An Rhein und Ruhr.
Es ist ein Massendelikt. Die Stadt Essen hat einmal genau hingeguckt und dabei festgestellt, dass 23 000 ihrer Bürger mit einem abgelaufenen Personalausweis unterwegs sind. Das sind immerhin fünf Prozent der Wahlberechtigten. Von diesen 23 000 schleppen 9000 das unwirksame Dokument schon länger als ein Jahr herum.
Würde der durchschnittliche nachlässige Essener statt in Essen im rheinischen Bergisch Gladbach wohnen, käme ihn das teure 50 Euro zu stehen. Pro Jahr Ungültigkeit, versteht sich. So gibt sich Essen kulant. Strafgeld? Kein Thema.
Dabei redet gerade alles über den Personalausweis. Nicht nur, weil die Länderinnenminister verhindern möchten, dass gewalttätige Islamisten mit diesem Papier in die Kriegsgebiete Syriens und Iraks ausreisen. Auch, weil die Stadt Dortmund plant, zur Sanierung des Stadtetats zehn Euro Strafgeld für das abgelaufene Stück zu erheben, wenn im Amt auffällt, dass es seit sechs Monaten ungültig ist.
Reisepass ersetzt den Ausweis
Aber das Wissen über das früher mal DIN A 7 große und graue, heute elektronisch im Scheckkartenformat an alle über 16 Jahre verteilte Identifikations-Dokument ist ziemlich beschränkt.
Klar: Es gibt die Ausweispflicht für alle deutschen Staatsbürger. Klar auch: Keinem Deutschen kann, anders als im Fall eines Reisepasses, der Ausweis entzogen werden. Das macht es den Innenministern übrigens rechtlich so schwer, Ausreisen wie die in die Türkei zu durchkreuzen, für die ein Personalausweis reicht.
Aber schon eine speziellere Frage an Verwaltungsmitarbeiter verwirrt diese: Ersetzt eigentlich ein Reisepass einen Personalausweis?
Erst nach einem Blick in die Paragrafen (Personalausweisgesetz §1, Absatz 2, letzter Satz) oder der Nachfrage beim spezialisierten Kollegen ist dann oft einsichtig: Ja, ein gültiger Pass ersetzt den „Perso“- auch, wenn die Wohnadresse nicht enthalten ist. Genauso eindeutig: Nein, niemand muss seinen Personalausweis immer mit sich herumtragen.
Es gibt zahlreiche Länder ohne die Ausweispflicht. Dazu gehören die Schweiz und die Vereinigten Staaten. Sie verteidigen dort ihre Haltung mit dem Hinweis, ein Ausweis würde den Zivilbürger zu sehr der Staatsmacht ausliefern.
Tatsächlich: In Deutschland ist der Ursprung der Ausweispflicht kein demokratischer, sondern eine Ausgeburt der „dunklen zwölf Jahre“ der jüngeren Geschichte. Die Nazis haben sie am 10. September 1939, kurz nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen, eingeführt. Ihr Motiv war klar: Juden sollten von Ariern auch auf dem Papier unterscheidbar sein.
Seither ist der „Perso“ zahlreichen Wandlungen unterworfen worden. Seine Geschichte ist eng verknüpft mit teils dramatischen Ereignissen.
Einmal grau, einmal blau
1951 führte die junge Bundesrepublik zwei Jahre nach der Gründung den grauen und die fast zeitgleich gegründete DDR den blauen ein.
Das wichtigste Merkmal des grauen Heftchens: Es kostete den Bürger keinen Pfennig. 1987, nach dem blutigen Terror der RAF, änderte sich das abrupt. Der Personalausweis musste fälschungssicher werden.
Das schlug erstmals mit zehn D-Mark Gebühr zu Buche. Die Anschlagsserie von 9/11 in den USA 2001 machte die Identifikation dann noch teurer. Die neue Elektronik-Karte, mit biometrischen Daten versehen, muss heute jedem Bürger 28,80 Euro wert sein.
Dafür kann er – Volljährigkeit vorausgesetzt – jetzt auch Zigaretten am Automaten kaufen.