Ob Deutschlands Hartz-IV-Betroffene tatsächlich ab dem 1. Januar fünf Euro mehr im Monat erhalten, ist fraglich. Wenn die Grünen an der Saar sich nicht vom Bund kaufen lassen, wird die Hartz-Reform der Bundesregierung in der Länderkammer scheitern; der Vermittlungsausschuss müsste beraten. Am Kernproblem, der wachsenden Geringschätzung hilfsbedürftiger Menschen, ändert sich so oder so nichts.
Die Regierung sollte umsetzen, was ihr das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat: die Neuberechnung der Hartz-Sätze auf einem belastbaren Fundament. Gelungen ist ihr das nicht. Sie hat handwerkliche Fehler gemacht. Juristen monieren die „Willkürlichkeit“ und Angreifbarkeit der neuen Hartz-Sätze. Eine Klagewelle droht. Zudem zeugt die Neuberechnung von einer bemerkenswerten Kaltherzigkeit der christlich-liberalen Koalition.
Die Ermittlung der Grundbedürfnisse von Menschen kann niemals objektiv sein. Sie ist immer politisch. Die Regierung hat die Grundbedürfnisse so definiert, dass am Ende eine an Respektlosigkeit grenzende Minimalerhöhung der Regelsätze herauskam. Zugleich hat sie das Elterngeld und die Rentenzuschüsse für Hartz-IV-Betroffene gestrichen. Trotz Bildungspaket spart Schwarz-Gelb also unterm Strich bei den Ärmsten. Um Schulden zu bezahlen, die Reiche zu verantworten haben.
Die Botschaft hinter dieser Reform lautet: Das Sozialsystem ist ein Steinbruch, aus dem sich der Staat nach Belieben bedienen darf, wenn er Haushaltslöcher stopfen muss. Diese Botschaft ist beunruhigend. Das Sozialsystem ist kein Steinbruch. Es ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.
Arbeitslose und Geringverdiener haben ein Recht auf Unterstützung. Sie sind keine Almosenempfänger. Sie müssen sich aber für ihre Hilfsbedürftigkeit immer häufiger vor der öffentlichen Meinung rechtfertigen. Die Politik befeuert das. Eine zu hohe Grundsicherung mindere den Arbeitsanreiz, orakeln Liberale. Heißt übersetzt: Nur Geldgier holt den Hartz-IV-Bezieher aus der sozialen Hängematte. Eine Million Menschen, die als Geringverdiener aufstocken, strafen das Lügen. Für sie ist offenkundig Arbeit an sich ein Wert. Solche Menschen sind es, die mit der Hartz-IV-Reform gedemütigt werden. Weil sie sich so gering geschätzt fühlen.