management and Economics, Ingenieurwissenschaften, Jura oder Medienwissenschaft, berichtet die Bochumer Koordinatorin Michaela Wurm. „Der Großteil sind Männer. Die meisten im Programm haben schon ein Studium begonnen, teilweise auch schon abgeschlossen.“
Wurm hofft, dass die Flüchtlinge „im nächsten Jahr zum Wintersemester ihr reguläres Studium aufnehmen können, sich hier ausbilden lassen und dann als Arbeitskraft hier ihr Leben gestalten können“. Dazu müssen sie aber einige Hürden überwinden. Um regulärer Student zu werden, müssen sie Deutschkenntnisse auf dem zweithöchsten Niveau (C1) nachweisen. Außerdem müssen sie gegenüber der Hochschule belegen, dass sie einen dem Abitur vergleichbaren Schulabschluss besitzen oder eine entsprechende Prüfung ablegen.
Erste Schritte am Uni-Campus
Als Gasthörer müssen die Asylbewerber aber mit der Unsicherheit leben, im Asylverfahren einem anderen Wohnort zugewiesen zu werden. Da ist es nicht immer einfach, sich auf die Lerninhalte zu konzentrieren. Auch das Alleinsein fällt schwer. „Es ist schon manchmal hart“, sagt Hadi. Doch er ist entschlossen: „Ich will schnell Deutsch lernen, weil ich hier arbeiten will. Ich will etwas für Deutschland tun. Alles, was ich tun kann, werde ich tun.“
Doch zunächst braucht er viel Orientierungshilfe, um sich auf dem Uni-Campus und im Computersystem der Hochschule zurecht zu finden. Die bekommt er derzeit vor allem von seinem Fachschaftsrat. Christina Lammering zeigt Hadi mehr als eine Stunde lang Seminarräume, Geschäftszimmer, Bibliothek und Cafeteria und andere wichtigen Einrichtungen einer Uni. Die 22-Jährige ist nicht die einzige, die den Flüchtlingen bei ihren ersten Schritten an der Uni hilft. Die Anfang des Jahres gegründete Initiative „Studentische Flüchtlingshilfe“ hat auf Facebook knapp 700 Mitglieder.
Kein Abschluss als Gasthörer möglich
Einen Abschluss können Flüchtlinge als Gasthörer in Bochum nicht erwerben. Nur wenige Hochschulen gehen so weit wie die Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie stellt nach Auskunft des Bundesverbands Hochschulkommunikation „politischen Flüchtlingen“ mit höherem Schulabschluss „den vollständigen Hochschulzugang, auch bei unvollständiger Aktenlage“ in Aussicht.
„Eine Gasthörerschaft allein hilft einem Flüchtling natürlich nicht auf dem Arbeitsmarkt“, sagt denn auch Jörg Linden von der Industrie- und Handelskammer in Bochum. „Wenn aus dieser Orientierungsphase später ein Studium mit erfolgreichem Abschluss werden sollte – dann ist das natürlich von Nutzen, einen Job in einem Unternehmen zu finden.“
Hadi jedenfalls will sich nicht allein darauf verlassen, sein Englischstudium zu beenden. Wichtig ist für ihn derzeit vor allem der Deutschkurs. Denn später will er sich zum Mechatroniker ausbilden lassen. Wenn der Krieg in Syrien vorbei ist – „in drei oder fünf oder sechs Jahren“, so hofft er – würde er sich gerne wie sein Vater eine Existenz in der Fahrstuhlbranche aufbauen und vielleicht im Bereich Import/Export in Deutschland und in Syrien arbeiten. (dpa)