Am 14. Januar jährt sich der Mord an Rudolph Moshammer zum zehnten Mal. Mit dem Modeschöpfer selbst starb auch der Mythos, den er sich über Jahre hinweg aufgebaut hatte. Der legendäre Münchner Kommissar Josef Wilfling, der damals in dem Fall ermittelte, erinnert sich an einen „zerissenen Menschen“.
Dass an einer so schillernden Figur wie Rudolph Moshammer viel Schein und Künstlichkeit haftet, war den meisten Menschen klar. Und doch war der Schock in der Bevölkerung groß, als bekannt wurde, dass der Modezar am 14. Januar 2005 ermordet worden war – und unter welchen Umständen dies geschehen war.
Blumen wurden damals vor seiner Boutique im Münchener Nobelviertel abgelegt, Tausende nahmen später an der Beerdigung der Mode-Ikone teil. Das öffentliche Interesse an seinem Tod war enorm, obwohl – oder gerade weil – sich mit seiner Ermordung der Mythos Moshammer jäh in Luft auflöste. Das Bild des freundlichen Exzentrikers mit dem breiten Lächeln und dem Schoßhündchen auf dem Arm wandelte sich im Blick der Öffentlichkeit zu dem eines Mannes mit Abgründen, der sich nächtlich die Gesellschaft jüngerer Männer erkaufte.
Josef Wilfling („Unheil: Warum jeder zum Mörder werden kann“), ehemaliger Chef der Münchener Mordkommission, ermittelte im Mordfall Moshammer und bekam bei seinen Nachforschungen ein Bild von Moshammer jenseits der öffentlich bekannten Kunstfigur. Dass diese sich stark von dem Privatmenschen Moshammer unterschied, wurde ihm bei der Vernehmung seines Umfeldes schnell klar. „Es sind ganz unterschiedliche Wertungen abgegeben worden. Daran konnte man genau erkennen, wer den Geschäftsmann Moshammer kannte und wer den Freizeitmenschen Moshammer. Seine Angestellten haben an ihm kein einziges gutes Haar gelassen. Die muss er behandelt haben wie die Sklaven. Denen gegenüber war er nicht sehr sozial“, erzählt Wilfling der Nachrichtenagentur spot on news.
Dass an der manierierten Fassade Moshammers nicht alles echt sein konnte, dürfte für die meisten Menschen kein Geheimnis gewesen sein. Doch Wilfling spricht bei dem Designer sogar von einem Doppelleben. Die Kunstfigur, die man in der Öffentlichkeit sehen konnte, habe wenig mit der Realität zu tun gehabt. „Ehrlich gesagt glaube ich, dass gar niemand Moshammer wirklich kannte. Der hat allen etwas vorgespielt – seinem Hausarzt, seinem besten Freund, allen. Jedem etwas anderes“, sagt Wilfling. „Aus meiner Sicht war er ein zerissener Mensch.“
Das Doppelleben, das Moshammer führte, wurde ihm letztendlich zum Verhängnis. Dabei war seine Homosexualität keine Überraschung. „In seinem internen Kreis hat er kein Geheimnis daraus gemacht. Woraus er schon ein Geheimnis gemacht hat, waren diese heimlichen, nächtlichen Fahrten durch die Bahnhofsgegend mit seinem Rolls-Royce“, erzählt Wilfling. Moshammers Vorliebe, sich Sex von jungen Männern zu erkaufen, wurde der breiten Öffentlichkeit erst nach seinem Tod bekannt.
„Es gab nur wenige, die konkret davon gewusst haben, zum Beispiel sein Chauffeur und insbesondere sein Sicherheitschef. Der hatte ihn auch wiederholt davor gewarnt, aber Moshammer hat sich nichts sagen lassen. Wie die meisten Menschen, die sich in diesem Milieu bewegen, war er der Meinung, ihm könne nichts passieren, weil er eine so gute Menschenkenntnis hat. Er könne genau einschätzen, ob einer gefährlich ist oder nicht.“
Eine Fehleinschätzung, die Moshammers Todesurteil bedeutete. Denn bei einer seiner nächtlichen Fahrten geriet er an einen jungen Iraker mit großen finanziellen Problemen. „Ein ganz klassischer Raubmord“, war Wilfling sofort klar. Schnell bekamen auch die Medien Wind davon, unter welchen Umständen der Designer gestorben war – erdrosselt von einem auf der Straße aufgegabelten Mann, der seinen Körper für Geld verkaufte. Der Skandal war perfekt.
Welch absurde Züge das immense öffentliche Interesse an Moshammers Ermordung teilweise annahm, zeigt ein kurioses Detail: „Das Einzige, was die Leute immer von mir wissen wollten, einschließlich meiner Ehefrau, war, ob er eine Perücke getragen hat“, erzählt Wilfling. Dabei läge die Antwort doch auf der Hand: „Natürlich hatte er eine Perücke aufgehabt. Dass die Haare nicht echt waren, konnte man doch sehen.“
Durch das große Medieninteresse richteten sich alle Augen auf die Ermittler. „Der Druck, der von den Medien aufgebaut wurde, war gigantisch“, erinnert sich Wilfling. „Der Fall Moshammer wurde nur noch durch den Fall Sedlmayr getoppt.“ Auch bei Walter Sedlmayr 15 Jahre zuvor hatte Wilfling ermittelt und den Schock der bayerischen Bevölkerung erlebt. „Man hatte es ja nicht für möglich gehalten, dass dieser Urbayer, dieses hemdsärmelige Mannsbild aus ,Polizeiinspektion 1′ schwul ist. Das war damals für die Leute schlimmer als die Tatsache, dass er ermordet worden ist.“
Doch anders als beim Fall Sedlmayr, wo die Analyse von DNS-Spuren noch Zukunftsmusik war und falsche Fährten dazu führten, dass die Täter erst ein Jahr später gefunden wurden, war Moshammers Mörder bereits zwei Tage später gefasst – ein besonders schnelles Ermittlungsergebnis, wie Wilfling betont. „Und diese Schnelligkeit war letztendlich ausschlaggebend dafür, dass der Fall von Erfolg gekrönt war.“
Übrigens bewegte auch das Schicksal von Schoßhund Daisy, dem „berühmtesten Hund Deutschlands“, die Gemüter. Die Polizei hatte sie im Schlafzimmer gefunden und auf Bitte des Chauffeurs und der Putzfrau in einer Tasche nach draußen getragen, „weil sie das tote Herrchen nicht sehen durfte“. „Ich habe sie dann erstmal mit auf die Wache genommen“, erzählt Wilfling.
Wie in Moshammers Testament verordnet, fand Daisy bei dessen Chauffeur Andreas Kaplan ein neues Zuhause. So mancher hätte die Hundedame allerdings gerne als morbides Souvenir ergattert. Wilfling erinnert sich: „Mindestens zwei Dutzend Bittbriefe sind bei mir aus ganz Deutschland eingegangen. Alle wollten den Hund haben.“ Es wäre ein kurzes Vergnügen gewesen: Im Oktober 2006 starb die letzte Reinkarnation von Daisy, und mit ihr ein weiteres Stück des Moshammer-Mythos.