Berlin.
Reisekosten-Affäre, Bereicherungsvorwürfe, Seitenhiebe aus den eigenen Reihen – für Klaus Ernst ist der politische Sommer ein glatter Reinfall. Ein WAZ-Gespräch mit dem Chef der Linkspartei.
Herr Ernst, sind Sie ein Raffke, der nebenbei auch noch den Steuerzahler betuppt?
Ernst: Wenn die eigene Mutter anruft und fragt: „Klaus, was les’ ich da über Dich in der Zeitung“, geht das schon nahe. Ich bin über die Vorwürfe wirklich erschüttert. Es ist äußerst unangenehm, wenn man öffentlich in Zusammenhang mit Straftaten wie Betrug oder Untreue genannt wird. Das letzte Mal, als ich mit dem Staatsanwalt zu tun hatte, war ich 17. Damals ging es um das Überkleben von Wahlplakaten der CSU.
Haben Sie gegen die Bestimmungen Reisekosten über die Bundestagsverwaltung abgerechnet?
Klares Nein. Ich habe meine Flüge korrekt abgerechnet und bin 100-prozentig sicher, die staatsanwaltlichen Untersuchungen werden ergeben, dass ich keine Straftat begangen habe.
In Teilen Ihrer Partei findet man es unangemessen und imageschädigend, dass Sie monatlich mit angeblich 17 000 Euro brutto nach Hause gehen.
Die Zahl ist abenteuerlich. Zunächst muss die steuerfreie Pauschale von 4000 Euro, die jeder Bundestagsabgeordnete bekommt und von der Mitarbeiter und Wahlkreisbüro bezahlt werden, abgezogen werden. Bleiben rund 13 000 – 7688 Euro Diäten, 1913 für den Fraktionsvorstand und 3500 für den Parteivorsitz. Ich zahle den Spitzensteuersatz, bin dafür, dass er erhöht wird, und führe rund 1300 Euro an die Partei ab. Unterm Strich bleiben rund 5000 Euro netto im Monat über. Das ist natürlich viel Geld, ich weiß. Aber ich halte es für gerechtfertigt. Was ich mache, ist keine 08/15-Aufgabe.
Blöd, dass Ihre Mitvorsitzende Gesine Lötzsch auf die 3500 Euro verzichtet. Das versteht doch keiner.
Gesine Lötzsch verzichtet, weil sie ein ruhendes Arbeitsverhältnis nicht gefährden will. Ich habe nicht verzichtet, weil ich mich nicht deutlich verschlechtern wollte. Das ist schon alles.
Das müssen Sie erklären.
Als Fraktions-Vize im Bundestag und halbtags als Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt habe ich wesentlich mehr verdient als heute. Deshalb ärgert mich auch der Raffke-Vorwurf besonders. Ein Raffke will mehr als vorher. Ich wollte nur nicht draufzahlen.
Woher rührt dann die teils heftige Kritik aus den eigenen Reihen?
Zunächst einmal: Ich erhalte sehr viel Zuspruch und Unterstützung. Die Linke weiß, dass ihr Spitzenpersonal von Zeit zu Zeit kampagnenartig angegangen wird. Gysi, Lafontaine, Bisky, alle haben das erleben müssen. Das steht man gemeinsam durch. Diesmal auch. Es geht doch ganz offenkundig darum, von der wirklichen Debatte über die realen Ungleichheiten in diesem Land abzulenken, indem man isoliert das Gehalt des Klaus Ernst gegen das Einkommen eines Hartz-IV-Beziehers stellt.
Aber es gibt Stimmen, vor allem aus Ostdeutschland, die sagen doch verklausuliert: Klaus, Dein Leben als barocker Luxus-Linker kotzt uns an.
Es gibt Leute, die haben mit mir offenbar andere Rechnungen offen. Sie wären um einiges glaubwürdiger, wenn sie ihre Kritik schon in früheren Jahren geäußert hätten. Mein Vorgänger Lothar Bisky hat auch die Parteizulage von 3500 Euro bezogen, ohne dass jemand daran Anstoß nahm. Tatsache ist: Ich habe nie eine Sonderrolle für mich beansprucht. Meine Entlohnung fußt auf Beschlüssen von Partei und Fraktion, für die sich niemand schämen muss. Wir müssen sie vielleicht nur noch besser erklären. Davon abgesehen: Ich schäme mich nicht für einen zehn Jahre alten Porsche. Und schon gar nicht für einen seit 22 Jahren mit Freunden gepachteten Almhof ohne Strom und Zufahrt.
Ist diese Position in Ihrer Partei gesellschaftsfähig?
Nirgendwo steht geschrieben, dass ein Linker lustvoll seine Armut leben muss, um in der Gesellschaft anerkannt zu sein. Ich verdiene gut. Deshalb muss ich aber nicht unter dem Teppich gehen. Ich setze mich lieber dafür ein, dass möglichst viele gut verdienen und das ohne schlechtes Gewissen auch zeigen.
Die Vorwürfe lähmen Sie als Parteichef. Was wird nun aus Ihrem Versuch, mit SPD und Grünen im Herbst ein Bündnis gegen Schwarz-Gelb in der Opposition zu schmieden?
Das Angebot ist da. Aber die SPD ist gespalten. Die Hälfte ordne ich der Clement-SPD zu. Die wollen am liebsten zurück in die Große Koalition. Das sind und bleiben unsere politischen Gegner. Ein anderer Teil weiß, dass man nur mit uns und den Grünen gemeinsam Veränderungen durchsetzen kann. Bei der Rente, bei der Gesundheit und beim schwarz-gelben Sparpaket sehe ich gute Chancen für eine Zusammenarbeit. Wir sind bereit. An uns soll es nicht scheitern.