Der Streit um das Industriegebiet Newpark hat zum schwersten Klimasturz der rot-grünen Regierung geführt. Angeblich gab es sogar Rücktrittsdrohungen.
Düsseldorf.
Als Frau Duin am Mittwoch ins Büro kam, musste die Essener Rechtsanwältin im Kollegenkreis hart dementieren, dass ihr Mann bereits zuhause säße und privatisiere. In der Nacht hatte sich das Gerücht verdichtet, dass NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) im Düsseldorfer Koalitionsausschuss seinen Rücktritt angeboten habe. Gewissermaßen als ultimative Drohung im seit Tagen tobenden Streit zwischen SPD und Grünen über die Zukunft des Industriegebiets „Newpark“ im Kreis Recklinghausen. Soweit ist es gekommen.
„Wer immer das verbreitet hat, kann nicht dabei gewesen sein“, sagte Duin später über die Sitzung der Koalitionsspitzen. Doch die erste ernsthafte rot-grüne Krise in der Amtszeit von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) war kaum zu kaschieren. Bis kurz vor Mitternacht rangen Duin und der grünen Umweltminister Johannes Remmel darum, unter welchen Bedingungen die rund 500 Hektar Landwirtschaftsfläche in Datteln und Waltrop vom Kreis Recklinghausen in das seit zwei Jahrzehnten herbeigesehnte Industriegebiet „Newpark“ umgewandelt werden dürfen.
Interessengegensätze nicht aufgehoben
„Es ist nicht laut und turbulent zugegangen, aber wir haben intensiv diskutiert“, beschwichtigte Duin. Am Ende eines „harten Ringens“ sei es gelungen, einen „klugen Kompromiss“ zu schmieden. Remmel behauptete gar, man habe sich bis in den späten Abend nur „über Formulierungen ausgetauscht“. Die Ministerpräsidentin habe schließlich der Koalition „sehr weitsichtig und weise den Weg gewiesen“, flötete der Grüne ironisch.
Die Interessengegensätze zwischen den Regierungspartnern, daran ließen Duin und Remmel keinen Zweifel, bestehen beim „Newpark“ fort. Die SPD will das einzige von vier großflächigen Ansiedlungsgebieten für produzierendes Gewerbe reservieren – so wie es im aktuellen Landesentwicklungsplan verabredet ist. Die Grünen wollen die Flächen der heimischen Landwirtschaft erhalten, die über explodierende Pachtpreise klagt. „Wir sind das drittgrößte Agrarland bundesweit“, sagte Remmel. NRW habe hier eine „Flächenproblem“.
Vorkaufsrecht für Bauern gekippt
Der Kompromiss besteht darin, dass der Kreis Recklinghausen die sogenannten Rieselfelder nun für 24 Millionen Euro dem RWE-Konzern abkaufen darf und auf Investorensuche gehen kann. Remmels Landwirtschaftskammer verzichtet gegen Auflagen auf ein bundesgesetzliches Vorkaufsrecht für Bauern bei solchen Gebietsübertragungen. Die Auflagen wurden beim Koalitionsstreit an zwei Stellen im Sinne Duins entschärft.
Erstens: Der Kreis muss zusätzliche ökologische Ausgleichsflächen für die bebauten Hektar im „Newpark“ nur dann ankaufen, wenn dies wirtschaftlich machbar ist. Remmel wollte dies zwingend vorschreiben. Zweitens: Die beteiligten Städte Waltrop und Datteln können die Bauplanung nicht einseitig blockieren. Remmel wollte den Waltropern, die einsam im Kreis Recklinghausen gegen den „Newpark“ kämpfen, mehr Macht geben. Nach Aussage von Landrat Cay Süberkrüb (SPD) hätten die ursprünglichen Formulierungen den „Todesstoß“ für das Industrieprojekt bedeutet. Aber auch die abgemilderten Auflagen werden wohl vom Kreis beklagt.
Ob den rot-grünen Zank um die Entwicklung des wichtigsten neuen Industrieareals in Westfalen irgendein Arbeitgeber als Willkommensgruß auffassen könnte, bezweifelte der Wirtschaftsminister selbst. „Ich würde die Schlagzeilen der letzten Woche“, spöttelte Duin, „nicht für einen Werbeprospekt benutzen.“