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Bürger sollen bei Massentierhaltung mitsprechen dürfen

Bürger sollen bei Massentierhaltung mitsprechen dürfen

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epd-bild-00330735-HighRes-056.jpg Foto: imagebroker/Jochen Tack
Bauministerin Barbara Hendricks will Bürgern ein Mitspracherecht beim Bau von Megaställen einräumen. Ein Gesetzentwurf ist in Arbeit.

Berlin. 

Ob Schweine, Rinder, Hühner, Legehennen oder Puten. Millionen Tiere stehen während ihrer Aufzucht oft dicht gedrängt in riesigen Ställen. Auslauf im Freien ist nicht vorgesehen. Aggressionen untereinander sind Alltag. Die Tierhaltung in der Massenzucht in Deutschland steht nicht nur bei Tierschützern immer wieder in der Kritik. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat das Thema nun auf ihre Agenda gesetzt – und zwar sowohl um „Fehlentwicklungen bei der Tierhaltung einzudämmen“ als auch zum Schutz der Umwelt.

„Wir brauchen einen Wandel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft“, begründete die SPD-Politikerin am Mittwoch ihren Vorstoß. Statt Agrarfabriken bedürfe es einer „regional verankerten, umweltschonenden Landwirtschaft, die Wasser und Luft sauber und gesund hält und die Artenvielfalt schützt.“

Privilegien der Bauern sollen gestrichen werden

Konkret nutzt Hendricks ihre Funktion als Bundesbauministerin und will den Neubau von sehr großen Ställen und Mastanlagen durch Bebauungspläne erschweren. Gemeinden und Bürger sollen künftig ein Mitspracherecht erhalten, ob sie eine Masttieranlage in ihrer Region zulassen wollen oder nicht. Dazu soll das Baugesetzbuch geändert werden – und alte Privilegien der Bauern gestrichen werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf sei in Arbeit und soll „in der nächsten Zeit“ vorgelegt werden.

Das heutige Recht bevorzugt „landwirtschaftliche Tierhaltungsbetriebe“. Sie werden in der Regel ohne Bebauungsplan genehmigt, sofern die Betreiber ausreichend Fläche vorweisen können, auf der theoretisch das für die Tiere benötigte Futter angebaut werden kann. Dieses Privileg – das auch die Energiebranche zum Bau für Wind- und Solaranlagen genießt – soll für die Landwirtschaft abgeschafft werden.

Agrarfabriken bräuchten Abluftfilter

Geplante Großanlagen dürfen auch nicht mehr in viele kleinere Ställe aufgeteilt werden. Durch dieses Verfahren wird mancherorts die notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen, die eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorsieht. „Mit dieser Salami-Taktik muss Schluss sein“, so Hendricks: „Viele kleine Anlagen ergeben eine Großanlage.“ Zudem sollen die Emissionsschutz-Auflagen verschärft werden. Agrarfabriken müssten mit Abluftfiltern ausgestattet werden, um die Bevölkerung besser von den stechenden Gerüchen der Tiersekrete zu schützen.

Mit ihrer Initiative greift Hendricks in das Kerngebiet von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ein, dessen Ministerium deshalb auch nicht übermäßige Unterstützung signalisierte. Der CSU-Politiker ist nicht nur für das Tierwohl verantwortlich, sondern auch tendenziell an der Seite der Bauern und ihrer Verbände. „Wir dürfen die Entwicklungsperspektive der Landwirtschaft nicht blockieren“, sagte Ministeriumssprecher Jens Urban unserer Redaktion. „Kernaufgabe der Landwirtschaft ist und bleibt die Ernährungssicherung unserer Bevölkerung. Dazu gehört auch die tierische Veredelung mit ihren in Deutschland hoch nachgefragten Produkten.“ Das Ministerium werde sich Hendricks’ Entwurf „in Ruhe ansehen“ und sich entsprechend einbringen.

Bauernverband fürchtet weiteres Höfesterben

Der Deutsche Bauernverband lehnt weitere Verschärfungen des Baurechts unterdessen kategorisch ab. Vor zwei Jahren seien die Vorschriften schon verschärft worden. „Dies hat bereits zu einem drastischen Rückgang der Stallneubauten geführt“, sagte der Generalsekretär Bernhard Krüsken unserer Redaktion. „Die beabsichtigte Regelung führt zu Mehrkosten, die von kleineren Betrieben nicht mehr getragen werden können. Dies würde zu einem weiteren Höfesterben führen.“

Grundsätzlich sollen die Bebauungspläne nur für große Ställe gelten. Größe ist relativ und wird nach Tierart definiert. Groß ist eine Massentierzucht ab 1500 Schweinen, 600 Rindern, 30.000 Masthähnchen, 15.000 Hennen oder 15.000 Puten, erläuterte Hendricks. Grundsätzlich will die Ministerin die konventionelle Landwirtschaft jedoch „nicht verteufeln. Nicht jeder in unserer Gesellschaft kann sich Bio leisten“, sagte Hendricks. „Die konventionelle Landwirtschaft hat ihren Platz, aber sie muss sich ändern.“

Deutschland hält Grenzwerte nicht ein

Die Agrarindustrie stellt bundesweit längst ein Umweltproblem dar – insbesondere für Gewässer und Luft. Obwohl der Fleischkonsum seit Jahren sinkt, steigt die Produktion auf immer neue Rekorde. Die Landwirtschaft produziert rund 20 Prozent mehr als gegessen wird. „Wir exportieren unser Fleisch in die ganze Welt, während wir auf den Umweltschäden sitzen bleiben“, mahnte Hendricks.

Durch den Ausstoß von Methan bei der Verdauung tragen Nutztiere rund 70 Prozent zum klimaschädlichen Treibhausgasausstoß in der Landwirtschaft bei. Durch den großen Anfall von Gülle würden die Felder übermäßig gedüngt, was Böden und Grundwasser vielerorts belaste. „Deutschland ist seit über 20 Jahren nicht mehr in der Lage, die EU-Grenzwerte für Nitrat einzuhalten“, sagte die Umweltministerin. Darüber hinaus gebe es Hinweise, dass bei Tieren eingesetzte Antibiotika dazu beitragen, dass sich auch beim Menschen Resistenzen ausbreiten.

Grünen-Chef gegen industrielle Massentierhaltung

Rückhalt für ihre Initiative findet Hendricks vor allem bei Tier-, Natur- und Umweltschutzverbänden. „Wir brauchen endlich eine politische Strategie, die nicht auf Quantität setzt, sondern auf Qualität. Nur so erreichen wir mehr Tierschutz in den Ställen“, sagt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.

Auch der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Anton Hofreiter ist überzeugt: „Die industrielle Massentierhaltung ist eine Fehlentwicklung, die gestoppt werden muss.“ Ein System, das auf „immer mehr, immer billiger“ setze, ist nicht zukunftsfähig. „Es geht darum, die Privilegierung und Subventionierung der Massentierhaltung zu beenden und die bäuerliche Landwirtschaft zu stärken.“