Familie Esper wurde 2002 Opfer des Anschlags von Djerba. Der jüngste Anschlag von Tunis beschwört das überwunden geglaubte Trauma wieder herauf.
Bergkamen.
„In Tunis hat es einen Anschlag gegeben.“ Diese Nachricht erreicht Michael Esper per Handy im Auto. Sofort schaltet er das Radio ein. Als er hört, dass unter den Todesopfern viele Touristen sind, steigt ein überwunden geglaubtes Gefühl in ihm hoch: „Eine Mischung aus Todesangst, Ohnmacht und Verzweiflung. Ich hab’ mich genauso verletzlich wie damals gefühlt. Die alten Bilder waren sofort wieder da.“
Der Bergkamener, seine Frau Andrea und Sohn Adrian wurden am 11. April 2002 selbst Opfer eines Terroranschlags auf der tunesischen Ferieninsel Djerba. Bei der Tat, zu der sich das Terrornetzwerk Al-Kaida bekannte, wurden 21 Menschen getötet, darunter 14 deutsche Touristen. Schlimm traf es Adrian Esper. Das damals drei Jahre alte Kind erlitt lebensgefährliche Verletzungen. 50 Prozent seiner Haut verbrannten, besonders betroffen war sein Gesicht.
Rund 60 Operationen
Bis heute lebt der inzwischen 16-jährige Adrian mit den zum Teil entstellenden Verbrennungen. Er hat rund 60 Operationen – meist Hauttransplantationen – hinter sich. Als Opfer hast du lebenslänglich. Adrian – weil er mit den Verbrennungen sein Leben verbringen wird. Die Familie insgesamt – weil sie lernen muss, mit den Folgen für Körper und Seele umzugehen.
„Wir nehmen immer mal wieder psychologische Hilfe in Anspruch“, sagt Michael Esper. Doch er gibt zu, dass zwölf Jahre Therapie nichts ausrichten können, wenn es Terroranschläge gibt, „die solche Parallelen zu unserem Anschlag aufweisen“. In der Tat: Bei den Espers im Jahr 2002 auf Djerba verhielt es sich ähnlich wie bei den Touristen, die am Mittwoch in Tunis angegriffen wurden. Die Espers besichtigten damals die La-Ghriba-Synagoge auf der viel besuchten Insel, als ein mit Flüssiggas beladener Lkw explodierte und 21 Menschen in den Tod riss. Der aktuelle Anschlag ereignete sich in der – ebenfalls bei Touristen beliebten – Hauptstadt Tunis, direkt vor dem Nationalmuseum. Dort töteten die Attentäter über 20 Menschen, darunter auch Touristen.
Bilder von damals sind wieder da
„Nach so einem Anschlag ist nichts mehr wie es war“, sagt Michael Esper heute. Man werde die Bilder nicht mehr los. Von einigen Überlebenden, so der Bergkamener, werde das Leben als nicht mehr lebenswert empfunden. Bei Espers selbst ist das anders: „Wir gehen positiv mit unserem Leben um. Es bringt auch nichts, sich die Warum-wir- oder Was-wäre-wenn-Frage zu stellen.“
Das eigentliche Problem sieht der Bergkamener häufig im Umfeld der Opfer. „Wenn du anders bist und wenn es anders läuft als es der Norm entspricht, ist es für die Gesellschaft problematischer damit umzugehen als für dich selbst.“ Die Espers haben gelernt, mit einem veränderten Sohn Adrian umzugehen. Der Schüler muss die Sonne meiden. Mit Verbrennungen dritten Grades sind Strand- und Winterurlaube ausgeschlossen. „So ein Anschlag zerstört Träume“, sagt sein Vater.
Sein Mitgefühl gilt den Opfern des jüngsten Attentats. „Hoffentlich kriegen sie schnell die Hilfe und das Mitgefühl, das angebracht ist. Hoffentlich gibt es dort Dolmetscher.“