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230.000 Überstunden – Bundespolizei in NRW arbeitet am Limit

230.000 Überstunden – Bundespolizei in NRW arbeitet am Limit

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Foto: Archiv/dpa
  • 180 Dienststellen der Bundespolizei in NRW sind nicht besetzt
  •  Zahl der Überstunden ist an Rhein und Ruhr auf 229.994 geklettert
  • Krankenstand hat Höchstwert erreicht

Essen. 

Abschiebungen, Flüchtlingsströme, Terrorgefahr: Die Arbeit ist den 30 000 Bundespolizisten in den letzten zwei Jahren über den Kopf gewachsen. Jetzt machen Zahlen, die die Bundesregierung auf eine Bundestags-Anfrage der Grünen vorgelegt hat, deutlich: Die Beamten können oft gar nicht mehr ihren Hauptjob erfüllen, die Sicherheit der Grenzen, Flughäfen und Bahnhöfe zu garantieren. Denn Dienststellen können nicht mehr rund um die Uhr besetzt werden. Die Krankenstände sind immens hoch. Es gibt Baumängel. Vor allem: Ausreichendes Personal fehlt fast überall.

180 Dienststellen in NRW derzeit nicht besetzt

Davon ist – im Vergleich zu anderen Bundesländern – die Region an Rhein und Ruhr besonders schlimm betroffen.

  • In NRW, wo der Einsatz von der Bundespolizeidirektion in St. Augustin bei Bonn gelenkt wird, gibt es auf dem Papier 2980 Dienststellen. Doch davon sind derzeit nur 2800 besetzt. Innerhalb von zwei Jahren ist die Lücke von 49 auf 180 nicht besetzte Posten gewachsen.
  • Die Zahl der Überstunden ist an Rhein und Ruhr auf 229.994 geklettert. Nur bei der Bundespolizeidirektion in München ist – wegen des Flüchtlingszustroms – die nicht abgebaute Mehrarbeit höher.
  • Der Krankenstand, der auch als Indikator für eine Überbelastung gilt, erreicht in NRW einen Höchstwert: 12,3 Prozent der Bundespolizisten erscheinen aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Arbeit. 2013 waren es 10 Prozent. Nur die Direktionen Pirna an der sächsisch-tschechischen Grenze und in Berlin kommen auf größere Krankheits-Ausfälle.
  • Eine durchgehende Besetzung der Bundespolizeireviere gilt als Selbstverständlichkeit. Aber in den letzten drei Monaten war das in zehn Revieren nicht mehr der Fall – nämlich in Oberhausen, Bochum, Gelsenkirchen, Recklinghausen, Hagen, Siegen, Siegburg, Bonn, Mönchengladbach und Wuppertal.

Die Bundesregierung nennt als Gründe für die fehlende durchgehende Revier-Besetzung eine „temporäre Unterstützung“ anderer Dienststellen an, Abordnungen zu anderen Behörden, „Personalmangel aufgrund von Dienstunfähigkeiten“ und „bauliche Mängel an den Gebäuden“. Nach Informationen unserer Redaktion ist nach der Grenzöffnung für Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze im September 2015 zudem die einzige Einsatzhundertschaft in NRW nach Süden versetzt worden.

Einsatzhundertschaft aus NRW nach Bayern versetzt

Allerdings ist das Bundesinnenministerium bemüht, die Stellenzahlen aufzustocken. Knapp 1600 zusätzliche Planstellen soll es bundesweit geben. Ein Spezialprogramm ist für den Raum Rhein-Ruhr vorgesehen, wo vor allem Bewerber aus der Region zum Zug kommen und „heimatnah“ eingesetzt werden sollen. Doch im Augenblick hilft das nicht weiter, weil die Ausbidungszeit zwischen zweieinhalb und drei Jahren dauert.

Für Jörg Radek, den Vorsitzenden des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hat die Bundespolizei „ihre früher bestehende Flexibilität fast vollkommen eingebüßt“. Dies liege an Geld- und Personalmangel und auch Defiziten in der Ausstattung. Er sagt: Wenn es gleichzeitig zu Terror-Fahndungen und Einsätzen an den Grenzen, bei Großereignissen, in Fußballstadien und Gefahren an Bahnhöfen komme, „dann sind wir nicht mehr in der Lage, angemessen zu reagieren“. Von einer Unterstützung der Länderpolizeien durch die Bundespolizei sei gar nicht mehr zu reden.

GdP: NRW-Westgrenze um 1200 Beamte aufstocken

Radek verlangt ein „Konsolidierungsprogramm“. Danach muss vor allem die Westgrenze in NRW personell massiv um mehr als 1200 Beamte verstärkt werden. Die Bundespolizeinspektion in Aachen soll von heute 290 Polizeivollzugsbeamten auf 870 aufgestockt, die Inspektion in Kleve sogar von jetzt 333 auf 999 Beamte.